Hegemonieselbstkritik

Aus dem Kontext der Schweizer Gender Studies stammt dieser Sammelband, der den Blick auf das Hier lenkt, auf die Selbste, die Normen und Positionen im „Westen“, von dem Kolonialismus und Imperialismus ausgehen, und der davon alles andere als unberührt bleibt. Postkoloniale Kritik an Geschlechterforschung europäischer Prägung wird dabei zum Ausgangspunkt für deren selbstreflektive Weiterentwicklung verstanden. Die kritische Selbstbetrachtung bleibt nicht Nabelschau, sondern stellt wiederholt die Frage, ob auch kritische Gender Studies immer wieder zur Stärkung dominanter Paradigmen beitragen. Die in Anthologien immer heterogenen Zugänge tun dies thematisch entlang von drei Fasern eines roten Fadens, der mal stärker und mal weniger kräftig wirkt und in der Frage mündet, was nach Dekonstruktion und Selbstkritik kommt. Die Antworten sind überwiegend vorsichtige Versuche, die Quadratur des Kreises doch immer wieder von Neuem zu versuchen. Ohne Hegemonieselbstkritik, so der Tenor, keine politische und letztlich auch keine überzeugende wissenschaftliche Zukunft feministischer Kritik. Ob und wie transnationale feministische Solidarität auch bei anhaltender Kritik an bestimmten Feminismen aus/in den Metropolen der Wissensproduktion möglich ist, wird uns noch länger beschäftigen. Und nach überwiegender Meinung der Autorinnen sollte es dies nicht nur auf akademischem, sondern auch auf politischem Terrain tun. Die Beschäftigung mit dem Diesseits der imperialen Geschlechterordnung und den darin un/möglichen Positionen ist diesem Vorhaben bestimmt dienlich. Claudia Brunner

Diesseits der imperialen Geschlechterordnung. (Post-)koloniale Reflexionen über den Westen. Hg. von Karin Hostettler und Sophie Vögele. 322 Seiten, transcript, Bielefeld 2014EUR 36,00