Wieder ein Buch über Berühmte Frauen und
ihre Freundinnen. Die Herausgeberinnen Joey
Horsley und Luise F. Pusch reagieren mit ihrer
jüngsten Publikation programmatisch auf einen gegenwärtigen
backlash in Sachen lesbischer und
schwuler Emanzipation und verstehen ihr Buch als
Beitrag zur Frauengeschichte, in dem berühmte
Frauenpaare als (politische) Vorbilder gesehen werden.
Das ist ein schönes Unternehmen und die
Beiträge über die berühmten Frauen und ihre
Freundinnen wie Renée Vivien und Natalie Barney
oder Margaret Mead und Ruth Benedict sind gut recherchiert
und ansprechend geschrieben. Der Band
ist wohl als Fortsetzung des 2005 erschienenen
Buchs Berühmte Frauenpaare der beiden Herausgeberinnen
gedacht. Warum aber ein weiteres Buch
über Frauenpaare? Wir kennen ähnliche Titel: Wer
mit wem? Berühmte Frauen und ihre Liebhaberinnen
von Ines Rieder (1997) oder Frauenliebe.
Berühmte weibliche Liebespaare der Geschichte
von Hilde Schmölzer (2009). Weder Vor- noch
Nachwort verraten mehr über Motivation oder
Konzeption. Das Vorläufige der Gattung Biografie,
das Versuchsweise der Beschreibung wird nicht diskutiert.
Und so lesen wir ein schönes Buch über interessante
Frauen in einem bekannten Ton. Die Frage
jedoch, wie eine Geschichte über (lesbische)
Frauen geschrieben werden kann oder soll, bleibt
trotz einer lebendigen Biografie-Forschung ganz
ohne Antwort. Susanne Hochreiter
Frauengeschichten. Berühmte Frauen und ihre Freundinnen.
Hg. von Joey Horsley und Luise F. Pusch. 320 Seiten,
Wallstein Verlag, Göttingen 2010 EUR 25,60
Dieses Buch ist eine wunderbare Sammlung
über die Liebes- und Lebensgeschichte von
Adele Schopenhauer und Sybille Mertens-Schaafhausen
und deren Freundinnen (darunter auch Ottilie
von Goethe, Anette von Droste-Hülshoff und
Anna Jameson). Hintergrund ist das Köln des 19.
Jahrhunderts sowie die zahlreichen Salons, die die
beiden in ihren verschiedenen Wohnorten in
Deutschland und Italien Zeit ihres Lebens betrieben.
Geschichte einer Liebe ist unbedingt zu empfehlen
und absolut lesenswert! Das Detailwissen aus
dem Leben und Wirken von Adele und Sybille hilft,
den zeitgeschichtlichen Kontext ausgesprochen lebendig
und faszinierend zu vermitteln. Ein Großteil
des Fließtextes wird von geschickt eingeflochtenen
Originalzitaten aus Briefen und Tagebüchern
biografisch an das Leben der beiden rückgebunden,
die literarischen Meisterinnen fesseln mit ihren eigenen
Worten; die Quellen konnten teilweise gerade
noch rechtzeitig vor dem Einsturz des Kölner
Stadtarchivs von Angela Steidele übertragen und
gerettet werden. Die Höhen und Tiefen der Beziehung
wirken aus heutiger Perspektive teils vertraut;
die Tragödien und auch großen Hindernisse (z. B.
ein Ehemann und sechs Kinder, Unmündigkeit,
schwer überwindbare räumliche Distanzen) lassen
nur erahnen, wie sich frauenliebende Frauen im
frühen 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund sich
verändernder Sexualitäts- und Geschlechterparadigmen
selbst (er)finden konnten.
Am Schluss des Buches beweint die Rezensentin
den Tod und das Auseinander-Reißen des Bandes
zwischen Adele und Sybille, trotzdem glücklich,
die beiden kennen gelernt zu haben! Danke für dieses
Buch!!!
Karin Schönpflug, Lila Tipp Lesbenberatung
Angela Steidele: Geschichte einer Liebe: Adele
Schopenhauer und Sibylle Mertens. 336 Seiten, Insel
Verlag, Berlin 2010 EUR 25,50
Im Rahmen der wissenschaftlichen Recherchen
für die noch bis 16. Oktober 2010 im
Grazer Volkskundemuseum gezeigte Sonderausstellung
l[i]eben. uferlos und andersrum entstand
der vielschichtige, transdisziplinär angelegte Sammelband
L[i]eben und Begehren zwischen Geschlecht
und Identität. Die Mischung aus wissenschaftlichen
Artikeln zu historischen Bewegungsmomenten
in der Steiermark (u.a. Ines Rieder, Gudrun
Hauer, Neda Bei, Elisabeth Holzleithner, Nikolaus
Benke), kritischen (wissenschaftlichen) Reflexionen
über das Schreiben von (gegen- bzw. subkulturellen)
Bewegungs- und Lebensgeschichte(n)
(besonders gelungen: Hanna Hacker), der Vorstellung
steirischer Projekte und Initiativen aus der
LGBTQ-Community sowie Passagen aus biografisch-
narrativen Interviews mit lesbisch/schwul/
transgender lebenden Menschen kann als ambitionierter
und zum Teil auch gelungener Versuch betrachtet
werden, den Unschärfen und Schwierigkeiten
bei der Be-Schreibung von LGBTQ-Kultur-
Geschichte(n) zwischen pathologisierender Zuschreibung
und Diskriminierung, subjektiven
Selbstverortungen und subversiven Handlungspotenzialen
Rechnung zu tragen. Auch wenn nicht alle
in der Publikation präsentierten Ergebnisse neu
sind, so liefert der Sammelband doch ein spannendes
Konglomerat von Spuren steirischer Bewegungsgeschichte(n). Kritisch anzumerken bleibt jedoch,
dass das Buch stellenweise unreflektiert
Weiß/ mehrheitsösterreichisch bleibt und damit
nur bedingt den kolonialismus- und rassismuskritischen
Ausführungen von Hanna Hacker am Anfang
des Bandes folgt. Christine Klapeer
L[i]eben und Begehren zwischen Geschlecht und
Identität. Multimediale Sammlungen. Hg. von Maria Froihofer,
Elke Murlasits und Eva Taxacher. 239 Seiten, Löcker
Verlag, Wien 2010 EUR 22,-
Im Streiksemester 1988/89 entstand im Rahmen
des autonomen Seminars Homosexualität
im Film als Projekt von Studierenden das heute
älteste und größte Filmfestival seiner Art im
deutschsprachigen Raum: die Lesbisch Schwulen
Filmtage Hamburg (LSF), von Lesben und Schwulen
gemeinsam organisiert, zumeist ehrenamtlich
und über weite Strecken basisdemokratisch. Dorothée
von Diepenbroick, von Anfang an dabei, und
Skadi Loist, auch seit vielen Jahren beteiligt, haben
anlässlich des 20-jährigen Bestehens der LSF ein
großformatiges Buch über die Geschichte des Festivals
herausgegeben. Es ist ein üppig-schönes Bilderbuch
geworden, ein dichtes Buch über die Geschichte
lesbisch-schwuler und queerer Film- und
ebenso Festivalproduktion. Zum Beispiel wird beim
Blättern und Lesen deutlich, um wie viel näher sich
Anfang der 1990er-Jahre in kritischen Kontexten
Analyse, Präsentation und Produktion von Filmbildern
waren. Denn mit dem Autonomen Seminar
entstand zunächst ein Video, keine Chance für die
Liebe?, und dessen (vor Besucher_innen überquellender)
Premierenabend im Kommunalen Kino
Metropolis war zugleich die Geburtsstunde der LSF.
Spannend auch zu lesen, wie es erst mit massiver
Vergrößerung der LSF zur Vereinsgründung
kommt, dann auch mit Hierarchisierung (Festivalleitung,
Festivalsprecher_innen) experimentiert
wird, und diese dann prompt wieder verworfen
wird, um bei der bis heute funktionierenden basisdemokratischen
Struktur zu bleiben. Großartig
ganz generell die Vielfalt der Textsorten und Genres
im Buch, die Themen, Ästhetiken und Politiken
queerer Filme und ihrer Festivals beschreiben, und
spannend, wie es dabei immer auch um die Strukturen
eines gemeinsamen Herstellens - und eben
ums gemeinsame Herstellen geht. Gehört auf den
Bücherstapel aller, die was mit queer und Film am
Hut haben. Johanna Schaffer
Bild:schön. 20 Jahre Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg.
Hg. von Dorothée von Diepenbroick und Skadi Loist. 352 Seiten,
Männerschwarm Verlag, Hamburg 2009 EUR 24,70