Für die literarisch anspruchsvolle Frau

Ein Haus an einem märkischen See… damit beginnt die Herausforderung ans Gedächtnis. 15 Leben, 15 Schicksale von den 1920er Jahren bis heute – verflochten und verworren, verbunden und lose. Es ist nicht einfach, den Überblick zu behalten, alles wird mit vielen Details gespickt, die dazu verleiten, sich zu verlieren. Dies ist jedoch beabsichtigt, die Details machen die Geschichte erst zu dem, was sie ist – durch diese „Abschweifungen“ wird erst der Charakter der Menschen sichtbar, fühlbar und begreifbar. Sie gewinnen an Tiefe, frau bekommt einen Einblick in die Seele oder zumindest eine Ahnung davon. Was oftmals auf den ersten Blick unzusammenhängend erscheint, offenbart sich schlussendlich doch. „Ich armer Soldat muss Schildwach stehn, hab keine Beine und muss doch gehen, hab keine Hände und muss doch schlagen, und allen Leuten die Wahrheit sagen. Loch an Loch – halten tut es doch.“

Dass Jenny Erpenbeck die Geschichte selbst liest, macht es einem auch nicht einfacher ihr zu folgen! Sie liest irgendwo zwischen getragener Monotonie und ernsthafter Langeweile … ihre Pausen sind teilweise eigenwillig gewählt, jedoch entspricht all das der Geschichte, es scheint, als sei sie beim Lesen genauso wie beim Schreiben Teil dieser Geschichte. Mit ihrer Stimme, ihrer Intonation und ihren Gefühlen macht sie sie hörbar im wahrsten Sinne des Wortes.

Daniela Kiedl

Jenny Erpenbeck: Heimsuchung. Gelesen von Jenny Erpenbeck. Hörbuch Download, 317 Minuten, der Hörverlag, 2016 EUR 11,95