FrühjahrFrühjahr 20102010:: ÖkonomieÖkonomie

Verstehen und Verteilen

Der Verein zur Förderung frauengerechter Verteilung ökonomischen Wissens hat einen Namen: Joan Robinson, eine Ökonomin, der Mitte der 1970er-Jahre auch von ihren Kritikern aus dem Männerzirkus der Wirtschaftswissenschaften der Nobelpreis zuerkannt worden wäre, den sie „natürlich“ nicht bekommen hat. „Sie arbeitete an der Lösung realer Probleme und vermied die Flucht in den mathematischen Nachweis der Funktionsfähigkeit von Marktwirtschaften.“ Autorinnen aus diesem Kontext haben gemeinsam mit Kolleginnen vom Institut für Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie/Wirtschaftsuniversität Wien und dem WIDE (Netzwerk Women in Development Europe) den Beginn einer Lückenfüllung durch eine wunderbar hilfreiche Handreichung eingeläutet. Eigentlich geht es um vier Ermangelungen, die hier ineinander und für uns vermittelt werden: das gar nicht bis wenig existierende Wissen um Wirtschaftsbelange von (auch kritischen und feministischen) Frauen, obwohl diese vom Wirtschaftssystem schlechterdings am meisten betroffen sind; die Inhalte der Kritik aus weiblicher Sicht an dieser Ökonomie und ihren Apologeten; die dadurch ermöglichte Wehrhaftigkeit in Theorie und politischem Alltag; Mittel, wie dieses Wissen in Bildungszusammenhängen ganz praktisch verbreitert werden kann. Thematisiert werden u. a. die androzentrische Theorie der Ökonomen, Begriffs- und Wirklichkeitserklärung von Globalisierung, Staat und Steuern, internationalem Handel, Finanzmärkte, Arbeit. Nicht nur ein erweitertes und geschlechtergerechtes Ökonomieverständnis wird empfohlen, sondern zu jedem Bereich werden Lehr/ Lernmethoden und Unterlagen angeboten. Inklusive einem Glossar zu den Begriffen der Wirtschaft, die wir immer schon mal verstehen wollten. Birge Krondorfer
 
Zu bestellen u. a. bei: luise.gubitzer@wu.ac.at, Tel: 01/31 336-4515.
 
Verein Joan Robinson und Autorinnenkollektiv: Wirtschaft anders denken. Handbuch Feministische Wirtschaftsalphabetisierung. 173 Seiten, Eigenverlag, Wien 2009 EUR 19,-

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Neue Ansätze in der Demographie

Die Beiträges dieses Sammelbandes wurden bei der gleichnamigen Konferenz in Hildesheim (Deutschland) im Jahre 2008 präsentiert und bringen genderspezifische Sichtweisen in die demografische Forschung ein. Es werden neue Perspektiven dargestellt, indem drei demografische Trends (Rückgang der Fertilität, Alterung und Migration) in Hinblick auf Veränderungen des Wohlfahrtsstaates und genderspezifische Relationen betrachtet werden. Dabei ist gerade die Verknüpfung der drei Dimensionen wichtig, da in der Forschung zumeist nur einzelne oder zwei von ihnen im Fokus stehen. Die Aufsätze der Autorinnen spiegeln die Interdisziplinarität des Feldes wieder und geben durch verschiedene methodologische und theoretische Ansätze einen Einblick in spezifische nationale Entwicklungen. Als besondersinteressant ist das mehrmals vorgebrachte Argument für anhaltende niedrige Fertilitätsraten hervorzuheben, bei dem die wenigen Geburten als individueller, weiblicher Widerstand gegen diskriminierende gesellschaftliche Gegebenheiten in neoliberalen Politik- und Wirtschaftssystemen interpretiert werden. Das Buch füllt eine Lücke in genderspezifischer demografischer Forschung und bereichert die sich zumeist quantitativer Methoden bedienende Disziplin um konstruktivistische und diskursanalytische Ansätze in kritisch feministischen Beiträgen Petra Wächter
 
Heike Kahlert und Waltraud Ernst: Reframing Demographic Change in Europe. Perspectives on Gender and Welfare State Transformations. 232 Seiten, LIT Verlag, Berlin 2010 EUR 20,50

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Gefangen zwischen Utopie und alchemistischem System

Der Titel verspricht viel Spannendes, doch der Buchinhalt wirkt fragmentarisch und wenig konkret. Bereits die Einleitung fasst einen Großteil der im Buch präsentierten Thesen zusammen, hier werden auch einige Zusammenhänge erklärt, die im gegenwärtigen neoliberalen ökonomischen Diskurs gerne verschwiegen werden. Doch dann folgt eine hastig wirkende, umfassende Sammlung sämtlicher gegenwärtiger System- Katastrophen aus den Politikbereichen Welthandel bis Militarismus. Auf zwei Seiten werden mögliche Alternativen angerissen. In den nächsten zwei Abschnitten wird das kapitalistische Patriarchat als „Alchemistisches System“, als Utopie (bzw. Dystopie) entlarvt, bspw. wird der Urglaube an die Knappheit in ökonomischen Systemen über die Knappheit an gebärenden Vätern („Gebärneid“) erklärt, der durch die Produktion riesiger Geldmengen und Güter zu entkommen gesucht wird. Ab der Mitte des Buches fehlt mir dann die konkrete im Buchtitel versprochene „Logik der Alternativen“, stattdessen analysiert Werlhof Diskussionen vom World Economic Forum in Salzburg und religiöse (?) Auseinandersetzungen mit René Girard. Es folgen Reden von Claudia von Werlhof. Die Leserin bleibt etwas ratlos und deprimiert ohne Synthese, wesentlichen Erkenntnisgewinn oder kritische Denkimpulse zurück. Karin Schönpflug
 
Claudia von Werlhof: West-End. Das Scheitern der Moderne als „kapitalistisches Patriarchat“ und die Logik der Alternativen. 261 Seiten, PapyRossa, Köln 2010 EUR 18,40

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