FrühjahrFrühjahr 20112011:: ArbeitArbeit

Arbeiten wie noch nie

Alle reden über die Wirtschaft, wenige über Arbeit. Wenn über Arbeit geredet wird, meinen die meisten bezahlte Arbeit. Die wenigsten wissen, dass mehr als die Hälfte aller Arbeitsstunden im Jahr unbezahlt geleistet werden. Und noch weniger wissen, dass diese unbezahlten Leistungen in die wirtschaftlichen Gesamtrechnungen der Staaten nicht aufgenommen werden. Für Leserinnen, die Lust auf einen Einblick in die Zusammenhänge zwischen Arbeit und Wirtschaft haben, ist dieses Buch ein guter Einstieg. Durch das Angebot von sieben Texten nebst Einleitung und dem Ausblick ist es möglich, jeden Text einzeln für sich zu lesen. Damit werden einzelne Aspekte des Themas genauer beleuchtet. Das kann hilfreich sein, weil beim Versuch einer Annäherung an das Thema Arbeit die Komplexität sehr schnell wächst. Zudem haben sich die AutorInnen um eine verständliche Sprache bemüht. Ein Text über die Entstehung und die Gründe der Niedrigbewertung von Arbeit und Tätigkeiten von Frauen und ein Text über die sich wandelnde Vorstellung von befreiter Arbeit in der ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung vom Beginn bis heute bietet einen Überblick. In einem dritten Text wird dargestellt, welche Entwicklung der Arbeitsbegriff in der westlichen Gesellschaft genommen hat und welche Konfliktlinien sich dadurch zeigen. In mehreren Texten werden Lösungsvorschläge gemacht, wie Arbeit anders organisiert werden könnte, von der 4-Tage-Woche bei VW bis zur 4-in-einem-Perspektive von Frigga Haug. Das kapitalistische Wirtschaftssystem kann in seiner aktuellen Ausformung nur bestehen, weil es Arbeit wie im Buch beschrieben organisiert. Vielleicht liegt es daran, dass die Lösungsvorschläge und Ausblicke eine gewisse Unzufriedenheit bei mir hinterlassen haben. Fein an diesem Buch ist, dass feministischen Sichtweisen sehr viel Platz ein geräumt wird. Erna Dittelbach
 
Arbeiten wie noch nie!? Unterwegs zur kollektiven Handlungsfähigkeit. Hg. von Sabine Gruber, Frigga Haug und Stephan Krull. 188 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2010 EUR 17,40

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Kind und Karriere

Im weiten Feld der Literatur zur Vereinbarkeitsthematik hat sich die Soziologin Sigrid Kroismayr mit einer Arbeit zu Strategien von Akademikerinnen, die Kind(er) und Karriere wollen, positioniert. Dieser liegt eine gründliche Diskussion diverser theoretischer Ansätze zur Thematik (zum Beispiel feministische Wohlfahrtsstaatsforschung) zugrunde, die die Autorin für ihre Fragestellungen für unzulänglich hält. Sie präferiert vielmehr den Strategiebegriff von Bourdieu, der über herkömmliche Typologiebildung hinausgeht, weil „Typen als eine Bestandsaufnahme aufgefasst werden, während Strategien im Fluss des Lebens eingebettet sind.” (S. 86) Davon ausgehend befragte Kroismayr in problemzentrierten, qualitativen Interviews 14 Frauen, die innerhalb des ersten Lebensjahres ihres Kindes wieder ins Berufsleben zurückgekehrt waren, was sie von der großen Mehrzahl der Mütter unterscheidet, die länger in Karenz bleibt. In sechs umfassenden Kapiteln werden die Ergebnisse der Interviewauswertung zu folgenden Punkten dargestellt: Familienbildungsstrategien (wann eine Familie gründen?), Rückkehrstrategien in den Beruf (Vorbereitungen, Gründe, Unterstützung), Rolle des Partners (Väterkarenz, Teilung der Hausarbeit), familiale und außerfamiliale Betreuungsstrategien (Großeltern, andere Personen, bezahlt oder unbezahlt), Vereinbarkeitsstrategien (familial, partnerschaftlich, privat, institutionell) und Innovativität einer frühen Berufsrückkehr. Das Buch analysiert ausführlich, was es auch für gut ausgebildete Frauen mit vielfach gut bezahlten Jobs an Planung und Anstrengung bedeutet, Familie und Beruf zu vereinbaren. Die Ansprüche an sich selbst sind hoch, eine egalitäre Beteiligung der Väter ist auch in dieser Bildungsschicht keine Selbstverständlichkeit. Alles in allem erhellt Kroismayrs Arbeit eine bisher unterbelichtete Stelle im Vereinbarkeitsdiskurs. ESt
 
Sigrid Kroismayr: „Nur zuhause bleiben wollte ich nie.” Strategien von Akademikerinnen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. 288 Seiten, Studien Verlag, Innsbruck/ Wien/Bozen 2010 EUR 34,90

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Chinesische Wanderarbeiter_innen

Die gesammelten Beiträge beschreiben die vielfältigen Arbeitsverhältnisse chinesischer Wanderarbeiter_innen und machen auf die wachsenden Arbeiterunruhen in China aufmerksam, die hier zu Lande medial wenig vermittelt werden. Sieben von neun Beiträgen sind von Wissenschafterinnen. Es werden „typische” weibliche Arbeitsfelder wie Hausarbeit und Sexarbeit in China mittels der empirischen Realität der Autorinnen ebenso behandelt wie „klassische” Arbeitsbereiche wie Fabriksarbeit (Arbeitskämpfe bei Honda und Foxconn) und Arbeit auf dem Bau. Dank der gewählten qualitativen Forschungsmethoden werden die betroffenen Untersuchungsobjekte zu Subjekten, indem konkrete Eindrücke der Betroffenen wiedergegeben werden. Auch ein historischer Abriss, wie sich die Bewertung von Arbeit in den letzten Jahrzehnten durch die politischen Umbrüche in China verändert hat, wird nicht versäumt. Es wird den Wanderarbeiter_innen eine Stimme gegeben, indem ihr beschwerliches Leben beschrieben und ihre Hoffnungen auf ein anderes Leben einbezogen werden. Der Aufbruch der zweiten Generation für ein besseres Leben lässt die Erwartung zu, dass sich gerade in China in den nächsten Jahren noch einiges an Rebellion gegen die aggressive Verwertung von menschlicher Arbeitskraft entwickeln wird. Ein Lob an die chinesischen Soziologinnen und ihre männlichen deutschsprachigen Übersetzer, dass sie hier mehr Klarheit schaffen. Antonia Laudon
 
Pun Ngai, Ching Kwan Lee: Aufbruch der zweiten Generation. Wanderarbeit, Gender und Klassenzusammenhang in China. 296 Seiten, Assoziation A, Berlin/Hamburg 2010 EUR 18,50

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