Auch wenn das Cover von Oceania eine Fantasy-Skeptikerin
wie mich das Schlimmste befürchten lässt, handelt es sich doch
um eine passable Science-Fiction Geschichte. Der nun vorliegende zweite Band einer geplanten Trilogie entführt uns in eine nicht näher bezeichnete Zukunft, in der die Welt vom Klimawandel gelähmt ist: Europa liegt unter Schnee und Eis begraben; die USA haben wegen des ansteigenden Meeresspiegels einen riesigen Damm errichtet. Alle Kommunikationswege
sind abgeschnitten. Die jugendliche Heldin Flavia versucht auf
abenteuerlichen Reisen zwischen den Kontinenten Informationen hin und her zu schmuggeln. Dabei stellt sich immer
mehr heraus, dass auch ihre persönliche Lebensgeschichte, die
voller Geheimnisse steckt, ein Teil der Lösung zur Rettung der
Menschheit sein kann. Nicht zuletzt wegen der wirklich beeindruckenden Figur der Flavia ein Geheimtipp für junge Fans von
Sci-fi-Fortsetzungsbüchern, der auch skeptischen Mädchen
den Einstieg ins Genre schmackhaft machen kann — am besten bei Band eins anfangen.
ESt
Hélène Montardre: Oceania. Weißer Horizont. Roman. übersetzt von Anke Baumgartner. 334 Seiten, Kosmos, Stuttgart 2011
Ab 13 J.
EUR 15,40
Wie Familien in Kinderbüchern vorkommen, ist leider oft weit
von jeder gesellschaftlichen Realität entfernt. Deshalb ist es
erfreulich, dass sich „Du gehörst dazu” dezidiert mit Familien
beschäftigt. Mary Hoffman gelingt es, eine wirklich breite Palette von Themen anzusprechen. Was ist überhaupt eine Familie, ist ein Elternteil mit einem Kind eine, vielleicht auch ein
Großelternteil? Klar können Familien auch zwei Mamas/Papas
haben. Und nein, Familie ist nicht nur, wer blutsverwandt ist.
Darüber hinaus zeichnet die Autorin mit toller grafischer Unterstützung von Ros Asquith aber auch ein Bild von den vielen
unterschiedlichen Charakteren, die Familien und ihre Mitglieder haben können: manche sind laut, andere lustig, die einen
grübeln viel, die anderen unternehmen viel. Sehr empfehlenswert, auch für Kinderbetreuungseinrichtungen, wo die Kinder
in der Gruppe dann gleich überlegen können, was ihnen noch
dazu einfällt.
ESt
Mary Hoffman: Du gehörst dazu. Das große Buch der
Familien. Illustriert von Ros Asquith. übersetzt von Stephanie
Menge. 40 Seiten. Sauerländer, Mannheim 2010
Ab 4 J.
EUR 15,40
Trixie hat ein Lieblingsspielzeug, ihren Knuffelhasen. Klar, dass
der auch mit muss, wenn sie mit Papa in den Waschsalon geht.
Doch dann ist Knuffelhase weg und Papa versteht einfach
nicht, warum Trixie am ganzen Heimweg brüllt — reden kann
sie noch nicht. Ein cooles Bilderbuch schon für ganz junge Kinder. Die Handlung ist einfach und für Kinder nachvollziehbar —
aber auch für Eltern, die manchmal mit brüllenden Kindern
verzweifelt unterwegs sind. Die Bilder — Fotografien aus einem Brooklyner Wohnviertel, in die die Figuren der Geschichte
hinein gezeichnet wurden — sind großartig. Und dass es nach
so viel Aufregung ein Happy End gibt, versteht sich!
ESt
Mo Willems: Knuffelhase. übersetzt von Leena Flegler.
32 Seiten. Gerstenberg, Hildesheim 2011
Ab 2 J.
EUR 10,30
„Gespenster gibt es doch” ist ein etwas anderes Kinderbuch.
Auf den ersten Blick scheint es eines dieser trendigen Bücher
zu sein, in denen Texte, Comics usw. wild durcheinander gewürfelt werden, um Modernität zu vermitteln. Doch dann erweist es sich als kindgerechter Briefroman. Der Schriftsteller
Ignaz B. Griesgram, der nicht umsonst so heißt, mietet sich in
ein altes Haus ein, um sein neuestes Buch fertig zu schreiben.
Doch er hat unerwartet MitbewohnerInnen: den 11-jährigen
Severin, Sohn der HausbesitzerInnen, und Olivia C. Spence —
den Geist der einstigen Erbauerin des Hauses, die solange auf
der Welt spuken wird, bis sie endlich ihr erstes Buch veröffentlichen kann. Da kommt ihr ein erfolgreicher Autor natürlich gerade recht und das Verwirrspiel kann beginnen. Amüsant, für LeseanfängerInnen gut zu bewältigen und ansprechend illustriert kann ich das Buch sehr empfehlen.
ESt
Kate Klise: Gespenster gibt es doch! Friedhofstraße
43. Illustriert von M. Sarah Klise. übersetzt von Nina Schindler. 159 Seiten, Gerstenberg, Hildesheim 2011
Ab 8 J.
EUR 13,40
Miriam Pressler würdigt in ihrem neuesten Jugendroman ihre
langjährige Freundin Hanna B., die in den 1920er Jahren in
Deutschland als Jüdin geboren wurde. Lücken aus Hannas Erzählungen füllt die Autorin mit Fiktion und macht so aus Hannas Geschichte Hannas Buch. Hanna lebt als 14-Jährige allein
mit ihrer Mutter in bescheidenen Verhältnissen in Leipzig.
Hanna ist in einer zionistischen Jugendgruppe, wo sie auf eine
Auswanderung vorbereitet werden soll. Dann geht alles sehr
schnell, Hanna soll ihre Heimat verlassen. Doch die Reise geht
nicht ins ersehnte Palästina, sondern ins vermeintlich sichere
Dänemark. Aber auch dort sind Hanna und ihre Freundinnen
nicht lange in Sicherheit, viele von ihnen werden nach Theresienstadt deportiert. Am Ende erweist sich die Reise nach
Dänemark nachträglich als Hannas Rettung, da sie als Dänin
registriert ist, wird sie durch eine der von Bernadotte organisierten Rettungsfahrten des Roten Kreuzes befreit.
Pressler zeichnet ein klares Bild einer jungen Frau, die zentrale
Jahre ihrer Jugend im Holocaust gefangen ist. Das ist beklemmend, aber nie rührselig. Die Reaktionen wirken realistisch und nicht idealisiert. So erweist sich das, was die Leserin
als Freundinnenschaft lesen möchte, manchmal doch nur als
Zweckgemeinschaft mit Konfliktpotenzial. Gefühle haben wenig Platz in Hannas Leben. Die wahre Geschichte von Hanna B.
endete nicht im Rot-Kreuz-Bus, ihr Weg nach Israel sollte
noch viele Jahre dauern.
ESt
Mirjam Pressler: Ein Buch für Hanna. Roman. 350 Seiten, Beltz und Gelberg, Weinheim, Basel 2011
Ab 14 J.
EUR 18,50