LiteraturwissenschaftAktuelle Ausgabe: Literaturwissenschaft

Neubewertung einer großen Satirikerin

Mit ihrem satirischen Debütroman „Die Riesenzwerge”, in dem sie anhand der Familie Leinlein den Blick auf patriarchale Macht- und Gewaltverhältnisse des bundesdeutschen Kleinbürgertums richtet, wurde Gisela Elsner 1964 schlagartig bekannt. Schon dieser Roman wurde in typisch sexistischer Manier kritisiert, doch ihre darauffolgenden Romane wurden von der Kritik so gut wie nicht mehr wahrgenommen – bis zum Erscheinen von „Fliegeralarm” 1989, in dem Elsner mit der Beschreibung der „Nazi-Kinder” nicht nur die Verschiebung der Debatte in Deutschland hin zu einem „Opferdiskurs” wahrnimmt, sondern auch die „Bombenkriegsdebatte” vorwegnimmt und „satirisch durchkreuzt”. Doch auch dieser Roman wurde von der Literaturszene großteils falsch verstanden und vernichtend kritisiert. Das Ziel der vorliegenden Studie von Christine Künzel (ursprünglich als Habilitationsschrift an der Universität Hamburg verfasst) ist es, das Werk Gisela Elsners einer Neubewertung zu unterziehen und seine Bedeutung für Literaturwissenschaft und -geschichte herauszuarbeiten. Explizit möchte sie nicht die Aufnahme der Autorin in den literaturwissenschaftlichen Kanon vorantreiben, stelle dieser doch immer auch eine „Stilllegung”, eine „Ent-Radikalisierung” des Werkes dar. Künzel bespricht die Werke Elsners neu, immer wieder auch in Hinblick auf die Kritiken zum Zeitpunkt des Erscheinens und wird so nicht nur ihrem Anspruch gerecht, eine der bedeutendsten Satirikerinnen entsprechend zu würdigen, sondern macht der Leserin zusätzlich große Lust, das Werk Elsners selbst wieder von neuem zu entdecken und ihrem Wunsch „sich im Gedächtnis der Lebenden zu erhalten” gerecht zu werden. Paula Bolyos
 
Christine Künzel: „Ich bin eine schmutzige Satirikerin”. Zum Werk Gisela Elsners (1937-1992). 460 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2012 EUR 41,10

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Mündigkeit durch Schreiben

Sprechen, Schreiben und eine Stimme finden ist für Autorinnen* ein langer Prozess, der mit viel Ablehnung und gewaltvollen Erfahrungen im Sinne von Sprache als Gewalt verknüpft ist. Doch entgegen all dieser Hindernisse melden sich Autorinnen* zu Wort, ergreifen ihre Stimme und schreiben gegen diese gewaltvollen Erfahrungen an. Wie dieses Anschreiben gegen Gewalt erfolgen kann, zeigt Sylvia Schmitz-Burgard in ihrer Monographie, in der sie dem Schreiben von Erika Mann, Ulrike Meinhof, Ingeborg Bachmann, Christa Wolf, Elfriede Jelinek und Helga Königsdorf nachgeht. Der in den Analysen verwendete Gewaltbegriff wird dabei aber nur sehr grob umrissen und oszilliert daher auch vom anti-faschistischen Widerstand zu der Frage nach Subjektpositionen und der Würde von Menschen, ohne dabei auf ein konkretes (feministisches) Gewaltkonzept zu verweisen. Als verbindendes Element der jeweils in Einzelkapitel betrachteten Autorinnen* kann das Bestreben nach Mündigkeit festgemacht werden, das ihnen ermöglicht als Subjekte wahr- und ernstgenommen zu werden. Um dieses Bestreben zu unterstützen, greift Schmitz-Burgard zur Strategie des Close Readings, bleibt also ganz nah am Text und verleiht den Stimmen der Autorinnen* damit zusätzlich an Gewicht. Zu kurz kommt dabei aber leider eine vergleichende Analyse, die produktive Gemeinsamkeiten der Autorinnen* berücksichtigen könnte. Ulli Koch
 
Sylvia Schmitz-Burgard: Gewaltiges Schreiben gegen Gewalt. 226 Seiten, Königshausen & Neumann, Würzburg 2011 EUR 39,10

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