FrühjahrFrühjahr 20112011:: PhilosophiePhilosophie

Feministische Philosophie nach 1989

Im ersten Teil dieses Buches geht Yvanka Raynova vier verschiedenen philosophischen Forschungsfragen nach, im zweiten sind neun Inter views mit feministischen Theoretikerinnen angefügt. Zunächst arbeitet Raynova die Geschichte und wichtigsten Definitionen von feministischer Philosophie in den USA und „Westeuropa” heraus, danach geht sie Entwicklungen und Werken der feministischen Philosophie in „Osteuropa” nach. Im dritten Kapitel stellt sie die (durchaus kontroverse) These auf, dass es in „Osteuropa” keine Frauenbewegungen gäbe — relativiert dies dann allerdings für Ex-Jugoslawien und für Polen. Im vierten Kapitel versucht sie Konflikte zwischen Forscherinnen aus „West”- und „Osteuropa” mittels des „Dramadreiecks” aus der Transaktionsanalyse zu analysieren. Leider sind die Interviews im zweiten Teil aus den Jahren 1998 bis 2001. Da die Interviews mit Herta Nagl-Docekal und Hedwig Meyer Wilmes vorwiegend inhaltliche Fragen beantworten, spielt bei diesen das Alter weniger Rolle. Doch die Antworten auf Fragen nach Strukturen und Institutionen sowie wesentlichen bislang entstandenen Werken, die Theoretikerinnen aus post-sozialistischen Ländern gestellt wurden, sind leider nicht mehr aktuell. Die Autorin stellt wichtige Fragen und präsentiert kontroverse, aber interessante Ansätze. Schade, dass eine (partielle) Aktualisierung von Kapitel 2 in Teil 1 sowie der Interviews ausgeblieben ist. Veronika Wöhrer
 
Yvanka B. Raynova: Feministische Philosophie im europäischen Kontext. Genderdebatten zwischen „Ost” und „West”. 273 Seiten, Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2010 EUR 39,—

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Philosophie der Aufklärung und das zweite Geschlecht

Es ist eher ein Buch für wissenschaftliche ForscherInnen — für Philosophie-, Literatur-, Sozial-HistorikerInnen, PädagogInnen und KulturwissenschafterInnen — und handelt von „gelehrten Frauenzimmern” im 18. Jahrhundert, d e r Zeit der philosophischen Bildung von Frauen — so die Leitthese. Das erstaunt zunächst, ist doch bekannt, dass die Aufklärer den Frauenzimmern Unbildbarkeit attestierten beziehungsweise eine höhere Gelehrsamkeit zwecks subordinierter Platzierung untersagten. Die hier eingenommene Perspektive auf Philosophiegeschichte wendet sich gegen das übliche Urteil der fehlenden Originalität und Fähigkeit weiblichen Philosophierens und unterscheidet zwischen verschiedenen weiblichen philosophischen Kompetenzen von bekannten und vergessenen Frauen: die Leserin, die Schülerin, die das philosophische Wissen in den Alltag Transformierende, die Vermittlerin übernommener Philosophien, die Entwicklerin philosophischer Lehren, die diese in die Praxis umsetzte und jene, die neue philosophische Erkenntnisse mit und ohne Hilfe publizierten. Insbesondere die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts begünstigte durch zunehmende Buchproduktion, abnehmende adelige Privilegiertheit und entstehendes Bürgertum auch wachsende weibliche Bildungsmöglichkeiten. Diese waren großteils, da der Zugang zu den Hohen Schulen verwehrt war, abhängig von wohlwollenden Vätern, Lehrern und Verlegern sowie der Organisation von (Selbst)Bildungsräumen — den Salons. Auch der Bedeutung der noch zu wenig erforschten Frauenstifte sowie der eigenständigen philosophischen Arbeiten in dieser Zeit wird Rechnung getragen. Doch mit zunehmender Machterweiterung des Bürgertums und damit der Individualisierung der Bürgermänner werden Frauen zurechtgestutzt auf häusliche Dienstbarkeit und wieder ausgeschlossen von anspruchsvollen Bildungsräumen. Nebst dem, dass man sich solch aufklärende und sich gegenseitig bildende Gesellschaftlichkeit in unserer postaufklärerischen Zeit wieder wünschen würde, erinnern die Lektüren an den Kampf von und für Frauen um Wissenszugang. Und daran, dass Denken nicht nur selbst(bewusstseins)bildend, sondern allgemein für eine ethische „Weltweisheit” notwendig ist. Birge Krondorfer
 
Frauen, Philosophie und Bildung im Zeitalter der Aufklärung. Hg. von Sabine Koloch. 315 Seiten, trafo Wissenschaftsverlag, Berlin 2010 EUR 29,80

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