Eine tote und eine vermisste rothaarige Frau, die sich zum Verwechseln ähnlich schauen, geben der Polizei auf Sylt gleich mehrere Rätsel auf: die Tote wird sauber gewaschen nur mit roten Sandalen bekleidet in einem Strandkorb gefunden, aber die Identität der Toten ist nicht zu klären, und sie scheint auch niemandem abzugehen. Die Vermisste führte ein perfektes Eheleben und der Ehemann ist sehr besorgt, einzig die Schwägerin scheint über ihr Verschwinden ganz froh zu sein. Als die Vermisste schließlich auf ähnliche Weise tot am Strand gefunden wird, führen die Spuren zu den Sexarbeiterinnen der Insel und dann kommt plötzlich wieder alles ganz anders...
Der dritte Sylt-Krimi der Autorin Eva Ehley beschreibt neben den Mordfällen einerseits den High-Society Tourismus, der auf der Insel vorherrscht, und andrerseits die Beziehung zwischen den beiden HauptermittlerInnen, die ja eigentlich schon vorbei ist, wenn da nicht doch noch mehrdeutige Äußerungen und hoffnungsvolle Blicke auf etwas anderes schließen lassen. Die eher einfache Sprache und die kurzen Sätze lassen das Buch für alle jene zur perfekten Urlaubslektüre werden, die trotzdem nicht auf die gewohnte Krimi-Spannung verzichten wollen.
Petra Wächter
Eva Ehley: Männer schweigen. Ein Sylt-Krimi. 388 Seiten, Fischer Taschenbuch, Frankfurt/M. 2013 EUR 10,30
Die Wohnsiedlung „La Maravillosa” liegt irgendwo am Rande von Buenos Aires und ist ein gut bewachtes Refugium für die Reichen und Einflussreichen. Trotz grotesk anmutender und schikanöser Sicherheitsvorkehrungen feiert ausgerechnet in dieser Umgebung das Kapitalverbrechen fröhliche Urstände. Der umstrittene Unternehmer Pedro Chazarreta wird mit aufgeschlitzter Kehle in seiner Wohnung aufgefunden. Selbstmord kann schnell ausgeschlossen werden – und obwohl drei Jahre zuvor auch Chazarretas Ehefrau an nahezu der gleichen Stelle ebenfalls mit durchgeschnittener Kehle zu Tode kam, ermittelt die Polizei nur halbherzig. Ein gefundenes Fressen für die Medien jedenfalls, und so wird von einer auflagenstarken Tageszeitung die Schriftstellerin Nurit Iscar ins Spiel gebracht, um in „La Maravillosa” zu recherchieren und Hintergrundberichte zu liefern. Unterstützt wird sie dabei von Jaime Brena, einem aufs Abstellgleis geschobenen erfahrenen Kriminalreporter und dem namenlosen „Jungen aus der Redaktion”, der ohne Internet völlig aufgeschmissen ist. Das Trio müht sich durch eine etwas konstruiert wirkende Mordgeschichte, die letztlich nur der Aufhänger für eine dichte und rasante Gesellschafts(tragik)komödie ist. Die drei kommen schließlich einer Sache auf die Spur, der sie schlussendlich nicht gewachsen sind. Vieles bleibt unklar, vieles verschwimmt. Aber: Großes Kino!
Elke Koch
Claudia Pineiro: BetibĂș. Roman. Übersetzt von Peter Kultzen. 343 Seiten, Unionsverlag, Zürich 2013 EUR 22,60
Eingebundene Füße, KommunistInnen, Mafia und Opium, das sind die Themen, die im neuen Roman von Clementine Skorpil behandelt werden. Wir befinden uns im Shanghai von 1926. Die kommunistische Partei konstituiert sich seit fünf Jahren. China wird von verschiedenen Gruppierungen beherrscht. Die Bevölkerung ist ungebildet, überkommenen Traditionen verhaftet und leidet unter schrecklichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Vor diesem Hintergrund wird die Geschichte einer 60-jährigen Frau, Witwe eines Verwaltungsbeamten, und eines Anhängers der Kommunistischen Partei Chinas erzählt. Beide suchen die wunderschöne aber verschwundene Enkelin der Protagonistin. Die beklemmende Enge und das Elend in Shanghais Straßen kombiniert mit einigen Leichen ergibt eine spannende Lektüre für Kennerinnen von China und Neugierige.
Beate Foltin
Clementine Skorpil: Gefallene Blüten. Ariadne Kriminalroman. 352 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2013 EUR 12,40
Es ist immer wieder interessant, das eigene Berufsumfeld literarisch dar- oder auch bloßgestellt zu finden. Daraus resultieren seit einigen Jahrzehnten sogenannte „Campus-Romane”, die den Mikrokosmos von Uni und Wissenschaft samt Konferenzen, Publikationszwängen und Strukturreformen ausleuchten und bestenfalls treffend aufs Korn nehmen. Ein „anonymes Autorenkollektiv” hat als Isabel Bernardi nun den „ersten Wiener Uni-Krimi” vorgelegt und als solchen stark beworben. Darin sind Frauen lächerlich, machtlos, dankbar, sexy, tot oder schuldig, des weiteren werden wiederholt ihre großen, die sich durch die Bluse abzeichnenden usw. Brüste besonders betont. Die Geschichte schleppt sich dahin, Männer sprechen mit Männern über Männer, darunter auch ein paar tragische Figuren, und lösen einen unspannenden Fall, der als Vorwand dazu dient, selbstgefällig dozierend Bonmots einzustreuen und tief in die Klischeekiste des Wiener Lokalkolorits zu greifen – was selbst ironisch nicht gelingt. „Der Blitz der explodierenden Bombe in seiner Phantasie erhellte plötzlich seinen Geist” offenbart konzentriert das sprachliche Unvermögen, das insgesamt nur zum Schluss kommen lässt: der Blitz möge das sexistische Autorenkollektiv treffen.
xy
Isabel Bernardi: Vatermord. Der erste Wiener Uni-Krimi. 192 Seiten, Königshausen & Neumann, Würzburg 2012 EUR 18,50
Ein toter Tourist (oder das, was von ihm übrig ist) - wird im Gehege der Pekaris-Schweine im Berliner Tierpark aufgefunden, Tiere, die angeblich alles fressen, was ihnen unter die Rüssel kommt. Die kluge und ambitionierte Polizeimeisterin Sanela Beara glaubt nicht an die Version, die der verstörten Öffentlichkeit kurze Zeit später präsentiert wird, dass nämlich die Futtermittelzüchterin Charlotte Rubin für den Mord verantwortlich sei, auch wenn diese ihn längst gestanden hat. Beara beginnt gegen den Willen ihres Vorgesetzten und entgegen ihres polizeilichen Aufgabenbereichs auf eigene Faust zu ermitteln. Zugleich ist Jeremy Saaler gemeinsam mit seinem Doktorvater damit beschäftigt, ein psychologisches Gutachten von Rubin zu verfassen. Auch Saaler überschreitet seinen Kompetenzbereich und beider Weg führt sie in ein aussterbendes brandenburgisches Dorf und bringt sie in große Gefahr. Herrmann gelingt ein atemloser Roman mit wohldimensionierten Charakteren, eine Geschichte vom Zurücklassen und Verdrängen, von kollektivem Wegschauen: „Ich habe nur darauf gewartet, dass irgendjemand als Erster was sagt”, so eine der Figuren an einer Stelle. Das Buch ist so spannend, dass es in einem Stück gelesen werden will. Bereits auf den ersten Seiten macht sich ein subtiler, anhaltender Schauer breit, den man in vielen Romanen der gleichen Gattung vergeblich sucht - ein Schauer, der nachhallt und der sich bei frühsommerlichen Landpartien in dünn besiedelten Gebieten immer wieder leise zurückmeldet.
soe
Elisabeth Herrmann: Das Dorf der Mörder. Roman. 480 Seiten, Wilhelm Goldmann Verlag, München 2013 EUR 20,60
Mit „Der Löwe der Gerechtigkeit” liegt der mittlere Band von Leena Lehtolainens Trilogie über die Leibwächterin Hilja Ilveresko vor. Nach einem sehr spannenden und actiongeladenen ersten Band kommt der zweite nicht so richtig in Schwung. Der Europol-Agent David Stahl, mit dem Hilja eine heftige Affäre hatte und der dann am Rande eines gescheiterten Deals mit nuklearem Material verschwand, ist wieder in Hiljas Leben aufgetaucht. Doch als sie sich heimlich in Italien treffen, verschwindet David erneut und hinterlässt jede Menge rätselhafte Spuren (und eine Leiche). Hilja forscht nach und gerät ins Visier des organisierten Verbrechens. Gleichzeitig wird sie mit neuen Hinweisen auf ihre Herkunftsfamilie konfrontiert: ihr gewalttätiger Vater, der ihre Mutter getötet hat, hat möglicherweise auch etwas mit dem angeblichen Unfalltod ihres Großvaters, bei dem sie aufwuchs, zu tun. Und schließlich taucht ganz zum Schluss - als Cliffhanger für Band drei - auch noch eine mögliche Halbschwester auf. Vielversprechender Lesestoff für Lehtolainenfans, die sich die ganze Trilogie reinziehen, weniger für die, die einen schnellen Krimi zwischendurch suchen.
ESt
Leena Lehtolainen: Der Löwe der Gerechtigkeit. Thriller. Übersetzt von Gabriele Schrey-Vasara. 348 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2013 EUR 20,60
Die Kopenhagener Detektivin Kit Sorel lebt in einem Wohnwagen, ist fast schon im Ruhestand und lässt sich doch von ihrem alten Freund Harry überreden, einen eigenartigen Fall anzunehmen. Der junge Moslem Mehdi ist verschwunden. Seine Tante Leila, Migrantin marokkanischer Herkunft, sucht verzweifelt nach ihrem Neffen, zumal dieser verdächtigt wird, sich einer islamischen Terrorzelle angeschlossen zu haben. Als Kits Klientin Leila überstürzt nach Marokko reist und dort prompt verschwindet, beginnt für Kit und Harry eine nervenaufreibende Spurensuche in einem für sie fremden Land. Leilas Verwandtschaft nimmt die beiden zwar mit offenen Armen auf, doch die prekären (auch politischen) Verhältnisse und komplizierten Familienhierarchien geben ständig neue Rätsel auf. Als klar wird, dass in Dänemark tatsächlich mit einem unmittelbar bevorstehenden Anschlag gerechnet wird, scheint den beiden die Zeit davonzulaufen. Der Plot klingt soweit ganz spannend, die Figuren bleiben allerdings leblos und blass, die Handlung mäandert im Halbdunkel und mit vielen Andeutungen vor sich hin, ohne dadurch an Drive zu gewinnen. Schade, denn die angezeigten Reibflächen zwischen den Kulturen und die in Europa zunehmend präsente Angst vor Fremdheit und Terror hätten sich mehr verdient.
Elke Koch
Ditte Birkemose: Verschleiert. Kriminalroman. Übersetzt von Gabriele Haefs. 214 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2013 EUR 13,40