Alle reden über die Wirtschaft, wenige über Arbeit. Wenn über
Arbeit geredet wird, meinen die meisten bezahlte Arbeit. Die
wenigsten wissen, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitsstunden im
Jahr unbezahlt geleistet werden. Und noch weniger wissen, dass diese
unbezahlten Leistungen in die wirtschaftlichen Gesamtrechnungen der
Staaten nicht aufgenommen werden. Für Leserinnen, die Lust auf einen
Einblick in die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Wirtschaft haben,
ist dieses Buch ein guter Einstieg. Durch das Angebot von sieben
Texten nebst Einleitung und dem Ausblick ist es möglich, jeden Text
einzeln für sich zu lesen. Damit werden einzelne Aspekte des Themas
genauer beleuchtet. Das kann hilfreich sein, weil beim Versuch einer
Annäherung an das Thema Arbeit die Komplexität sehr schnell wächst.
Zudem haben sich die AutorInnen um eine verständliche Sprache
bemüht. Ein Text über die Entstehung und die Gründe der
Niedrigbewertung von Arbeit und Tätigkeiten von Frauen und ein Text
über die sich wandelnde Vorstellung von befreiter Arbeit in der
ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung vom Beginn bis heute bietet
einen Überblick. In einem dritten Text wird dargestellt, welche
Entwicklung der Arbeitsbegriff in der westlichen Gesellschaft
genommen hat und welche Konfliktlinien sich dadurch zeigen. In
mehreren Texten werden Lösungsvorschläge gemacht, wie Arbeit anders
organisiert werden könnte, von der 4-Tage-Woche bei VW bis zur
4-in-einem-Perspektive von Frigga Haug. Das kapitalistische
Wirtschaftssystem kann in seiner aktuellen Ausformung nur bestehen,
weil es Arbeit wie im Buch beschrieben organisiert. Vielleicht liegt
es daran, dass die Lösungsvorschläge und Ausblicke eine gewisse
Unzufriedenheit bei mir hinterlassen haben. Fein an diesem Buch ist,
dass feministischen Sichtweisen sehr viel Platz ein geräumt wird.
Erna Dittelbach
Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur
kollektiven Handlungsfähigkeit. Hg. von Sabine Gruber, Frigga Haug
und Stephan Krull. 188 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2010 EUR
17,40
Im weiten Feld der Literatur zur Vereinbarkeitsthematik hat sich
die Soziologin Sigrid Kroismayr mit einer Arbeit zu Strategien von
Akademikerinnen, die Kind(er) und Karriere wollen, positioniert.
Dieser liegt eine gründliche Diskussion diverser theoretischer
Ansätze zur Thematik (zum Beispiel feministische
Wohlfahrtsstaatsforschung) zugrunde, die die Autorin für ihre
Fragestellungen für unzulänglich hält. Sie präferiert vielmehr
den Strategiebegriff von Bourdieu, der über herkömmliche
Typologiebildung hinausgeht, weil „Typen als eine Bestandsaufnahme
aufgefasst werden, während Strategien im Fluss des Lebens
eingebettet sind.” (S. 86) Davon ausgehend befragte Kroismayr in
problemzentrierten, qualitativen Interviews 14 Frauen, die innerhalb
des ersten Lebensjahres ihres Kindes wieder ins Berufsleben
zurückgekehrt waren, was sie von der großen Mehrzahl der Mütter
unterscheidet, die länger in Karenz bleibt. In sechs umfassenden
Kapiteln werden die Ergebnisse der Interviewauswertung zu folgenden
Punkten dargestellt: Familienbildungsstrategien (wann eine Familie
gründen?), Rückkehrstrategien in den Beruf (Vorbereitungen, Gründe,
Unterstützung), Rolle des Partners (Väterkarenz, Teilung der
Hausarbeit), familiale und außerfamiliale Betreuungsstrategien
(Großeltern, andere Personen, bezahlt oder unbezahlt),
Vereinbarkeitsstrategien (familial, partnerschaftlich, privat,
institutionell) und Innovativität einer frühen Berufsrückkehr. Das
Buch analysiert ausführlich, was es auch für gut ausgebildete
Frauen mit vielfach gut bezahlten Jobs an Planung und Anstrengung
bedeutet, Familie und Beruf zu vereinbaren. Die Ansprüche an sich
selbst sind hoch, eine egalitäre Beteiligung der Väter ist auch in
dieser Bildungsschicht keine Selbstverständlichkeit. Alles in allem
erhellt Kroismayrs Arbeit eine bisher unterbelichtete Stelle im
Vereinbarkeitsdiskurs. ESt
Sigrid Kroismayr: „Nur zuhause
bleiben wollte ich nie.” Strategien von Akademikerinnen zur
Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 288 Seiten, Studien Verlag,
Innsbruck/ Wien/Bozen 2010 EUR 34,90
Die gesammelten Beiträge beschreiben die vielfältigen
Arbeitsverhältnisse chinesischer Wanderarbeiter_innen und machen auf
die wachsenden Arbeiterunruhen in China aufmerksam, die hier zu Lande
medial wenig vermittelt werden. Sieben von neun Beiträgen sind von
Wissenschafterinnen. Es werden „typische” weibliche Arbeitsfelder
wie Hausarbeit und Sexarbeit in China mittels der empirischen
Realität der Autorinnen ebenso behandelt wie „klassische”
Arbeitsbereiche wie Fabriksarbeit (Arbeitskämpfe bei Honda und
Foxconn) und Arbeit auf dem Bau. Dank der gewählten qualitativen
Forschungsmethoden werden die betroffenen Untersuchungsobjekte zu
Subjekten, indem konkrete Eindrücke der Betroffenen wiedergegeben
werden. Auch ein historischer Abriss, wie sich die Bewertung von
Arbeit in den letzten Jahrzehnten durch die politischen Umbrüche in
China verändert hat, wird nicht versäumt. Es wird den
Wanderarbeiter_innen eine Stimme gegeben, indem ihr beschwerliches
Leben beschrieben und ihre Hoffnungen auf ein anderes Leben
einbezogen werden. Der Aufbruch der zweiten Generation für ein
besseres Leben lässt die Erwartung zu, dass sich gerade in China in
den nächsten Jahren noch einiges an Rebellion gegen die aggressive
Verwertung von menschlicher Arbeitskraft entwickeln wird. Ein Lob an
die chinesischen Soziologinnen und ihre männlichen deutschsprachigen
Übersetzer, dass sie hier mehr Klarheit schaffen. Antonia Laudon
Pun Ngai, Ching Kwan Lee: Aufbruch der zweiten Generation.
Wanderarbeit, Gender und Klassenzusammenhang in China. 296 Seiten,
Assoziation A, Berlin/Hamburg 2010 EUR 18,50