FrühjahrFrühjahr 20112011:: LesbenromaneLesbenromane

Frau zum Verlieben

Die Zeiten, in denen die Strafverteidigerin Lena Bokken die spannenden Fälle bekommen und diese auch noch mit Bravour gewonnen hat, scheinen endgültig vorbei zu sein. Ein Fehler, den sie bei der Lösung ihres letzten großen Falles begangen hat, hat sie nicht nur ihren Hakama, sondern auch Karriere und Beziehung gekostet. Nun beauftragt sie ihr Chef wieder mit einem Fall, den er für schon gelöst hält. Aber in Lena erwacht erneut etwas von ihrer schon verloren geglaubten Intuiton und sie beginnt zu recherchieren. Alte Feinde tauchen plötzlich auf, Totgeglaubte leben ja bekanntlich ohnehin länger und die beste Freundin des Mordopfers ist nicht nur von der Unschuld der Hauptverdächtigen überzeugt, sondern auch noch eine Frau zum Verlieben. Ein Wermutstropfen an Manuela Kucks neuem Roman sind die vielen Männer in ihren machtvollen Positionen des Chefs, des Aikido-Meisters, des Täters. Das besonders Schöne und Genussvolle an Kucks Romanen sind die Frauenfiguren, unterschiedlichste Frauen in unterschiedlichsten Rollen, Welten voller Frauen. Trotzdem: einen Manuela-Kuck-Roman auslassen geht sowieso nicht. Also kann eine für große Spannung und eine sexy-coole Anwältin schon mal so ein paar nervige Typen ertragen. Paula Bolyos
 
Manuela Kuck: Freispruch. Roman. 343 Seiten, Krug und Schadenberg, Berlin 2010 EUR 17,40

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Lustig ist das Lesbenleben

Die Figuren dieser Lesben-Soap zwischen Buchdeckeln sind: Das symbiotische Lesbenpaar, das offen lebende Traum-Lesbenpaar, die Single-Lesbe der Sex-Parties, der Samenspender, die Transsexuelle, die wunderschöne Türkin und die koksende Geschäftsfrau. Die Geschichten dieser Protagonist_inn_en werden angereichert mit Kinderwunsch, Schildkröte, Graffitti-Kunst und Bezügen zu realen Lesbenwelten. Der Reigen beginnt munter, der Bauch wächst und Ungewissheiten über Geschlecht, Begehren, Gefühle und Lebenswünsche breiten sich aus. Zunehmendes Chaos und Verschachtelungen werden von einem Spannungsbogen gut zusammen gehalten, sprachlich flüssig müssen nur Klippen überstanden werden wie die „karibikwasserblaue Iris, die schon so viele Herzen auf dem Gewissen hat”. Der erste Roman der Mitherausgeberin von „Drag Kings. Mit Bartkleber gegen das Patriarchat” erzählt von den kleinen und großen Dramen und Fragen, wie sie sich in dieser und ähnlicher Weise wohl in vielen Lesbenszenen finden lassen. Meike Lauggas
 
Tania Witte: beziehungsweise liebe. Roman. 229 Seiten, Querverlag, Berlin 2011 EUR 15,40

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Lesbenromantik ohne Tiefgang

Anis Welt liegt in Trümmern. Ihre Traumkarriere als Glaziologin, ihre geliebte Heimat Alaska und ihre große Liebe Eve musste sie wegen eines tragischen Vorfalls, an dem sie sich die Schuld gab, fluchtartig verlassen. Ihr neu aufgebautes Leben in Florida führt sie einsam und bereuend. Bis sie eines Tages — motiviert und begleitet durch die Surferin Lisa — zurück nach Alaska fährt, um ihrer Vergangenheit ins Auge zu sehen. Erstaunlicherweise schafft es Kallmaker, diesen großen Trümmerhaufen in 300 Seiten aufzubauen und zu bereinigen, so dass die Leserin ein wahrlich märchenhaftes Happyend bekommt. Welche auf seichte Hollywood-Romantik steht, kommt hier auf ihre Kosten — „Tanz auf dem Eis” ist eine nette, romantische Unterhaltung, gespickt mit witzigen Dialogen, sympathischen Lesben und Eindrücken des faszinierenden Eislandes Alaska. Das kann angenehm, tröstend und befried(ig)end sein, was auch in Ordnung ist. Doch wer etwas weniger vorhersehbare Plots, etwas widersprüchliche Charaktere und etwas komplexere Problemstellungen schätzt, sollte wohl doch zu einem anderen Buch greifen. Rosa Costa
 
Karin Kallmaker: Tanz auf dem Eis. Roman. Übersetzt von Gitta Büchner. 315 Seiten, Krug und Schadenberg, Berlin 2010 EUR 23,60

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Feinsinnig und strange

Es macht wirklich Freude, diese zehnte Ausgabe von „Mein lesbisches Auge” durchzublättern! Der Jubiläumsband widmet sich diesmal den Themen: Coming-Out, Älterwerden, Butches, Clubs und Sex, Tod und Crime, Kennenlernen und Trennung. Manches kommt eher hart daher, anderes feinsinnig, witzig oder auch strange und verstörend. Beeindruckend sind die wunderbaren stoffgeklebten Bildchen, eine Inspiration für das einst verhasste Mädchenhandarbeiten. Körperfotografien wie jene von Shilo Mc Cabe, Goodin Green oder Caroline Juillard sind nicht nur beeindruckend schön, sondern rufen Emotionen hervor, die eine mindestens solange bei den Bildern verweilen lässt, bis sich die — je nachdem — erotisch oder sonst gefühlvoll aufgeladene Stimmung gelegt hat, und sich frau wieder den spannenden Texten widmen kann. Was in manchen „erotischen Blättern” oft zu jugendlich und spritzig daher kommt und ein bisschen wie Leistungsdruck für die durchschnittliche Couchpotato-Lesbe anmutet, wird hier durchbrochen, manchmal mit schlaffer Haut, dann wieder mit einem bezaubernden Lächeln oder auch mal mit einem grantigen Gesicht … Lisa Frey & Karin Schönpflug Lesbenberatung Lila Tipp
 
Laura Méritt: Mein lesbisches Auge 10. 272 Seiten, Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2011 EUR 15,00

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Ein Cello haben

Joey, Automechaniker in einer Kleinstadt, hat vieles: eine Werkstatt, eine Mutter, die auf ihn schaut, viel Arbeit … und plötzlich hat er auch ein Cello, das einer ihm als Bezahlung für ein Auto anbietet. Joey hat manches nicht mehr, zum Beispiel eine Frau, weil seine ihn verlassen hat, um mit einer Frau zusammenzuleben, oder auch irgendeine Form von Lebenslust. Zumindest diese Lebenslust soll er nun durch ein Hobby zurückgewinnen, findet seine Mutter. Das ist der Ausgangspunkt eines berührenden Romans über den Weg zurück ins Leben. Zuerst fiedelt Joey nur herum auf dem Cello, dann sucht er eine Lehrerin, macht sogar ein bisschen Urlaub in der nächsten Stadt, in der auch seine Exfrau Allyson mit ihrer neuen Partnerin Kathleen lebt. Er lernt seine Nachbar_innen im Motel kennen, hat Gefühle und Erlebnisse und Cello spielen lernt er auch. Als Allyson und Kathleen ihm ein Angebot machen, wie sein Leben mit ihrem verbunden bleiben könnte, eröffnen sich neue Wege für alle. Was das Lesbische an diesem wunderschönen Roman sein soll, darüber lässt sich viel nachdenken; für mich sind es neben der in Kanada sehr bekannten Autorin auch kleine Nebenbemerkungen und überraschende Perspektiven, die Platz schaffen für unterschiedlichste Lebensentwürfe und neue Blicke auf Frauen, Lesben, Männer und Schwule ermöglichen. Zu dieser Frage gibt es übrigens auch ein spannendes Interview mit der Übersetzerin und Verlegerin Andrea Krug. Helga Widtmann
 
Yvan E. Coyote: Als das Cello vom Himmel fiel. Roman. Übersetzt von Andrea Krug. 221 Seiten, Krug und Schadenberg, Berlin 2011 EUR 20,50

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Das Beste für die Lesbe

Die Lesbenring-Aktivistinnen und Sprach- und Literaturwissenschafterinnen Jule Blum und Elke Heinicke haben mit der „Dreivariantencouch” einen zeitgeschichtlichen Roman geschrieben, der für jüngere und ältere Leserinnen aus Nord und Süd, Ost und West, dringend zu empfehlen ist. Clever und witzig verweben sie die Gegenwart der drei Protagonistinnen Kerstin, Astrid und Dorothea, in der sie sich um eine offene Mehrfach-Beziehung bemühen, mit ihren Mädchenzeiten in Ost- und Westdeutschland. So werden Brüche in der scheinbar nahtlos vereinten Gegenwart der „beiden” Deutschlands sichtbar, die sich wie feine Haarrisse durch die lesbischen Lebenswelten ziehen. Es erscheint, als ob sich die Freuden in Mehrfachbeziehungen mit den Problematiken der nationalen Vereinigung die Waage halten: Gefährden die unterschiedlichen Herkünfte das Gelingen des polyamourösen Abenteuers? Der Ausgang der mehrfachen Liebesverhältnisse in der „Dreivariantencouch” wird hier nicht verraten, und die Leserin selbst grübelt nach der spannenden Lektüre über eine dringend gewünschte Fortsetzung: Wie gehts weiter mit Kerstin, Astrid und Dorothea? Kann der erste Band zur Serie werden? Katharina Pewny
 
Jule Blum, Elke Heinicke: Dreivariantencouch. Roman. 319 Seiten, Konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2011 EUR 10,20

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