Pierre Bourdieus „Die feinen Unterschiede“ („La Distinction“ 1979) über Geschmack als kulturellen Abgrenzungsmechanismus zählt zu den Klassikern der Kultursoziologie. Oft bemüht und weiterentwickelt, aber kaum kritisiert. Christine Resch und Heinz Steinert haben zu Beginn ihrer Studie genau das getan: Sie sind den Mängeln in Bourdieus Theorie und Methode auf den Grund gegangen und finden darin den Ausgangspunkt für ihre Studie. Bourdieu verdichtet abstrakte Kenntnisse von Kunstnormen zu Geschmacks-Hierarchien und fokussiert auf „Lebensstile“ als kulturelle Kategorie gesellschaftlicher Rangordnung. Im Gegensatz dazu stehen für Resch und Steinert die „Lebensweisen“ als Ausdruck der Beziehungen zwischen den gesellschaftlichen Schichten im Mittelpunkt. Dazu werden die persönlichen Geschichten hinter und die persönlichen Beziehungen zu den kulturellen Artefakten einer wissenschaftlichen Betrachtung unterzogen. Die Dinge, mit denen wir uns im Alltag umgeben, verkörpern demnach den höchstpersönlichen Lebensentwurf und dienen nicht (nur) der Identifikation mit einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht. Christine Resch präsentiert die Ergebnisse der Studie entlang von drei Interpretationslinien. Unter „Geschlechterarrangements und Familiendynamiken, Erinnerungen“ stellt sie den Zusammenhang von sozialer Position, Geschlecht und Lieblingsartefakt dar. Unter „Kulturindustrielle Normen und Widerständigkeiten dagegen“ wird analysiert, wie die Aneignung von Artefakten erfolgt und abschließend wird der inhaltlichen Bedeutung der Artefakte auf den Grund gegangen. Nach der Lektüre wird nicht nur die eigene Wohnung mit ganz anderen Augen – und einem Schmunzeln – gesehen.
Eva Kristina Miklautz
Christine Resch: Schöner Wohnen. Zur Kritik von Bourdieus »feinen Unterschieden«. 185 Seiten, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2012 EUR 25,60
Die Philosophinnengemeinschaft DIOTIMA aus Verona verlässt in den Beiträgen ihrer neuesten Sammlung mit dem Titel „Macht und Politik sind nicht dasselbe“ die üblichen Wege der Kritik an der (italienischen) „Politik“ und untersucht dabei auch wichtige Aspekte der italienischen Realität. Als eine Ursache des gegenwärtigen Elends der Politik sieht sie „die fehlende Auseinandersetzung der politischen Parteien mit dem feministischen Denken“. Ausgehend von der Prämisse, dass die Zusammenhänge zwischen Politik und Macht neu überdacht werden müssen, wird nach Strategien gesucht, welche die Politik aus ihrer Ohnmacht befreien könnten. Dabei ist von grundlegender Bedeutung, dass die Politik nicht als ein Kampf um die Erlangung und Erhaltung von Macht verstanden werden darf, sondern als eine Loslösung von Eigeninteressen, um im Kollektiv die Spielregeln des Zusammenlebens zu verhandeln. Der durchwegs positiv konnotierte Begriff der Politik ist für die Autorinnen ein Kampf darum, der Macht und ihren Mechanismen ein Stück Freiheit abzuringen sowie Unterdrückung, Unfreiheit und Ungerechtigkeit abzuschaffen. Mit diesem Sammelband ist der Philosophinnengemeinschaft eine großartige Reflexion über die gegenständliche Misere der (italienischen) „Politik“ gelungen, die auch dazu auffordert, sich von der Bequemlichkeit des bereits Gedachten zu befreien und den Absprung in den Abgrund der Freiheit zu wagen.
Tatjana Cardona
Diotima: Macht und Politik sind nicht dasselbe. Hg. und übersetzt von Dorothee Markert und Antje Schrupp. 193 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2012 EUR 20,60