Alle sind überzeugt und niemanden kümmert
es wirklich, dass Evelyn, 42 Jahre alt, Sozialhilfeempfängerin
und seit Jahren krank, eines
natürlichen Todes gestorben ist. Nur ihre Tochter
glaubt nicht daran. Und so beginnen Mira Valensky
und ihre aus Bosnien stammende Freundin Vesna
Krajner mit den Ermittlungen. Mira Valensky ist
Journalistin bei einem Lifestyle-Magazin, das sich
in Zeiten der Wirtschaftskrise mehr um die GewinnerInnen
denn die VerliererInnen kümmert. Und
Evelyn gehört eindeutig zu letzteren. Arm, sozial
ausgegrenzt lebt sie im Haus – eher einer Bruchbude
– ihrer Schwägerin und putzt für sie, damit sie
keine Miete zahlen muss. Sie lebt allein, spricht mit
ihrem Handy und filmt sich selbst. Nicht immer
war sie Sozialhilfeempfängerin und als talentierte
junge Sängerin hätte sie wohl eine vielversprechende
Zukunft gehabt. Wäre da nicht ein schreckliches
Unglück geschehen … Wie in allen vorhergehenden
Krimifällen hat Eva Rossmann ein Thema gewählt
– diesmal ist es Armut und soziale Ausgrenzung
in Österreich – passend zum EU-Jahr der Armut.
Gut recherchiert, sozial kritisch, spannend
und mitreißend geschrieben – mehr davon! Heide Mitsche
Eva Rossmann: Evelyns Fall. Ein Mira-Valensky-Krimi.
240 Seiten, Folio Verlag, Wien/Bozen 2010 EUR 19,90
In Lisa Lerchers neuestem Krimi gibt es ein
Wiedersehen mit Anna und Mona, die zwar
Magistratsbedienstete bzw. Journalistin sind, aber
die Tendenz haben, in gefährliche Kriminalfälle
hineingezogen zu werden. Andererseits sind sie
durch ihre Arbeit oft auch ganz nah dran an kleinen
und großen Tragödien. Diesmal geht es um
Sorgerechtsstreitigkeiten und Vaterrechtsaktivisten.
Dass dabei viel Unschönes zutage kommt, wundert
keine, die den realen Diskurs der letzten Jahre
kennt. Dabei muss Lercher sehr zugute gehalten
werden, dass sie zwar ihren Mörder in dem Milieu
ansiedelt, gleichzeitig aber viele Facetten der Problematik
darstellt: die Situation alleinerziehender
Mütter genauso wie die von Vätern, die ihre Kinder
vermissen. Bei aller Gesellschaftskritik ist aber
Spannung garantiert, das Ende ganz schön brutal
und heftig. Für alle, die feministische, politische
Krimis mit Österreichbezug suchen. ESt
Lisa Lercher: Zornige Väter. Kriminalroman. 229 Seiten,
Milena Verlag, Wien 2010 EUR 14,90
„Manchmal kriegt man einfach nicht mit, was
auf einen zukommt. Wie ein Gewitter, das aus
heiterem Himmel los bricht.“ Die 14jährige Luce ist
mit ihrem älteren Bruder Jamie und dessen bestem
Freund Kit auf dem Weg zu ihrem Vater, um dort
die Ferien zu verbringen. Sie ist genervt von den älteren
Burschen, die über Mädchen quatschen und
beim Autofahren durch die dunkle Wüste Bier trinken.
Plötzlich hören sie einen dumpfen Knall. Es
war kein Tier, das gegen ihr Auto prallte, wie sie
zunächst denken, sondern ein Mädchen, das nun
tot am Straßenrand liegt. Mit Hilfe der Künstlerin
Beth, die in der Nähe wohnt, rufen die Kids die Polizei.
Bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, können
sie ihre Fahrt nicht fortsetzen. Wie wurde das
Mädchen getötet? Luce forscht auf eigene Faust und
bringt damit sich und die anderen in Gefahr.
Neben der Kriminalgeschichte erzählt Broach vom
Erwachsenwerden, vom Verlust der Unschuld, von
Küssen und Gefühlen und dem Wissen, dass es einen
Punkt gibt, an dem man nicht mehr zurück
kann. vab
Elise Broach: Die Tote aus dem Nichts. Übersetzt von
Katharina Orgaß und Gerald Jung. 302 Seiten. dtv, München
2010
Ab 14 J. EUR 7,20
Ein ganz schön grauslicher Psychothriller ist
„Die Rattenfängerin” der bekannten schwedischen
Autorin Inger Frimansson.
Titus, ein mehr oder weniger erfolgreicher Verleger,
trennt sich von Rose, um mit Ingrid glücklich zu
werden. Rose zieht aufs Land und sich immer mehr
zurück. Ratten, die in ihrem Haus ein- und ausgehen,
sind ihr einzige Kontakt. Als Titus schwer erkrant,
bittet er Ingrid, Rose zu einem letzten klärenden
Gespräch mit ihm zu überreden. Sie wird von
dieser wenig freundlich empfangen und als sie
dann aus Panik eine Ratte tötet, dreht Rose durch
und sperrt sie in den Keller, in ein dunkles Loch.
Mit einem Trick schafft Rose es sogar, die Außenwelt
von einem freiwilligen Verschwinden Ingrids
zu überzeugen. Dem geschwächten Titus wird diese
Nachricht zu viel und er stirbt, während Ingrid
immer noch im Keller gefangen gehalten wird. Jenny Unger
Inger Frimansson: Die Rattenfängerin. Roman. 446
Seiten, btb Verlag, München 2010 EUR 9,–
Dass die Polizei die Frauen nicht genügend
schützt, das ist zum Verrücktwerden! Findet
jedenfalls Hobbyermittlerin Berenike Roither, deren
zweiter Fall in der Community um ein Bad Ischler
Frauenhaus spielt. Dem bestialischen Frauenmord
an der, sowohl sexuell als auch sonst offensiven Caro
folgen noch weitere.
Leider gruselt es einer beim Lesen aber eher aufgrund
der billigen Stereotype denn vor Spannung.
Berenike verfolgt den auf Abwege gekommenen
Ehemann einer Freundin, den Türken Mehmet, in
ihre Heimatstadt Wien. Aber Achtung, denn wenn
„arabischer(!) Machismo auf latente(!) katholische
Frauenfeindlichkeit“ trifft, dann wird’s für Autorin
Anni Bürkl schwierig. Nur in Kopftuch und weites
Jeanskleid gehüllt traut sich die Ermittlerin ins
Café Istanbul, und es kommt, wie es kommen
muss: es wird geglotzt und sich in den Schritt gefasst,
unverständliches Kauderwelsch, das Kopftuch
verrutscht, sie stolpert über ihre lange Verkleidung,
einer drückt ihren Busen, wuterfüllte
Männerblicke: „Keine Frauen hier“. Mehmet fliegt
dann doch noch auf. Die Szene: im Hintergrund
arabische Musik und eine Frau schreit. Zwar ist
Mehmet nicht Caros Mörder, doch ist er, trotz Ehefrau
im Salzkammergut, mit einer „kleinen Türkin“
in Hochzeitsvorbereitungen. Tja, „überall das Gleiche,
welcher Nationalität die Männer auch waren!“
„Bloody hell“, wie Berenike zu sagen pflegt. Im
Salzkammergut gibt’s als Draufgabe den „gestörten“
Adi, der den furchteinflößenden, aber harmlos
brabbelnden Quasimodo abgibt. Und außerdem:
Heteras, hütet euch vor den Lesben, die sind in jeder
Lebenslage anlassig! Dass die Hallstätterinnen
und Altausseerinnen gemeinhin eine Putzfrau haben,
versteht sich von selbst… wahrscheinlich eine
„kleine Türkin“. Aber macht nichts, Frau Bürkl,
im FPÖ-WählerInnenpool werden Sie damit sicher
Anklang finden. Doris Allhutter
Anni Bürkl: Ausgetanzt. Ein Salzkammergut-Krimi. 321
Seiten, Gmeiner, Meßkirch 2010 EUR 12,20
Endlich sind die Schafe mit ihrer Schäferin in
Europa angekommen und nun ist nichts so,
wie es sein sollte. Statt der saftigen Gräser ein kalter
harter Winter, ein fremdes ungeschorenes Schaf,
das eigenartig Unverständliches murmelt, der
schreckliche Tierarzt und dann auch noch Ziegen!
Als ein Mord geschieht, ist es klar: die Schafe müssen
wieder ermitteln. Und sie setzen alles daran,
den Garou, den Werwolf, der verantwortlich sein
soll, ausfindig zu machen.
Alle die, denen wir schon in „Glennkill“ begegnet
sind, sind wieder da: Miss Maple, das klügste Schaf
der Herde, Mopple, das Gedächtnisschaf, der alte
Leitwidder Sir Ritchfield und in Gedanken sein
Zwilling Melmoth, Zora und Cloud, das wolligste
Schaf, Lane, das schnellste und Ramses, das kreative
Schaf, Maude, Heide, Willow, das zweitschweigsamste
Schaf, das kleine Winterlamm und das
schweigsamste Schaf der Herde. Othello ist der
neue Leitwidder und neu dazukommt der Ungeschorene.
Und entgegen allen Vorurteilen trägt
auch die kleine schwarze Ziege Madouc nicht unwesentlich
zur Aufklärung der Verbrechen bei.
Nach „Glennkill“ ein beinahe noch spannenderes,
mindestens ebenso unterhaltsames Abenteuer der
sympathischen Herde von Leonie Swann. Paula Bolyos
Leonie Swann: Garou. Ein Schaf-Thriller. 414 Seiten,
Goldmann, München 2010 EUR 20,60
Die französische Kultautorin peppt den konventionellen
who-done-it mittels szenografischer
Beschleunigung auf. Die Zeichnungen Baudoins
sind trashig und ein bisschen düster. Zum
Glück spielt die Geschichte in Paris, so sorgen die
Namen von Menschen und Orten für ein wenig
Eleganz. Culture (Rimbaud, Bernini und ein Amphitheater
in Orange) ist ebenfalls enthalten. Im
Übrigen bringt der anarchistische Polyp Adamsberg
mithilfe seines belesenen, aber erfolglosen Kollegen
Danglard einen psychopathischen Serienkiller zur
Strecke.
Vernunft und Ordnung, so die Botschaft, sind nur
in Maßen der Gesellschaft zuträglich und die
Schönheit ist in den missachteten Dingen. Die einzige
weibliche Figur ist leider ein ebenso hübsches
wie naives Mädchen. C’est la vie. Miriam Wischer
Fred Vargas: Das Zeichen des Widders. Mit Zeichnungen
von Edmond Baudoin. Übersetzt von Julia Schoch. 222
Seiten, Aufbau Verlag, Berlin 2010 EUR 15,40