KrimisAktuelle Ausgabe: Krimis

Das Leben ist nicht schön

Regina arbeitet schon 18 Jahre als Justizwachebeamtin. Ihr großer Wunsch ist es, ein schönes, ruhiges, von der Arbeit abgeschottetes Heim zu haben. Durch die Freundschaft mit einer älteren Frau, die ihr das Häuschen, in dem sie gemeinsam gelebt haben, vererbt hat, kann sie sich diesen Traum erfüllen. Doch das Leben im Dorf ist durch böse Gerüchte um die Erbschaft überschattet und als sie bei Umbauarbeiten ein Skelett im Garten findet, ist die Idylle endgültig gefährdet. Die irrationale Angst, ihr Häuschen zu verlieren, bringt Regina dazu, den Fund zu verschweigen und sich immer mehr zu isolieren. Doch jemand weiß mehr über diese Leiche und versucht sie zu erpressen. „Triangel“ ist kein klassischer Krimi, aber Anne Goldmann beschreibt die Figuren, ihre Bedürfnisse und ihre oft verworrenen Wege, mit ihren Ängsten umzugehen, sehr packend und baut eine bedrückende Spannung auf. Warum Personen in ihren Verhaltensmustern verharren und das tun, was sie tun, scheint nicht immer logisch, aber gerade deshalb umso nachvollziehbarer. Angela Schwarz
 
Anne Goldmann: Triangel. Ariadne Krimi. 256 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2012 EUR 11,40

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aware of your enemies!

Eine junge Familie wird in ihrem Haus ermordet aufgefunden. Der Fall erscheint zunächst mysteriös, da die Nachforschungen lediglich das Bild einer glücklichen Familie im ersten Eigenheim ergeben. In diesem Eigenheim werden aber auch große Löcher in den Wänden und jede Menge Überwachungskameras, die jeden Winkel des Hauses überwachen können, gefunden. Als dann auch noch ein Versteck im Garten zur geheimen Beobachtung der Familie entdeckt wird, wird klar, dass das Verbrechen schon länger geplant war. Rasch kann eine verantwortliche Person ausfindig gemacht und festgenommen werden; das Geständnis wird noch in derselben Nacht unterschrieben. Ein Glücksfall, dachte sich der zuständige Detective, doch bei weiteren Ermittlungen zum Motiv wird plötzlich alles ganz anders. Leider kommt dieser Roman nicht an Tana Frenchs fulminantes Vorgängerstück ‚Totengleich‘ heran. Wenn auch wie immer spannend und fesselnd geschrieben, ist mehr das der Grund des Weiterlesens als der eigentliche Inhalt. Die ausschließlich männlichen Protagonisten ermitteln auf stereotype Art und Weise, wobei die einzelnen Handlungen und Verhörsituationen so genau beschrieben werden, dass ein gewisser Hang zur Langatmigkeit auszumachen ist. Empfohlen sei das Buch all jenen, die gerne psychologische Detailliertheit und sehr geradlinige Handlungen und weniger komplizierte Verstrickungen und Szenenwechsel bevorzugen. Petra Wächter
 
Tana French: Schattenstill. Kriminalroman. Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. 732 Seiten, Scherz, Frankfurt/M. 2012 EUR 17,50

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Kernschmelze

Die mittlerweile 70-jährige Wirtschaftshistorikerin Dominique Manotti hat sich für ihren neuen Roman mit einem jungen Intellektuellen zusammengetan, der unter dem Pseudonym DOA („Death on Arrvial“ – nach dem gleichnamigen Film Rudolph Matés) auftritt. Wir schreiben den Abend vor dem ersten Durchgang der französischen Präsidentenwahlen. Der Kandidat der Rechten – klein, populistisch, ein Frauenheld – liegt in den Umfragen klar vorne. Drei junge radikale UmweltschützerInnen spähen einen vermeintlichen Vertreter des absolut Bösen aus: einen Angestellten der staatlichen französischen Atomenergiebehörde CEA. Sie loggen sich auf seinem Computer ein, kopieren seine Festplatte und werden via Internet Zeugen, wie dieser von zwei Einbrechern erschlagen wird. Was sie nicht wissen: die Mörder sind Geheimagenten, der Ermordete in Wirklichkeit ein verdeckter Ermittler. Die verwirrten Bürgerkinder tauchen unter und wollen ihr Material für eine bombastische Aktion vor der letzten Wahlrunde nutzen. Der USB-Stick, auf dem die brisanten Daten über den Mord und die geplante Privatisierung der staatlichen Atomindustrie gespeichert sind, wird zum allseits umkämpften Objekt: Polizei, Geheimdienst, Justiz, Parteien, Presse – im eng verfilzten Netz aus Politik und Wirtschaft haben alle viel zu verlieren. Aufregend, intelligent, düster und beklemmend nahe an der Realität. Elke Koch
 
Dominique Manotti & DOA: Die ehrenwerte Gesellschaft. Kriminalroman. Übersetzt von Barbara Heber- Schärer. 277 Seiten, Assoziation A, Berlin 2012 EUR 14,40

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Explosionen im Weinviertel

Jedes Jahr ein Mira-Valensky-Krimi. In diesem Jahr war es schon im Frühjahr so weit: „Unter Strom“ stehen Reporterin Mira und ihre detektivische Freundin Vesna, als im Weinviertel einzelne Gasleitungen in die Luft gejagt werden. Dann verschwindet auch noch ein hochrangiger Energiemanager. Die Recherchen rund um Energiepolitik und -macht, alternativen Ökostrom und vermeintlichen Umweltterrorismus sind anspruchsvoll. Die Geschichte ist nicht so leicht verdaulich und rund wie etwa der Vorgänger-Krimi „Unterm Messer“, aber Mira-Fans kommen jedenfalls auf ihre Rechnung. Es wird wieder gekocht, spioniert und etwas geflirtet. Vesnas Familie spielt dieses Mal ebenfalls eine wichtige Rolle. Kurz vor Schluss ist noch immer keine Leiche in Sicht und die Leserin hat sich schon damit anfreundet, dass es mehr ein Umwelt-Thriller als ein klassischer Krimi ist. Aber es kommt doch noch anders und noch dazu ziemlich dramatisch.GaH
 
Eva Rossmann: Unter Strom. Ein Mira-Valensky-Krimi. 292 Seiten, Folio Verlag, Wien-Bozen 2012 EUR 19,90

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Wer lange sucht ...

Elizabeth George schickt ihren Inspector Lynley in den britischen Lake District, um den Tod von Ian Creswell zu untersuchen, der nach einem Streit mit seinem Partner Kaveh nach einer nächtlichen Ausfahrt in seinem Bootshaus ertrank. Ians reicher Onkel Bernard Fairclough zweifelt an der offiziellen Version eines Unfalls und hält seinen Sohn Nicholas Fairclough, einen geläuterten Ex- Junkie, für verdächtig, wenngleich dieser nicht der einzige Familienangehörige mit Mordmotiv ist. Während Barbara Havers die Ermittlung von London aus unterstützt, bringt Lynley seine FreundInnen Simon und Deborah St. James zur Verstärkung mit, die sich ebenso an der fishing expedition beteiligen wie der sanfte investigative Reporter eines Sensationsblattes auf falscher Fährte. Was sie in kollektiver Arbeit zutage fördern, sind kleinere und größere Unwahrheiten sowie ein bunter Reigen an Drogen-, Alkohol- und Eheproblemen, unerfüllten Kinderwünschen und Reproduktionstechnik, die allesamt nur bedingt mit Ian Creswells Tod zu tun haben. Trotz der Länge von stolzen 700 Seiten bleiben die meisten Figuren eher blass, und die vielen Fäden, die die Autorin im Laufe der ersten 500 Seiten auslegt, fügen sich nur mit einem Hang zur Konstruktion zu einem kohärenten Ganzen. Am Ende ist der Leserin klar, dass – wenn nur lange genug gestochert wird – in jeder Familie Geheimnisse zutage gefördert werden können und dass der Lake District durchaus eine Reise wert sein dürfte. soe
 
Elizabeth George: Glaube der Lüge. Ein Inspector-Lynley- Roman. Übersetzt von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann. 704 Seiten, Goldmann, München 2012 EUR 25,70

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Die öde Welt der „Kreativen“

Trotz oder wegen des ausgiebigen Drogen- und Alkoholkonsums, trotz vieler deftiger Sex- und sonstiger Abenteuer ist das Leben der Drehbuchautor_ innen, die sich alle mit einer Fernsehserie abplagen, langweilig bis trostlos. Sie versuchen‘s mit Gründung einer Kleinfamilie, mit Ausbrechen in die „richtige Kunst“, sie ergehen sich in ihren Sehnsüchten nach Liebe und Kind, aber sie kriegen weder genug gesellschaftliche Anerkennung noch die erhoffte Zuwendung und sie erreichen erst recht nicht die Selbstachtung, um die sie ringen. Sie brauchen einander und konkurrieren gnadenlos. Existenzängste verbinden: Alle sind sie verrückten neoliberalen „Gesetzen“ ausgeliefert – sie haben die in ihrer Szene geltenden Ansprüche zu ihren gemacht. Diese Trostlosigkeit ist aushaltbar, weil sie in einer gediegenen, schnörkellosen Sprache dargestellt wird – mit vielen wunderbar markanten Sätzen und prägnanten Treffern. Und natürlich auch, weil das Leben dieser Individualist_innen um einen Toten, nämlich den viel geliebten und gehassten Chef, kreist. Das Krimi-Moment wird diffizil eingeführt und die Rätsel um die Täter_innen werden ebenso interessant aufgelöst. Hedi Presch
 
Amaryllis Sommerer: Ulrich und seine Täter. Roman. 240 Seiten, Milena Verlag, Wien 2012 EUR 19,90

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