Das Frühjahrsprogramm bietet eine spannende Neuerscheinung der Reihe kritik & utopie des Mandelbaum Verlags: Hanna Hackers Queer Entwickeln verbindet queer-feministische mit postkolonialen Ansätzen zu Analysen von geopolitischen Ungleichheiten. Auf 270 dichten Seiten geht es der Autorin nicht nur um das problematisierte Vorhaben, Entwicklung zu queeren. Mit dem Buch verfolgt die Professorin für Internationale Entwicklung an der Uni Wien die Notwendigkeit, queeren Theorien und Praxen nahe zu bringen, wie stark sich Konzepte von Entwicklung mit globalen und lokalen Ungleichheitsverhältnissen verstricken. In diesen machtpolitischen Verwicklungen habe sich Queer einzubringen und den Status sexueller und geschlechtlicher Kategorisierungen, Aneignungen und Umdeutungen in einer developementkritischen Perspektive theoretisch-politisch auszuwickeln. Mit diesem Anliegen sammelt Queer Entwickeln eine Bandbreite an Texten, die zwischen 2005 und 2012 geschrieben wurden und knüpft diese lose bis engmaschig aneinander. Lesenswert ist, wie Hanna Hacker transgressive Textstrategien mit ausgewählten Anknüpfungen an die Critical Whiteness Studies, die Border Studies und die Postcolonial Studies verbindet. Die Leser_in bleibt mit anregenden Fragen zurück, vieles weiterzuentwickeln, das Studium der Internationalen Entwicklung an der Uni Wien durch Kürzungspolitik leider prekär.
Doris Artzmann
Hanna Hacker: Queer Entwickeln. Feministische und postkoloniale Analysen. 270 Seiten, Mandelbaum kritik & utopie, Wien 2012 EUR 19,90
Die empirische, theoretische und methodische
Erkundung von Intersektionalität war Thema
der 12. Arbeitstagung der Kommission für Frauenund
Geschlechterforschung der Deutschen Gesellschaft
für Volkskunde. Nun liegt dazu der Tagungsband
vor, dessen inhaltlicher Schwerpunkt in
der Aufarbeitung, methodologischen Wendung
und Repolitisierung jener historisch-politischen
Perspektiven auf Intersektionalitäten liegt, die zentrale
Auseinandersetzungen in der feministischqueeren
Theorie und Praxis markieren. Diese sind,
wie Gutiérrez Rodríguez in ihrem Beitrag ausführt,
in vielen Debatten zu Gunsten der Vermarktungstauglichkeit
im globalen Hochschulmarkt aus
dem Blick geraten was oft bleibt, ist ein additiver
Umgang mit Kategorien wie Geschlecht, Ethnizität
oder Klasse, der identitäre Wir-Bezüge impliziert
und Herrschaftsverhältnisse ausblendet. Dagegen
schärft etwa Isabell Lorey den Blick auf Relationalitäten
und Kontingenzen und will Intersektionalitätskonzepte
(wieder) als Mittel des politischen
Kampfes verstanden wissen, entlang dessen unterschiedliche
Macht- und Herrschaftsverhältnisse in
ihrer Situiertheit und Verwobenheit analysiert werden
können.
Der Band bietet dazu auch einige Beispiele, die die
empirische Umsetzung von Intersektionalitätsperspektiven
abseits von Re-Kategorisierungen illustrieren.
Insgesamt bietet das Buch einen fundierten
Überblick zur Genese der Intersektionalitätsdebatten,
den damit verbundenen Kontroversen sowie
Erkenntnis- und Handlungsperspektiven. Es
zeigt vor allem auch die Anschlussfähigkeit von intersektionellen
Ansätzen an unterschiedliche Forschungsbereiche
und deren empirische Umsetzbarkeit.
Roswitha Hofmann
Intersektionalität Revisited. Empirische, theoretische
und methodische Erkundungen. Hg. von Sabine Hess, Nikola
Langreiter und Elisabeth Timm. 277 Seiten, transcript, Bielefeld
2012 EUR 30,70
In dem vorliegenden Buch problematisiert die
in Wien lebende Philosophin und QueerTheoretikerin Sushila Mesquita Formen der Eingetragenen
Partnerschaft konkret am Schweizer
Partnerschaftsgesetz als widersprüchliche Strategien
der gesellschaftlichen Inklusion und rechtlichen
Gleichstellung für lesbische und schwule Subjektpositionen.
In ihrer Herangehensweise folgt sie
konsequent einer queer-feministischen Analytik
und verortet sich daher im größeren Kontext politischer
und theoretischer Heteronormativitäts- und
Normalisierungskritik. Sie zeigt auf, dass die rechtliche
Anerkennung lesbischer und schwuler (Zweier-)
Beziehungen in Form der Eingetragenen Partnerschaft
zwar für einige Personen einen Zugewinn
an Rechten und sozialer Absicherung bringt und
Heterosexualität damit auch als gesellschaftliche
Norm partiell dezentriert wird, gleichzeitig aber heteronormative
Geschlechter-, Beziehungs- und Nationenvorstellungen
nicht durchbrochen, sondern
umgekehrt gerade bestätigt werden. Mesquita plädiert
folglich durchgängig dafür, nach den Grenzen
der Normalisierung und nach den alten und
neuen Ausschlüssen aus dem Normalen zu fragen.
Ban Marriage ist nicht nur aus einer queer-theoretischen
Perspektive eine spannende Publikation,
sondern motiviert auch zur Intervention und informierten
Infragestellung aktueller Tendenzen in den
hiesigen LGBTIQ-Bewegungen. Insbesondere die
Auseinandersetzung mit (alternativen) queer-feministischen
Familienpolitiken am Ende des Buches
könnte die Imaginationskraft vieler (vermeintlich)
(pro-)schwuler-lesbischer Politiker_innen und Aktivist_
innen anregen.
Christine Klapeer
Sushila Mesquita: Ban Marriage. Ambivalenzen der
Normalisierung aus queer-feministischer Perspektive. 302 Seiten,
Zaglossus, Wien 2011 EUR 17,95
Den Herausgeberinnen ist hier ein wichtiger
Beitrag in der Debatte um die Zirkulation von
Wissen in den Gender Studies im deutschsprachigen
Raum gelungen. Der Band hebt sich positiv von
reinen Darstellungen nationaler Kontexte sowie einer
Aneinanderreihung persönlicher Erfahrungen
von internationalen Begegnungen ab, da die meisten
Beiträge versuchen, analytische Perspektiven
zum transnationalen oder transdisziplinären Wissenstransfer
an ihre Darstellungen anzuschließen.
Die Artikel sind in drei Gruppen gegliedert:
Zunächst schreiben je zwei Frauen aus der BRD
und der ehemaligen DDR über deutsch-deutschen
Wissenstransfer in den Gender Studies aus ihrer jeweiligen
Perspektive. Danach folgen fünf Beiträge
zu Wandel und Transfer von Wissen in anderen
postsozialistischen Staaten Europas, am Ende stehen
theoretische Interventionen, in denen interund
transdisziplinärer Wissenstransfer beleuchtet
wird, beispielsweise zwischen Queer Studies und
Gender Studies. Leider bleibt in letzteren der Bezug
zur Wissenszirkulation impliziter als in den anderen
Beiträgen. Schade ist auch, dass die der Theorie
zugeordneten Texte losgelöst von den in den
transnationalen Beiträgen davor aufgeworfenen
Fragen stehen und so den Eindruck einer Distanz
von Theorie und Empirie der Wissenszirkulation
erwecken. Dennoch ein empfehlenswertes Buch.
Veronika Wöhrer
Travelling Gender Studies. Grenzüberschreitende Wissens
und Institutionentransfers. Hg. von Beate Binder, Gabriele
Jähnert, Ina Kerner, Eveline Kilian und Hildegard Maria
Nickel. 244 Seiten, Westfälisches Dampfboot, Münster 2012
EUR 28,70
Es ist das erklärte Ziel der Herausgeberinnen
des transdisziplinären Sammelbandes, der aus
einer Ringvorlesung der Musikuniversität Wien resultiert,
am Prozess eines De-Gendering von Gefühlen,
also der Dekonstruktion von geschlechtsspezifisch
zugeordneten Assoziationen, mitzuwirken,
um gesellschaftlicher Ungleichheit entgegenzutreten.
Die Texte decken die Bereiche Film, Musik, Theater
und Medienwissenschaft ab, wobei sich der
Mix der Perspektiven als gewinnbringend herausstellt:
Einerseits werden Einblicke in aktuelle Positionen
musikalischer und szenischer Arbeit gewährt,
andererseits lassen theoretische Analysen
auch nicht spezialisierte Leserinnen hinter die
fachwissenschaftlichen Kulissen blicken. In der
Praxis besteht Einigkeit über die Bedeutung von
Gefühlen, besonders für die Kommunikation mit
dem Publikum. Gleichzeitig wird die Schwierigkeit
einer adäquaten Theoretisierung klar. Denn
bereits die Frage, ob korrekterweise von Gefühl,
Affekt oder Emotionen zu sprechen sei, erweist
sich angesichts divergierender Kontexte als unbeantwortbar.
Wie wichtig detaillierte Differenzierung
ist, zeigt auch der historische Blick, der Vorurteile
sowohl revidiert als auch bestätigt. Dagegen
fordert die medientheoretische Sicht, der zufolge
die genderkritische Perspektive heute bereits
obsolet sei, weil es nicht mehr um Gefühle, sondern
um post-subjektives Affektmanagement gehe,
Widerspruch heraus. Insgesamt fächert der
Band ein weites Reflexionsspektrum auf, das zum
Weiterdenken animiert. Gerade deshalb verspricht
er eine lohnende Lektüre.
Susanne Kogler
Kultur der Gefühle. Wissen und Geschlecht in Musik
Theater Film. Hg. von Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch und
Claudia Walkensteiner-Preschl. 166 Seiten, Böhlau Verlag, WienKöln-Weimar 2012 EUR 24,90