Burn-out, Armut und starke Frauen
Paris heute: Solène, brillante Anwältin, 40 Jahre, lebt nur für ihren Beruf. Privat klappt nichts. Ein Klient, nach verlorenem Prozess, stürzt sich vor ihr in den Tod. Sie bricht nervlich zusammen. „Um sich selbst aus dem Fokus zu nehmen“ rät ihr der Psychiater zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Die Anzeige „Öffentlicher Schreiber gesucht“ führt sie in den „Palast der Frauen“. Die Frauen zeigen sich abweisend, misstrauisch, unnahbar. Schritt für Schritt findet sie ihren Platz bei Binta, Sumeya, Cynthia, Iris, Renée etc., die in ihrer eigenen Welt leben und aus einer anderen kommen. Sie lebt im Schreiben für die Frauen auf. Paris 1920er Jahre: Die zweite Protagonistin Blanche Peyron, Chefin der französischen Heilsarmee, kämpft für ein Frauenhaus. Mit ihrem Mann verwirklicht sie 1926 ihre „verrückte Idee“, den Ausgeschlossenen eine sichere Bleibe zu bieten. In flüssigem Stil wird das Prekariat der 1920er Jahre und von heute beschrieben. Laetitia Colombani lässt den Roman sehr gut in zwei Zeitebenen spielen. Interessant ist die Geschichte der Palastbewohnerinnen, ihre Dramen, ihre Leidenschaften, ihre Lebenskraft, ihre Großzügigkeit. Damals und heute! Dorothea Schaffernicht
Laetitia Colombani: Das Haus der Frauen. Aus dem Franz. von Claudia Marquardt. 254 Seiten, S. Fischer, Frankfurt/M. 2020, EUR 20,60