Annemarie Schwarzenbach beschreibt sich
selbst als „unheilbar Reisende“. Reisen und
Schreiben und die Suche nach sich selbst sind in
ihrem Leben eng miteinander verknüpft. „Habe ich
nicht, auf vielen Reisen nach Osten und Westen,
gelernt, daß der Mensch beinahe überall leben
kann, daß er für dieses bißchen Leben wenig
braucht, und viel, nämlich das bißchen nicht zu benennende
Hoffnung, eine Art von himmlischer
Speise?“ Ihre Berichte über Teheran, Baghdad, Istanbul,
Persepolis, die Steppe oder die Frauen Afghanistans,
bestechen durch poetische Erzählkraft
– die zugegebenermaßen für manche Leserin heutzutage
überhöht klingen mag – ihre präzise Beobachtungsgabe,
ihre Faszination vor und Achtung
für das Fremde und die Einbeziehung historischer
und sozialer Umstände.
Empfohlen für alle Reisenden des Lebens. vab
Annemarie Schwarzenbach: Orientreisen. Reportagen
aus der Fremde. Hg. und mit einem Nachwort von Walter
Fähnders. 190 Seiten. edition ebersbach, Berlin 2010
EUR 20,40
In einer vergleichenden Studie des Boltzmann-
Instituts für Europäische Geschichte und Öffentlichkeit,
der Universität Malmö und des Demokratiezentrums
Wien werden die Debatten in Parlamenten
und Regierungen Österreichs und Schwedens
zum Thema der Arbeitsmigration seit dem
Gastarbeiter_innenregime in den 60er Jahren einer
Analyse unterzogen. Heraus kommt ein solides
Grundlagenwerk zur diskursiven Konstruktion von
Arbeit und Migration. In den beiden Hauptkapiteln
zu Österreich (Mayer) und Schweden (Spång) wird
jeweils ein guter Überblick über die Vertrags- und
Diskursgeschichte migrantischer Arbeit inklusive
der nachgelagerten, leidigen Integrationsdebatten
entwickelt. In einer Art (gefühltem) Anhang finden
sich vier Beiträge über die tschechische Republik,
das ehemalige Jugoslawien, Finnland und Türk_innen
in Europa, die sich teils auf die Ergebnisse von
Mayer und Spång beziehen und andernteils wenig
nachvollziehbare Ergänzungen aus „anderswo in
Europa“ darstellen. Die durchgängige Argumentation
ist eher mainstream-kompatibel: So wird etwa
im Beitrag von Ayhan Kaya (Transnationalizing Integration
in the Age of Securitization) die demographisch-
ökonomische Karte gespielt und argumentiert,
Europa solle sich angesichts seiner rückläufigen
Einwohner_innenzahlen und der fehlenden
Arbeitskraftversorgung aus Osteuropa nicht der Mi-
gration verwehren. Vom Recht auf Desintegration
und Bewegungsfreiheit ist insgesamt wenig die Rede,
und so fällt - trotz relativ klarer Positionierung
zum europäischen Grenzregime - die Abkoppelung
vom Olah-Raab-Jargon der „arbeitenden Gäst_innen“
eher schal aus.
Alles in allem ein ok-er deskriptiver Beitrag zur Geschichtsschreibung
der Institutionen und zur Herrschaftswissensproduktion
für antirassistischen Aktivismus,
der von Mayers angenehm eindeutiger
Positionierung immer wieder aus dem Mainstream
rausgerissen wird, sich aber gerne ein Stückchen
weiter aus dem wissenschaftlich-opportunen Fenster
lehnen hätte können. Lisa Bolyos
Debating Migration. Political Discourses on Labor Immigration
in Historical Perspective. Hg. von Stefanie Mayer und
Mikael Spång. 160 Seiten, StudienVerlag, Wien 2009
EUR 24,90