MusikwissenschaftAktuelle Ausgabe: Musikwissenschaft

Ein bunter Blumenstrauß für Clara?

Ist Robert Schumanns Liederzyklus Myrthen – dessen gedruckte Erstausgabe pünktlich zur Hochzeit mit Clara Wieck am 12. September 1840 erschienen war – tatsächlich nichts weiter als „ein bunter Blumenstrauß für Clara”? Die Musikwissenschafterin Rebecca Grotjahn bezweifelt dies und liefert in ihrem Beitrag zur vorliegenden Publikation eine überzeugende Analyse und ein Plädoyer dafür, dass sich Schumann mit dem Liederzyklus Myrthen „nicht nur sein Selbstbildnis, sondern auch seine Identität als Künstler” geschaffen hat. Komponist sein heißt nun (mehr denn je) Mann sein. Im vorliegenden Buch diskutieren namhafte MusikwissenschafterInnen – Renate Bozic, Christa Brüstle, Rebecca Grotjahn, Katharina Hottmann, Kordula Knaus, Susanne Kogler, Sally Macarthur, Sigrid Nieberle, Ruth Neubauer-Pethold, Mary Ann Smart, Leon Stefanija, Laura Tunbridge, Melanie Unseld und Michael Walter – die Schlüsselbegriffe unter immer neuen und zum Teil unerwarteten historischen Blickwinkeln. Dabei wird eines deutlich: die Geschichte wirft ihre Schatten bis in die Gegenwart. Die Beispiele im Buch reichen von Vittoria Archilei, einer Sängerin am Florentiner Hof zur Zeit der Medici bis zur exzentrischen Performance-Künstlerin Björk. Unter derart multi–perspektivischer Ausleuchtung entpuppt sich das Spannungsfeld Autorschaft, Genie, Geschlecht als spannende und lohnende Lektüre für MusikwissenschafterInnen und Gender-ForscherInnen gleichermaßen. Regine Allgayer
 
Autorschaft – Genie – Geschlecht. Musikalische Schaffensprozesse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Hg. von Kordula Knaus und Susanne Kogler. 284 Seiten, Böhlau Verlag, Köln-Weimar-Wien 2013 EUR 41,10

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Nachlesen und Neudenken?

In der deutschsprachigen musikwissenschaftlichen Genderforschung der jüngeren Jahre zeigt sich vermehrt die Tendenz zur Publikation von Grundlagenwerken und die eigene Fachgeschichte reflektierenden Büchern (bspw. das „Lexikon Musik und Gender”, das Kompendium „Musik und Gender” oder der Band „Gender Studies in der Musikwissenschaft – Quo vadis?”). Das vorliegende Buch reiht sich gewiss in diese Zielrichtung ein, bringt aber durch das Format des Readers etwas durchaus Neuartiges, das in der bisherigen Forschungsliteratur als Desiderat angesehen werden kann. 19 Texte aus den 1980er und 1990er Jahren sind hier versammelt, die grundlegende Ansätze und Entwicklungen der musikwissenschaftlichen Genderforschung repräsentieren, angefangen von Eva Riegers und Susan McClarys prägenden und kämpferischen Arbeiten bis hin zu Robert Walsers oder Suzanne G. Cusicks Texten zu Körperlichkeit und Performativität. Die HerausgeberInnen Katrin Losleben und Florian Heesch haben dabei die Aufsätze oder Buchauszüge nicht nur klug zusammengestellt, sondern auch jeden Text mit einer informativen Einleitung versehen, die auch für Personen, die mit dem Thema bisher wenig in Berührung gekommen sind, gut lesbar erscheint. Damit ist der Reader ein ideales Werkzeug für den Unterricht (zumal alle englischsprachigen Texte ins Deutsche übersetzt sind und auch auf weiterführende Literatur verwiesen wird), lädt aber auch den/die GenderforscherIn dazu ein, in der eigenen Fachgeschichte zu schmökern. Kordula Knaus
 
Musik und Gender. Ein Reader. Hg. von Florian Heesch und Katrin Losleben. 316 Seiten, Böhlau Verlag, Köln-Weimar-Wien 2012 EUR 25,60

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