Graphic NovelAktuelle Ausgabe: Graphic Novel

Ketten bilden

Residenzpflicht. Seit 1982 bedeutet das für Asylwerber_ innen in Deutschland ein Verbot, ihren Ortskreis zu verlassen, oder auch „Einen Knast, der seinen Namen nicht sagt“. Ausgehend von Besuchen bei Asylwerber_innen in Sachsen-Anhalt bildet Paula Bulling in einer Graphic Novel skizzenhaft ab, was dies für die Betroffenen bedeutet, indem sie diese selbst zu Wort kommen lässt und es so bewusst vermeidet, „weiße Bilder von schwarzen Menschen“ zu produzieren. Der Handlungsspielraum ist knapp. Beschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt, unzureichende Grundsicherung, soziale Ausgrenzung sind Themen, die angerissen werden, eingebettet in den durch erzwungene Untätigkeit bestimmten Alltag der Asylwerber_innen. Die durch diese Lebensumstände erzeugte Stimmung spiegelt sich in Bullings düsteren, schroffen Zeichnungen wider und machen Zermürbung und Angst (vor der nächsten Polizeikontrolle, dem nächsten rassistischen Übergriff, der Abschiebung) spürbar, berichten aber auch vom organisierten Widerstand gegen die staatlich verordnete Isolation und wie diesem wieder nur mit staatlicher Repression entgegnet wird. bw
Paula Bulling: Im Land der Frühaufsteher. Graphic Novel. 120 Seiten, avant-verlag, Berlin 2012 EUR 18,50

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Wurstsuppe

„Niederböhna ist ein typisch deutsches Dorf im 21. Jahrhundert.“ Mit Pfarrer, jährlicher Traktorenparade, Putenpest und Landfrauenverein, ordentlich eingezäunten Grundstücken und ausgeprägtem Gemeinschaftssinn. Soweit das Bild nach außen. Dahinter liegen Geschichten aus Lokalzeitungsartikeln und mündlich Überliefertem, in denen genau das Ausmaß an Zwietracht, Abgründigem und Langeweile zu finden ist, das vom Leben im Dorf erwartet wird. In trüben Farben zeichnet Sophia Martineck in ihrem „Sachbuch mit vielen Bildern“ nüchterne Ansichten aus der Vogelperspektive, die ein wenig an Bastelbögen erinnern und das oft bemühte Dorfidyll mancher Kinderbücher unsinnig erscheinen lassen. Die Textebene bleibt knapp. Sachliche Bildunterschriften. Nur watscheln in Niederböhna eben keine freundlichen Enten zum Teich. Das Unausgesprochene liegt in der flachen Trostlosigkeit der Bilder und verleitet dazu, die Geschichten weiterzudenken sowie sich mit dem milden Unbehagen ob der Belustigung anzufreunden, die der feine Witz hinterlässt. bw
 
Sophia Martineck: Hühner, Porno, Schlägerei. Deutsche Dorfgeschichten. Graphic Novel. 52 Seiten, avant Verlag, Berlin 2012 EUR 15,40

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