S
Erich und Irena Fischer gelingt 1938 die Flucht aus Wien. Sie finden zunächst Aufnahme in England, doch als im Juni 1940 die
deutsche Wehrmacht Frankreich erobert, stehen plötzlich alle Flüchtlinge unter dem Verdacht, Nazispione zu sein und werden
zu „enemy aliens” erklärt. So auch die Eltern von Erica Fischer, obwohl die Mutter Jüdin war und sie und ihr Mann
in Wien wegen antifaschistischer Aktionen im Gefängnis waren. Fast 10.000 Flüchtlinge werden nach Kanada und Australien
deportiert. Erich Fischer meldet sich freiwillig, da ihm zugesichert wird, dass seine Frau sehr bald nachkommen werde. Die Überfahrt
auf der „Dunera” dauert fast zwei Monate. In Australien werden die Flüchtlinge nach Hay gebracht, wo man sie in einem aus
dem Wüstenboden gestampften Flüchtlingslager unterbringt. Irena muss in England bleiben und arbeitet als Haushaltshilfe. Die
Briefe Irenas aus dieser Zeit sind erschütternd. Sie leidet unter Einsamkeit und Ungewissheit. Aus dem Versprechen der englischen
Regierung, sie bald ihrem Mann nachreisen zu lassen, wird nichts. Es sollte noch fast zwei Jahre dauern, bis die
„Königskinder” Erich und Irena in England wieder zusammen kommen.
Erica Fischer erzählt in „Königskinder” sehr eindringlich vom Leid der Emigration, von Trennung, Verlust, aber auch
von der großen Liebe ihrer Eltern. Der Roman ist ein spannendes Dokument, das eindrücklich diese dunkle und wenig bekannte
Seite der englischen Flüchtlingspolitik beschreibt. Mit der Aufzählung von 2000 Namen von Deportierten ist das Buch auch eine
Hommage an diese lange vergessenen Opfer des Nationalsozialismus.
Heide Mitsche
Erica Fischer: Königskinder. Roman. 304 Seiten, Rowohlt, Berlin-Reinbek 2012 EUR 20,60
Der zweite Roman der niederländischen Autorin Goemans spielt rund um einen Flughafen in der Polderlandschaft. Gieles, der
vierzehnjährige Hauptheld, wohnt mit seiner Familie und seinen Gänsen direkt neben der Flugpiste. Sein Vater Willem ist der
Flughafenförster, dessen Aufgabe es ist, Vögel davon abzuhalten, in die Triebwerke zu geraten. Daher darf Gieles seine
Gänse auch nicht fliegen lassen, aber genau das ist es, was er ihnen mit Hilfe von Spekulatiuskeksen antrainieren möchte.
Seine Mutter Ellen war Stewardess, bis sie beschloss, in Afrika Solarkocher zu installieren, wo sie nun viel Zeit verbringt –
nach Gieles Meinung zu viel Zeit. Der Zwillingsbruder von Gieles Vater, Onkel Fred, auf dessen Bauernhof sie wohnen, betreibt einen
Campingplatz für plane spotters und Leute, deren Hobby Flugzeugunfälle sind. Dann gibt es da noch Super Waling, der sich
wegen eines Flugzeugunglücks eine gewaltige Essstörung eingehandelt hat, und natürlich Meike, gepierct und tätowiert
und in Abgrenzung zu ihren Eltern dabei, ihren Platz im Leben selbst zu bestimmen. Die Autorin zeichnet ihre Charaktere beeinflusst
von Gänsen, Poldern und dem Flughafen samt seinem Lärm sehr überzeugend und mit Liebe zu all ihren Schrägen. Ein
ganz und gar wundervolles Buch.
gam
Anne-Gine Goemans: Gleitflug. Roman. Übersetzt von Andreas Ecke. 448 Seiten, Insel Verlag, Berlin 2012 EUR 22,60
Barbro Andersson und Lillemor Troj studieren in den 1950er Jahren gemeinsam in Uppsala. Barbro will an einem Literaturwettbewerb teilnehmen;
der steht unter dem Motto: ein Lucia-Kurzkrimi. Doch als eher durchschnittlich attraktive Frau rechnet sie sich wenig Chancen aus. Also schickt
sie ein Foto der blonden, luciagleichen Lillemor mit. Die beiden gewinnen, Lillemor nimmt den Preis entgegen, das Geld wird geteilt. Das ist der
Anfang einer großen Autorinnenkarriere. Barbro schreibt und schreibt, Lillemor kommentiert und repräsentiert. Beide sind – meist
– zufrieden mit ihren Rollen. Doch viele Jahre später – Lillemor wurde inzwischen sogar in die Schwedische Akademie gewählt
– taucht bei ihrem Verleger das Manuskript für einen Unterhaltungsroman auf – der Plot: die betrügerische Geschichte einer
Autorin, die nie eine Zeile selbst geschrieben hat. Lillemor gelingt es, in Besitz des Manuskripts zu kommen, dessen Autorin eindeutig Barbro ist,
und taucht erst einmal unter.
Abwechselnd lesen wir, was Lillemor in der Gegenwart widerfährt und Barbros in Ich-Form geschriebenes Manuskript. Von den Höhen und
Tiefen beider Leben, von Liebe, Schicksalsschlägen und Jobs, von Sexismus und Erfolg. Von Freundinnen- und Feindinnenschaft.
Kerstin Ekman, eine der bedeutendsten schwedischen Gegenwartsautorinnen, wird heuer 80. In einer Phase, in der manche AutorInnen
Lebensrückblicke oder Autobiographien schreiben, geht Ekman – wieder einmal – ihren ganz eigenen Weg und schreibt ironische,
mit ihrer Branche abrechnende Autofiktion, die – ganz große Literatur eben – auch als Roman bestens funktioniert – oder
umgekehrt? Mein Buch des Jahres!
ESt
Kerstin Ekman: Schwindlerinnen. Roman. Übersetzt von Hedwig M. Binder. 448 Seiten, Piper, München 2012 EUR 23,70
Anne B. Ragde führt uns von Etage zu Etage eines Wohnhauses in den 1960er Jahren. Wir treffen unterschiedliche Familien, lernen ihre
Vorlieben und Schwächen kennen. Die Frauen sind Hausfrauen, die Männer arbeiten – oft als Verkäufer für Autos oder
Instantsuppen. Es wird viel geputzt und brav konsumiert, was man aus US-Filmen so kennt: Autos, Staubsauger, Tiefkühltruhen. Aber in dieser
neuen städtischen Mittelschicht, die im Kontrast zu ihrer oft bäuerlichen Herkunft, ein Leben in Wohlstand führt, gibt es wenig
wirkliche Zufriedenheit. Vielmehr das beständige Gefühl, es doch gut haben zu müssen, weil die Zeiten nun bessere sind. Die
mögliche Erwerbstätigkeit der Frauen kommt immer wieder zur Sprache; entweder weil ein Zusatzeinkommen nötig wird, um dem
Konsumdruck standzuhalten, oder als Drohung an den Ehemann, damit er mehr Haushaltsgeld rausrückt.
Das Haus ist hellhörig und die Nachbarschaft neugierig, aber es gibt keinerlei Nähe zwischen den BewohnerInnen. Die hübsche
Kinderlose aus dem dritten Stock wird von allen Männern als Sexsymbol angeschmachtet und von allen Frauen verachtet, bleibt selbst aber
extrem einsam. Die psychisch kranke Jungmutter bekommt keine Hilfe. Die Halbwaise sitzt stundenlang mit nasser Hose im Treppenhaus und wartet
auf ihren Vater. Der Roman zeichnet mal unterhaltsam und ironisch beobachtend, mal tragisch analysierend ein zwiespältiges Zeitbild einer
Art Zwischenepoche: das alte bäuerlich geprägte Norwegen ist auf dem Weg zum modernen Sozialstaat, aber noch lange nicht dort
angekommen.
ESt
Anne B. Ragde: Ich werde dich so glücklich machen. Roman. Übersetzt von Gabriele Haefs. 287 Seiten, btb Verlag, München 2012 EUR 20,60
Nach ihrem großen Erfolg mit „Heimsuchung” liegt nun ein weiterer Roman von Jenny Erpenbeck vor und auch in diesem spinnt
sie kunstvoll einen Ausgangspunkt in verschiedene Richtungen weiter. Im Mittelpunkt der einzelnen, von Intermezzi eingeleiteten Kapitel steht
das Leben eines Mädchens bzw. einer Frau, dessen Fortgang immer wieder anders verläuft. Im ersten Buch stirbt sie als Baby und
Erpenbeck schildert eindringlich, wie dies das Leben der Hinterbliebenen prägt, was damit endet und was sich auftut: „Am Abend eines
Tages, an dem gestorben wurde, ist längst noch nicht aller Tage Abend”. Im zweiten Kapitel überlebt das Mädchen und eine
mögliche Kindheit innerhalb derselben Familie wird erzählt. So fährt Erpenbeck in mehreren Abschnitten fort und gibt Einblick in
das Leben verschiedener Generationen einer galizischen Familie, die um 1900 nach Wien übersiedelt. Sie spannt den Bogen bis zur Greisin im
Heute und durchläuft das lange 20. Jahrhundert in Geschichten über Antisemitismus, Wirtschaftskrise, Armut, Krieg, Engagement in der
Kommunistischen Partei Österreichs, Schreiben in der DDR, Leben in der UdSSR, die Willkür stalinistischer Verfolgung. Ein
beeindruckender, wunderbarer Roman über Lebens-/Geschichte/n, die in bedachter, ruhiger Sprache erzählt werden, die Langsamkeit
erfordert und dem Erleben wie Ungesagten weiten Raum gibt.
mel
Jenny Erpenbeck: Aller Tage Abend. Roman. 283 Seiten Knaus, München 2012 EUR 20,60
Der erste Roman der in Nigeria geborenen Yejide Kilanko war 2012 in ihrer Wahlheimat Kanada ein großer Erfolg. Mit der deutschen
Übersetzung ist nun ebenfalls ein beachtliches Buch gelungen. Ohne unnötige Schnörksel aber durchaus poetisch und sehr nah an
den Menschen wird „Der Weg der Töchter” geschildert. Hauptakteurin Morayo wächst in der nigerianischen Stadt Ibadan auf,
eher behütet und nicht in ärmsten Verhältnissen. Der Alltag ist dennoch geprägt von patriarchalen Traditionen. Sexuelle
Gewalt an Mädchen durch ältere Männer und Familienangehörige ist allgegenwärtig – mit allem, was dazu
gehört: Scham, Verschweigen, Täter-Opfer-Umkehr, Fehlgeburten, aber auch Zusammenhalt und Hilfe unter den „Töchtern”.
Morayo ist ein starker, vielfältiger Charakter, so auch die meisten anderen Töchter, Tanten, Schwestern, Mütter. Sie bleiben
sich in all ihren Widersprüchen treu, bis zum Happy End. Das braucht es wohl, um die Geschichte abzurunden und einem großen Publikum
schmackhaft zu machen. Dass das Aufwachsen in gewaltsamen, patriarchalen Verhältnissen für viele Mädchen auf der ganzen Welt
kein glückliches Ende nimmt, wird immerhin angedeutet.
GaH
Yejide Kilanko: Der Weg der Töchter. Roman. Übersetzt von Uda Strötling. 384 Seiten, Graf Verlag, München 2013 EUR 18,50
Die 16-jährige Margo lebt inmitten der nordamerikanischen Wildnis und fühlt sich dem rauschenden Stark River und ihrer Schrotflinte
weit mehr verbunden als ihren SchulkameradInnen. Nachdem der einzige Mensch, zu dem sie eine innige Beziehung aufgebaut hat – ihr Vater
– erschossen wird, verlässt sie ihr vertrautes Umfeld und macht sich auf einem Boot alleine und ziellos auf den Weg. Zunächst
ohne fremde Hilfe sichert sie mithilfe der Jagd ihr Überleben und beginnt auf der Suche nach ihrer Mutter, die sie vor vielen Jahren
verlassen hat, ihren Wunsch nach Unabhängigkeit und ihren Freiheitsdrang zu lieben. Bonnie Jo Campbell erzählt in ihrem
Debütroman „Stromschnellen” von einer jungen Frau, die sich in einer männlichen Welt behaupten muss. Ohne sich zu sehr
in Klischees zu verstricken, zeichnet die detailreiche Sprache der Autorin ein Bild der rauen Natur, in der die Protagonistin aufzugehen scheint.
Ein fesselnder Roman für Abenteuerinnen.
Brigitte Theißl
Bonnie Jo Campbell: Stromschnellen. Roman. Übersetzt von Carina von Enzenberg. 398 Seiten, Piper, München 2013 EUR 23,70
Topolina hat aufgehört zu sprechen. Vielleicht, weil es nur eine begrenzte Zahl von Wörtern im Leben einer Frau gibt. Vielleicht,
weil sich ein Unglück in ihrem Leben ereignet hat, vor dem sie in die Einsamkeit entflohen ist. Vielleicht, weil sie niemanden liebt
außer sich selbst – wenn überhaupt. Untertags verdingt sich die knapp 65-jährige ehemalige Künstlerin als Putzfrau,
am Abend bereitet sie Sandwiches in einer Bar zu. Die Dinge kommen ins Rutschen, als der Sohn ihrer Chefin ihr einen Zettel schreibt: „Kannst
du bitte das Wasser von meinem Fisch auswechseln? Ich kann das nicht.” In Topolina wächst der Wunsch, den Jungen kennen zu lernen.
Menschen aus ihrer Vergangenheit tauchen auf, sie beginnt wieder zu malen und schläft mit einem Mann, um zu entdecken, dass es ist wie mit
dem Fahrradfahren – man vergisst die Küsse nicht, nicht die aufsteigende Hitze und auch nicht den Moment der Ewigkeit danach.
Vielleicht ist das ein Probelauf auf das wahre Leben, denkt Topolina. Doch was ist das wahre Leben? „Es gibt keine falschen Leben. Nur
verschiedene.” Eine poetische, melancholische, humorvoll erzählte Geschichte von den Schatten der Vergangenheit, vom Älterwerden
und der Kunst zu leben. „Der Fisch ist ein einsamer Kämpfer” ist der erste Roman der Psychoanalytikerin Astrid Waliszek, die
als Journalistin und Dokumentarfilmerin gearbeitet hat.
vab
Astrid Waliszek: Der Fisch ist ein einsamer Kämpfer. Übersetzt von Claudia Steinitz. 173 Seiten, Hoffmann und Campe, Hamburg 2013 EUR 20,60
Die französische Autorin hat über das Leben ihrer Mutter Lucile geschrieben, um ihre eigene Beziehung zu ihrer Mutter aufzuarbeiten.
Anhand von Tagebuchaufzeichnungen, Fotos, Tonaufnahmen, Briefdokumenten und Gesprächen mit ihren noch lebenden Verwandten sowie ihren eigenen
Erinnerungen hat sie ein nicht einfaches Leben nachgezeichnet. Lucile wächst mit acht Geschwistern im Paris der 1950er und -60er Jahre auf.
In der Kindheit erlebt sie den tragischen Tod zweier Geschwister durch Unglücksfälle, ein weiterer Bruder sucht später den Freitod.
Sie bricht ihre Schulausbildung frühzeitig ab, verdient ihr Geld mit angelernten Arbeiten. Sie findet wenig Halt, fällt immer wieder in
längere psychische Krisen mit exzessivem Drogenkonsum, die mit Aufenthalten in Kliniken enden. Ihre beiden Töchter können sie trotz
aller Anstrengungen nicht davor bewahren. Der Kindesvater, von dem sie sich sehr bald trennt, bleibt von Anfang an trotz Einmischung
„identitätslos”. Lucile schafft es mehrmals, sich wieder aufzurichten, um in ein nach außen hin „geordnetes”
Leben ohne langfristige Stabilität zurückzukehren. Erst eine späte Ausbildung als Sozialarbeiterin und die folgende berufliche
Arbeit bringen ihr eine gewisse Erfüllung und Lebensmut, sie wird gebraucht. Eine Krebserkrankung stellt die Sinnhaftigkeit ihrer
Bemühungen wieder in Frage. Fesselnd geschrieben, ein Buch, in das die Leserin ein- und auch ein bisschen tief untergetaucht ist.
ML
Delphine de Vigan: Das Lächeln meiner Mutter. Roman. Übersetzt von Doris Heinemann. 384 Seiten, Droemer, München 2013 EUR 20,60
Petra Morsbach erzählt in ihrem Roman „Dichterliebe” die Geschichte des gescheiterten DDR-Schriftstellers Henry Steiger.
Dieser lebt in einem provinzial abgelegenen Künstlerdorf, wo er in Selbstmitleid und Depressionen versinkt. Nach dem Mauerfall stehen die
Karten schlecht für den einst so gefeierten Lyriker. Keiner interessiert sich mehr für Gedichte und sein Verleger rät ihm, am
besten einen Liebesroman zu verfassen. Doch das kommt für den egomanen Ich-Erzähler nicht in Frage: unter seiner Würde, ganz klar,
und mit der Liebe hat er schon längst nichts mehr am Hut. Dies ändert sich jedoch, als er auf die „Westschnepfe” Sidonie
Fellgiebel trifft. Gekonnt verschränkt Morsbach Ironie mit Ernst und parodiert im Spiel mit Klischees das in Eitelkeit und Wehmut versunkene
Künstler_innentum. Jedes Kapitel ist mit Zitaten ostdeutscher Dichter_innen gespickt, welche ebenso auf den Inhalt anspielen. Ein intelligent
geschriebener Roman, der mit subtilem Witz einen kleinen Abriss des Literaturbetriebs während und nach der Wende gibt.
Katrin Rohrbacher
Petra Morsbach. Dichterliebe. Roman. 287 Seiten, Knaus, München 2013 EUR 20,60
2012 erhielt Olga Martynova den Bachmann-Preis für einen Ausschnitt aus ihrem Roman, der nun als Ganzes erschienen ist. In einer
poetischen Sprache beschreibt sie mehrere Familien und Einzelpersonen zwischen Chicago, Petersburg, Sibirien, Frankfurt und Berlin, indem
sie diese durch Dialoge aufleben lässt und immer wieder Netze spannt, in denen sich die AkteurInnen miteinander treffen. Professor
Andreas Bachmann schreibt an einem Buch über die Deutschen im Russland des 19. Jahrhunderts und ist mit Marina, einer russischen
Dolmetscherin, liiert. Seine zwei Kinder Franziska und Moritz bewegen sich zwischen Bulimie und papierenem Notizbuch, das für das
Festhalten einer ersten literarischen Produktion besser geeignet ist als das iPad. Daneben agieren der sterbende, einzigartige russische
Literat Fjodor Stern mit seiner Frau Natascha sowie sein Übersetzer John, der gleichzeitig Spion ist, und der an Alzheimer erkrankte
Naturwissenschaftler Pawel und seine Frau Tonja, die ehemalige Balletttänzerin. Für sich genommen sind die einzelnen Passagen
beliebig kombinierbar, was ihre Aufeinanderfolge angeht, da der rote Faden sich nur aus dem Zusammenhalten der personellen Schnittflächen
ergibt und eine zeitlich konsequente Linearität nicht erkennbar wird. Eine bunte poetische Patchworkarbeit, die vor allem darüber
besticht, dass es die Autorin immer wieder schafft, die Leserin in den jeweiligen Passagen mit faszinierenden Beschreibungen zu versöhnen.
Ungewöhnlich, aber als poststrukturalistische Aneignungsform beachtlich.
ML
Olga Martynova: Mörikes Schlüsselbein. Roman. 320 Seiten, Literaturverlag Droschl, Graz-Wien 2013 EUR 22,00
Die Psychologiestudentin Perla, Tochter aus einem wohlbehüteten Haus, lernt den Journalisten Gabriel kennen, der über Verschwundene
in der Militärdiktatur recherchiert. Da ihr Vater bereits während ihrer Geburt in der Zeit der Militärdiktatur (1976-83) ein
Offizier bei der Marine war, bekommt Perla sukzessive Zweifel an dessen Unbescholtenheit in diesen grauenvollen Jahren, aber auch an ihrer eigenen
familiären Identität. Durch ihre persönliche Gespaltenheit zwischen Familie und Freundeskreis wird sie während des
Sommerurlaubs ihrer Eltern psychotisch und bildet sich ein, dass ein „nasser” Verschwundener die Wohnung ihrer Eltern besetzt hat.
Politische Gefangene wurden in der Diktatur oftmals mit dem Flugzeug über dem Meer ausgesetzt. Perla freundet sich mit dem nach Salzwasser
triefenden Geist an, führt intensive Diskussionen mit ihm, beginnt sich gegenüber den Eltern zu emanzipieren und kann damit auch das
Tabu ihrer eigenen Geschichte entflechten. Die Autorin benötigt diesen Kunstgriff, um die historischen Widersprüche in der argentinischen
Gesellschaft aufdecken zu können. Passagenweise besticht der poetische, metaphernhafte Stil der Autorin. Die Handlung bleibt realistisch, auch
wenn das Ende zu rund für das wirkliche Leben ist, aber ein Happy End hat auch etwas Gewinnendes nach so vielen anstrengenden Verlusten.
ML
Carolina De Robertis: Perla. Roman. Übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann. 333 Seiten, Krüger Verlag, Frankfurt 2013 EUR 19,60
Schlafforscherin Ellen Feld, alleinerziehende Mutter einer bald erwachsenen Tochter, leidet an Schlafstörungen und weiß um deren
Gefahr. Sie kennt mehr schlaffördernde Hausmittel als die meisten Betroffenen, doch der Schlaf rückt in weite Ferne, wenn nachts die
Erinnerungen wach werden. Erinnerungen an Familien – die gelebte mit ihren Eltern, die ungelebte mit dem Kindesvater, die aufgekündigte
mit dem lässigen Musiker-Surrogatvater. Die Chorchronistin Marthe Grieß lebt nicht nur nachts in der Erinnerung und denkt fast
ausschließlich an den vor zwanzig Jahren spurlos verschwundenen Sohn. Die beiden Frauen könnten verschiedener nicht sein; ihre
Geschichte, ihr Blick aufs Leben und nicht zuletzt der von der Autorin für beide jeweils gewählte unterschiedliche Erzählstil,
mit dem sie ihren Teil zur – an Spannung kontinuierlich gewinnenden – Erzählung beitragen. Verschieden, aber dennoch miteinander
verbunden, wie ein halbes Dutzend weiterer Personen. Allesamt bergen sie ein Geheimnis in sich. Der Schreibstil der Autorin ist einfach, klar und
nüchtern. Dennoch bzw. vielleicht gerade deshalb erzeugt sie stimmungsgewaltige Bilder; Bilder der Natur, Bilder menschlicher Beziehungen,
Bilder nachhaltiger Emotionen. Entscheidungen verändern das Leben und schaffen Erinnerungen. Wären zwei Briefe an ihre Adressaten
zugestellt worden, sähen ihr Leben, ihre Erinnerungen, vielleicht sogar ihr Schlafrhythmus, anders aus. Alles hat seinen Grund im Ort Grund.
Alles ist voller Zeichen.
Salon Zwoneun
Katharina Hagena: Vom Schlafen und Verschwinden. Roman. 282 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012 EUR 19,60
Zwei Familien in der Hitze der französischen Riviera: Kriegsberichterstatterin Isabel und Starpoet Joe mit der 14-jährigen Tochter
Nina und die LadenbesitzerInnen Laura und Mitchell mieten gemeinsam ein Ferienhaus. Zu ihnen stößt ungeplanterweise die junge
Botanikerin Kitty Finch, die bereits zum Zeitpunkt der Anreise der Familien den Pool okkupiert. Das Urlaubsidyll wird zur Kulisse für die
Flucht aus dem Alltag und zur Flucht voreinander; nichts oder nur wenig Substanzielles wird ausgesprochen, das Wesentliche bleibt meist ungesagt.
Mit Kittys Anwesenheit, ihrem (vermeintlichen oder tatsächlichen) Eindringen und ihrer quasi-Manic Pixie Dream Girl-Nichtkonformität
wird Verschüttetes an die Oberfläche gespült, alte Risse werden sichtbar. Deborah Levy lässt im Verlauf des Romans die
Erzählperspektive zwischen jener einer allwissenden Erzählerin und den Innenansichten der ProtagonistInnen oszillieren. Der Effekt
ist ungewohnt. Spannend ist, wieso sie der Flüchtigkeit von Erinnerung und den Mechanismen von Gedächtnis und Verdrängung auf die
Spur zu kommen versucht. Leider erweist sich die deutschsprachige Übersetzung gegenüber der englischsprachigen Originalfassung
(beinahe naturgemäß) als vergleichsweise sperrig. Die Originalfassung „Swimming Home” firmierte 2012 im Finale des Man
Booker Prize 2012.
Daniela Rader
Deborah Levy: Heim schwimmen. Roman. Übersetzt von Richard Barth. 168 Seiten, Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2013 EUR 18,40
Das was notwendig ist, muss auch möglich sein. Der Roman handelt von der entschlossenen Studentenbewegung der 68er Jahre in Berlin und
ihrem Klima (Vietnam, Erschießung Benno Ohnesorgs, Schahbesuch, Notstandsgesetzgebung, Polizeirepression usw.). Im Mittelpunkt steht
Philip S., Sohn einer Schweizer Industriellenfamilie, der als Student der Filmakademie die Welt zunächst durch Kunst (Film)
verändern möchte, dann durch politische Agitation, und der schließlich in den Untergrund geht, um aktiver Teil der
„Bewegung 2. Juni” zu sein. Wohngemeinschaftsleben mit Kinderladen und Taxiführerschein bleiben auf der Strecke. Er wird
Arbeiter an der Stanze eines Kölner Industriebetriebes, um die ArbeiterInnen von einer besseren Welt zu überzeugen. Er beteiligt
sich an illegalen Geldbeschaffungsaktionen, um die Veränderung der Welt zu beschleunigen. 1975 wird er bei einem Schusswechsel,
ausgelöst durch eine zufällige Polizeikontrolle, erschossen. Die Ich-Erzählerin versucht als Lebensgefährtin seine
Beweggründe zu begreifen, welche Motivationen ein politischer Anspruch hervorrufen kann, aber auch die Hindernisse oder eigenen
Widersprüche, warum genau dieses keine generelle Alternative z.B. für sie als Alleinerzieherin ist. Das Buch geht den Fragen
nach, was kann ich verantworten, was hindert mich, wie ernsthaft möchte ich mich und die Welt verändern. Bis zur letzten Seite
ein spannendes Plädoyer, für einen der kommt, verschwindet, und dann eine unangenehme Leerstelle hinterlässt.
ML
Ulrike Edschmid: Das Verschwinden des Philip S. Roman. 157 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2013 EUR 16,50
Die Autorin ist 1932 geboren, hat die Kindheit in Reval (heute Tallinn, Estland) verbracht. Früh beginnt das Reisen: Erst aufs Land
– „Aufs Land!” – mit dicken Körben, dann über Ostpreußen nach Berlin und München, schließlich
zurück. Ab 1939 ist die Familie in Posen (Poznan, Polen), „Heim-ins-Reich-gekehrte” Umsiedler deutsch-baltischer Herkunft. Sie
leben in der Wohnung einer delogierten polnischen Familie. Es folgt die Flucht nach Bayern, Bad Kissingen, schließlich gibt’s nach
dem Krieg ein Visum für Kanada, Alberta – der Onkel lebt dort seit langem.
Als junge Person erhält sie den ersten Ferienjob, sie wird Zimmermädchen in der kanadischen Wildnis, wo sie sogar irgendwann einem
Bär begegnet. Sie jobbt neben dem Studium, hat einen ersten Freund und später dann grillt sie im Schnee. Sehr warm, akribisch und
facettenreich sind die erzählten Gerüche, Geschmäcker, Gespürtes, Erfühltes, Gehörtes, Unerhörtes, Bilder,
Ereignisse – Stück für Stück Erinnerung, dann erst gibt es sie.
Diane Branellec
Maria Bosse-Sporleder: Im fünften Koffer ist das Meer. Roman. 154 Seiten, Libelle, Lengwil 2013 EUR 19,35
Über vier Generationen hinweg erzählt Gisela Stelly die Geschichte zweier Familien im Spiegel der Zeit: Nationalsozialismus,
Wiederaufbau, Vietnamkrieg, Studierendenbewegung, „Rote Armee-Fraktion”, Mauerfall bis zum Attentat auf die Twin Towers.
Die beiden Hauptfiguren sind zwei im Jahr 1924 geborene Männer, die sich das erste Mal in der Hitlerjugend begegnen und fortan
schicksalhaft miteinander verbunden bleiben. Schon am Beginn werden ihre unterschiedlichen Charaktere herausgearbeitet: der stille,
bücherliebende Anton Bluhm, der, als ihm Franz Münzer sein Buch „Moby Dick” aus der Hand schlägt, diesen
todesmutig angreift und der sportbegeisterte Franz, der in Anton daraufhin einen Erleuchteten mit Führerqualitäten sieht
Während die Münzers mit „Nazigold” ihren Reichtum begründen, verliert Anton Bluhms Vater seine Papierfabrik
und sein Haus, weil er Anteilscheine für die industrielle Herstellung von Gold gekauft hat, und arbeitet fortan im Außendienst
für eine Druckerei. Nach dem Krieg findet Franz Münzers Vater schnell zurück in die Gesellschaft und macht gemeinsam mit
seinem Sohn Franz ein Vermögen. Anton arbeitet zunächst für die Briten und übersetzt englische Artikel, um später
ein erfolgreicher Verleger zu werden. Zeit seines Lebens schreibt er an seiner Chronik „Vom Untergang des Volkes der Dichter und
Denker”.
Das Buch handelt von Liebe und Freundschaft, Wunderglauben und Allmachtsphantasien, Geldgier und Macht. Es ist in einem unaufgeregten,
klaren Stil geschrieben, die Spannung bleibt über 400 Seiten erhalten.
vab
Gisela Stelly: Goldmacher. Ein Familienroman. 415 Seiten, Arche Literaturverlag, Zürich-Hamburg 2012 EUR 25,70
„ ... ich suchte die Spur (des Tons; Anm.), denn einen Abdruck muss er ja hinterlassen in der hohlen Bahn, durch die ein solcher Ton
gewordener Rest einer Stimme unter Umständen jahrelang rollt und kollert ...”. In der geschlossenen Form einer Novelle von 101 kleinen
Seiten bewegt sich dieses dichte, sprachgewaltige Debut von Saskia Hennig von Lange über den Wächter eines Anatomiemuseums. Am Beginn
erhält er die Diagnose seiner unheilbaren Erkrankung und des nahen Todes, er hat also nicht mehr viel Zeit seine handlungsantreibende Frage
zu ergründen, wo sich im Innenohr die Sätze einnisten, die man ein Leben lang nicht mehr los wird. In der Ich-Perspektive durchschreitet
er das Museum, in dem er auch wohnt, das ihm – so stellt sich schließlich heraus – gehört. Hier drinnen kann er
weltabgewandt sezieren, „ ... 300 Innenohren, das wird bleiben von mir, das werde ich einmal hinterlassen ...”. Die Totenmaske von
Robespierre, die „Beischläferin”, anatomische Zeichnungen, „eine ganze Schublade voller Knie und Hüften und
Ellenbogen” leiten seine philosophischen Gedanken über das (körperliche) Sein, Vergehen, Konservieren, Beschreiben und die
„Bedingung des Moments”. „Draußen” und eigentliches Zentrum sind schließlich die Geräusche, die die
„Untendrunterwohnerin” macht, auf die er seine unerfüllten Wünsche richtet. Die langen, labyrinthartig verschlungenen
Sätze mit vielen Nebensätzen, die immer wieder zum Thema zurückkommen und es dabei jeweils etwas verschieben, führen immer
tiefer in diese Gedankenwelt, in stetig enger werdenden Kreisbewegungen in der Form des geschilderten Innenohrs.
mel
Saskia Hennig von Lange: Alles, was draußen ist. Eine Novelle. 116 Seiten, Jung und Jung, Salzburg-Wien 2013 EUR 16,90
Fußballspielende Frauen sind in Deutschland anno 1970 eine Seltenheit – zumindest in der Öffentlichkeit. Ihnen ist die
Nutzung von Vereinsplätzen und -strukturen untersagt. Susi und einige Freundinnen weichen auf eine Wiese aus, um dennoch ihrer Leidenschaft
nachzugehen: dem Fußballspielen. Doch niemand darf davon erfahren, nicht die Ehemänner, nicht die Väter, nicht die Brüder.
Was als simples Treffen, um Spaß zu haben, beginnt, entwickelt sich zu einem beharrlichen und erfolgreichen Kampf um Anerkennung einer
Sportart, die lange eine Männerdomäne war. Gleichzeitig lebt Susi mit Gerda, einer kickenden Freundin, ihr lesbisches Begehren aus.
Gerda ist es auch, die Susi anspornt, ihren tristen Alltag zu hinterfragen, das so selbstverständliche Herumgescheuchtwerden vom Chef,
Putzen, Kochen und Bedienen von Vater und Bruder. Und Susi begibt sich auf die Suche nach Erinnerungen an ihre Mutter, die wegging, als sie zehn
war. Gekonnt sendet Elke Weigel ihre Hauptfigur Susi auf eine emanzipatorische Reise, die geprägt ist vom inneren Kampf um das Ausbrechen
aus gesellschaftlichen Unterdrückungsstrukturen und Fußballspielen als Mittel zum Zweck werden lässt, die eigenen Stärken
zu erkennen.
Meropi Tzanetakis
Elke Weigel: Fußballtöchter. Roman. 248 Seiten, Querverlag, Berlin 2012 EUR 15,40
Kristalle wiederholen in ihrer Gleichmäßigkeit immer ein bestimmtes Muster. Anders verhält es sich mit Quasikristallen, bei
denen jede Zelle von einem anderen Muster umgeben ist und damit auch immer ein anderes Bild, eine andere Wahrnehmung des Kristalls liefert.
Eva Menasse übersetzt dieses chemische Phänomen ins Literarische und entwirft dabei ein facettenreiches Bild der Protagonistin Xane,
das aus zwölf Perspektiven, die je einer Person zugeordnet sind, erzählt wird. Menasse greift damit eine weitere Besonderheit der
Quasikristalle auf, die im Gegensatz zu anderen Kristallen eine zwölfzählige Symmetrie aufweisen können. Doch Menasse geht noch
einen Schritt weiter und ergänzt eine weitere Perspektive, in der sie Xane als Ich aus dem Status der Beschriebenen heraustreten lässt.
Die Vielschichtigkeit der einzelnen Erzählstimmen spiegelt dabei auch die Vielschichtigkeit der Protagonistin* und ihrer verschiedenen Rollen
im Laufe ihres Lebens wider. Wie bei einem Kristall werden so auch die Ecken und Kanten von Xane sichtbar und wie sie die Menschen, die ihr im
Laufe ihres Lebens begegnen, berührt hat. Trotz dieser vielen Perspektiven bleibt der Roman dabei in sich stimmig und besticht durch eine
klare Sprache und bissige Kommentare, mit denen Menasse auch in ihren vorangegangen Romanen brilliert hat.
Ulli Koch
Eva Menasse: Quasikristalle. Roman. 432 Seiten, Kiepenhauer & Witsch, Münster 2013 EUR 20,60
Die alleinerziehende Altenpflegerin Lena ist in den 1990er Jahren aus Russland immigriert und wohnt in der Nähe des Berliner
Alexanderplatzes. Sie wirkt abgekämpft, die Verheißungen ihrer Jugend haben sich nicht erfüllt: „Mit Siebenmeilenstiefeln
habe ich etliche Grenzen und Gräben überquert ... und nun bleibe ich immer öfter stehen und schaue zurück.” Langsam
in die Gegenwart geflochten und in wunderschöner ruhig fließender Bildsprache erschließen sich Teile Lenas Geschichte und derer
die ihn kreuz(t)en: ihr Weg immer weiter in den Westen, die Kindheit in der russischen Provinz, der Umzug in eine Kleinstadt im Kaukasus, die
Studienzeit in Leningrad, die Migration nach Berlin mit ihrer Studienliebe Schura, dem unsteten Vater ihrer mittlerweile halberwachsenen Tochter
Marina. Einer von Lenas Klienten ist Herr Seitz, Ostberliner und ehemaliger Journalist. Die beiden mögen sich und über ihre
Annäherung rückt auch Herrn Seitz’ Lebensgeschichte in den Fokus. Im Wechselspiel zwischen Gegenwart und Vergangenheit entsteht
so nicht nur eine Geschichte über das Überbrücken „peinlicher Einsamkeit”, wie es Lena nennt, sondern auch über
die Verwobenheit der Erinnerungen zwischen Deutschland und Russland. Veremej muss ihre Charaktere sehr gerne haben, so tiefgehend und zugleich
behutsam leuchtet sie diese aus. Ein außergewöhnliches und berührendes Buch, kunstvoll verschachtelt erzählt, das bald wieder
gelesen werden will.
soe
Nellja Veremej: Berlin liegt im Osten. Roman. 318 Seiten, Jung und Jung, Salzburg-Wien 2013 EUR 22,00
Am Flur des Frankfurter Gerichts sinkt ein Mann langsam in sich zusammen. Die Dolmetscherin, die zufällig vorbeikommt, beugt sich
über ihn, bietet ihm ein Glas Wasser an. Der Mann, Heiner, ist aus Wien hierhergekommen, um gegen die Männer auszusagen, die in
Auschwitz gequält und getötet haben. Lena, die Gerichtsdolmetscherin und Übersetzerin verliebt sich in diesen Mann, der für
sie so schwer begreifbar ist. Die Liebe zu seinen Freunden aus dem Lager macht sie eifersüchtig, sein Lachen bei manchen Erinnerungen findet
sie unpassend; als sie gemeinsam einen alten Freund besuchen, versteht sie nicht, wieso sie bei dessen Erzählungen über Auschwitz weiter
essen soll. „Die Geschichte ist lang, sagte Heiner. Du könntest verhungern. Die Männer amüsierten sich, lachten den
Lagerhunger … aus.”
Monika Held beschreibt in ihrem neuen Roman nicht nur den grausamen Alltag in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, sie bringt auch
die Absurdität der NS-Täterstaaten anhand des Prozesses gegen die Täter auf den Punkt. Die Mörder können im Gerichtssaal
sitzen und den Opfern frech ins Gesicht grinsen: Konsequenzen, die auch nur annähernd lindern könnten, was sie den Menschen angetan
haben, haben sie nicht zu befürchten.
Doch der Hauptstrang des Romans bezieht sich auf das Überleben und das Leben mit Überlebenden. Auschwitz ist immer anwesend in der
Beziehung von Heiner und Lena. Das Hochzeitsalbum steht neben dem Lager-Album, Verabschiedungen sind für Heiner nicht möglich, in
jedem kleinen Gegenstand, der für Lena nichts bedeutet, kann Auschwitz lauern.
Die Erzählung beruht auf der tatsächlichen Lebensgeschichte eines Mannes, den die Autorin kennengelernt hat. Mit bewundernswertem
Einfühlungsvermögen hat sie seine und die Lebensgeschichte vieler anderer in diesen unbedingt lesenswerten Roman einfließen
lassen.
Paula Bolyos
Monika Held: Der Schrecken verliert sich vor Ort. Roman. 271 Seiten, Eichborn, Köln 2012 EUR 20,60
Lolita ist wohl eine der berühmtesten Verführerinnen der Literatur. Und Sara Stridsberg verführt mit ihrer Adaption dieses
Klassikers. Nein, Adaption ist das falsche Wort. Sara Stridsberg ERSCHAFFT Lolita – als Kind, als junge Frau, als Mutter, als Täterin,
als Opfer, als Mensch. Losgelöst in einer Vergangenheit, die sprachlos macht – und doch so klar zum Ausdruck kommt. Um sich schlagend
und gleichzeitig apathisch in einer Gegenwart, die ebenso böse wie schön ist. Gefangen in einer Zukunft, die einer verschmierten
Kohlestift-Skizze gleicht. Wer eine Aufarbeitung des vielbemühten Stoffs um die kindliche Verführerin, um das männerfressende
Mädchen aus der vielzitierten „weiblichen Perspektive” erwartet, wird enttäuscht. Wer bereit ist, sich auf den Stil der
Autorin einzulassen, wird eine sprachgewaltige, umwerfende, schockierende, bedrückende, fesselnde, erregende und schmerzhafte Geschichte
erleben. Die Leserin bleibt erstaunt zurück. Nichts ist klar, nichts eindeutig, nichts wird erklärt. Weder das Verhältnis zwischen
Frauen und Männern, noch die Liebe, das Leben oder die Lust.
Eva Kristina Miklautz
Sara Stridsberg: Darling River. Doloresvariationen. Roman. Übersetzt von Ursel Allenstein. 330 Seiten, S. Fischer Verlag,
Frankfurt/M. 2013 EUR 22,70
Jbara ist arm und wohnt mit ihrer Familie in einem Dorf im Maghreb, „am Arsch der Welt”, in einem Ziegenlederzelt. Ihr Alltag ist
schmutzig und elend, das Glück ist süßes, rosa Granatapfeljoghurt. Im Grunde ist hier alles haram, alles verboten, alles
Sünde. Selbst über heißes Wetter zu klagen ist Sünde, denn das Wetter hat Allah gemacht. Da brauchen wir gar nicht
darüber zu reden, woher das Joghurt kommt – vom Vögeln mit Miloud nämlich, einem stinkenden alten Hirten, dessen Arsch
noch nie Wasser gesehen hat, der grunzt wie ein Schwein und schwitzt wie ein Kamel. „Bäh!” brauchen wir jetzt auch nicht
denken: „Ich werde keine Poesie hineinlegen, wo keine ist. Ich habe Ihnen ja gesagt, dass ich arm bin. Das Elend stinkt nach
Arsch.”
Die schlimmste aller Sünden ist es, keine Jungfrau mehr zu sein. Für eine schwangere 16-Jährige kommt das einem Todesurteil
gleich, also verlässt Jbara das Dorf. Hilfreich dabei ist ein rosa Koffer, der vor einigen Tagen vom Dach eines Busses und ihr direkt
vor die Füße gefallen ist. Mit ihm und dem Einsatz ihres Körpers macht sie sich auf in ein neues Leben. Sie schafft den
„sozialen Aufstieg” vom Dienstmädchen zur Gespielin eines Scheichs, um dann nach dem Verlust von zwei Zähnen und
einem Gefängnisaufenthalt ein drittes Leben zu finden.
Der Roman ist ein schonungsloser Lebensbericht einer Nordafrikanerin, die furchtlos an patriarchalen Verhältnissen rüttelt. Und
dann ist er ein Gebet und damit eine Auseinandersetzung mit Religion. Und Allah der einzige, der immer zuhört und eigentlich immer da ist.
Jenny Unger
Saphia Azzeddine: Zorngebete. Roman. Übersetzt von Sabine Heymann. 120 Seiten, Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2013 EUR 17,40
Der etwas alltagsmüde Literaturprofessor Kurt Schwemmers hat ein neues Projekt: sich an der Semperoper in Dresden an vier Sonntagen in
Folge von Wagners Tetralogie „Der Ring des Nibelungen” in andere Welten entführen lassen. Dazu lädt er gemeinsam mit seiner
Frau Eva befreundete Paare zum nachmittäglichen Schmaus samt Vor- und Nachbesprechung ins Elbschlösschen mit anschließendem
Opernbesuch. Bald schwelgen die Paare aber nicht mehr selig in Wagners Klangwolken, sondern der Opernbesuch wird zum Auslöser komplexer
zwischenmenschlicher Dynamiken unter den Handlungsfiguren.
KennerInnen von Wagners „Ring” wird dieses Buch an vielen Stellen ein Schmunzeln oder auch herzhaftes Lachen hervorlocken, etwa wenn
Nohr die vier Teile in Aufsätzen von SchülerInnen nacherzählen lässt. Aber auch ohne spezifische Opernkenntnisse ist dieser
oft locker-flockig erscheinende Roman ein Gewinn, der sich vor allem dem psychologischen Tief- und Feinsinn der Autorin verdankt. Die
unterschiedlichen Charaktere erleben emotionale Berg- und Talfahrten, werden auf ihre innersten Wünsche, Träume und Begierden
zurückgeworfen und müssen sich ganz grundsätzlichen Lebensfragen stellen: was hält eine Beziehung zusammen? Was macht mich
glücklich? Wie soll mein Leben eigentlich aussehen? Empfehlenswerte Lektüre pünktlich zum Wagner-Jahr 2013.
Kordula Knaus
Karin Nohr: Vier Paare und ein Ring. Roman. 318 Seiten, Knaus, München 2013 20,60 EUR
An einem Silvesterabend, der gleichzeitig ihr Geburtstag ist, verlässt Vera ihr Zuhause, ihren Mann und ihren erwachsenen Sohn, klaut den
Ausweis einer fremden Frau und fährt nach London, wo sie versucht, ein neues Leben zu beginnen. In ihrer Heimatstadt ist man ratlos: der
Ehemann, der früher ihr Pflegevater war, bis die Pflegemutter starb; Friedrich, der Freund aus Kindertagen, der nach einer erfolgreichen
Karriere im Ausland reich, aber allein zurückkommt, um das Familiengeschäft weiterzuführen sowie seine Schwester Meret, die von
Escortgirl bis Würstlstandbesitzerin so einiges gemacht hat in ihrem Leben, das sie nun aber doch neurotisch und ziellos nach Hause
zurück gebracht hat. Mit Fassung trägt Veras Sohn Jo ihr freiwilliges Verschwinden und fährt erst mal ein paar Monate zur See,
dann will er studieren. Seine Zukunft steht ihm noch offen, während alle anderen ProtagonistInnen ihren Wünschen nach einem
erfüllten Leben hinterherlaufen, ohne dieses jemals zu finden. Veras Jugendtraum vom Schauspielern ist ein Traum geblieben und auch London
macht keine andere aus ihr: „Ich hätte schreien können müssen, ohne zu schreien, lächeln ohne zu lächeln oder
weinen ohne zu weinen. Ich kann aber nur leben ohne zu leben.” Und dennoch, als Vera schließlich zurückkehrt, ist nichts mehr
so, wie es vorher war.
ESt
Judith Kuckart: Wünsche. Roman. 301 Seiten, DuMont Buchverlag, Köln 2013 EUR 20,60
Die Sowjetunion in den sechziger Jahren. Antonina, eine ledige Mutter, und ihre kleine Tochter Susanna teilen sich in Leningrad eine
Gemeinschaftswohnung mit drei alten Frauen, die sich um Susanna kümmern wie um ein eigenes Enkelkind. Antonina kann so weiter in der
Fabrik arbeiten, ohne ihr stummes Kind dem sowjetischen Erziehungssystem überantworten zu müssen, und die drei Babuschki lassen
Susanna neben Geborgenheit und Fürsorge denn auch eine ganz und gar nicht systemkonforme Erziehung angedeihen. Doch zunehmend beginnt
das System sich in die Lebenswelt der Frauen einzumischen, die Situation wird gefährlich. Da nehmen die Babuschki unbeeindruckt den
Kampf auf.
Lebensnäher als jedes Geschichtsbuch vermittelt der Roman einen Eindruck der sowjetischen Verhältnisse in jenen Jahren. Abseits
von trockenen historischen Tatsachen lässt er die Leserin hautnah spüren, was es bedeutete, in dieser Gesellschaft zu leben, worin
subtile Repressionen, Gefahren und Ängste bestanden, wie klein die Handlungsspielräume waren, was die Macht des Apparats für
den einzelnen Menschen bedeutete. Heruntergebrochen auf ein konkretes Schicksal ist das Buch gleichzeitig Grundlagenkursus in Sowjetgeschichte,
vor der sich ein Kampf David gegen Goliath vollzieht. Leserinnen mit Vorkenntnissen in russischer Geschichte und Kultur werden die vielen
Anspielungen und Verweise schätzen, allen anderen werden die beigefügten Anmerkungen der brillanten Übersetzerin Dorothea
Trottenberg die Lektüre bereichern.
Helga Lackner
Elena Chizhova: Die stille Macht der Frauen. Roman. Übersetzt von Dorothea Trottenberg. 288 Seiten, dtv, München 2012 EUR 15,40
Auserkoren fühlt sich Lina Lorbeer, als sie am Institut für Gedankenkunde und Verstehen aufgenommen wird, will sie sich hier doch,
inmitten ihres kargen Zimmers, nicht nur ganz vom Geist nähren, sondern auch retten, „was in den Hörsälen vom Geist
übrig blieb”. Hohe Erwartungen, in die sich bald Zweifel mischen, denn nach und nach entdeckt sie Widersprüche in den Aussagen
der Professor_innen, und muss erkennen, dass zu hinterfragen Ermahnungen bringt und dass sich hinter dem wohlklingenden Namen des Instituts ein
System verbirgt, dem es um die reine Selbsterhaltung geht. Eine Konformität des Denkens, mehr Gedankenpflege denn Gedankenkunde. Die Autorin
webt beinahe mehr Melodie als Text, verankert die Protagonistin in deren Kindheitserinnerungen, Träumen und eben Einbildungen, denen mit
kühler Sachlichkeit das Institut gegenübersteht. Ob Lina letztlich Raum findet für ihr eigenwilliges Bemühen um das Wahre,
das Eigene in ihren Gedanken, lohnt es sich selbst herauszufinden.
bw
Andrea Winkler: König, Hofnarr und Volk. Einbildungsroman. 192 Seiten, Paul Zsolnay Verlag, Wien 2013 EUR 19,50
Zofka Kveder (1878–1929) war eine der ersten slowenischen Schriftstellerinnen. In ihren Kurzgeschichten und Gedichten setzte sie sich
von Beginn an immer wieder kritisch mit den Themen Ehe und Mutterschaft auseinander und stellte Frauenschicksale in den Mittelpunkt der Handlung.
Im Drava Verlag liegt nun Kveders erster Roman „Ihr Leben” aus dem Jahr 1914 vor, der die Geschichte der jungen Tilda erzählt,
die aus ökonomischen Gründen mit dem Gutsverwalter Roman verheiratet wird. Schon bald zeigt dieser sein wahres Gesicht: er ist
verantwortungslos, alkohol- und spielsüchtig und lässt Tilda mit allen Verpflichtungen allein. Ein Schicksalsschlag ereilt den anderen,
auch eine kurzfristige Trennung Tildas von ihrem Ehemann vermag nicht, die unglückliche Verbindung zu lösen. Als schließlich auch
Tildas Sohn ganz nach dem Vater zu geraten scheint, sieht sich die völlig verzweifelte und zerstörte Tilda zu einem radikalen Schritt
gezwungen...
„Ihr Leben” gilt heute als formal wie inhaltlich bemerkenswertes Werk der slowenischen Moderne – toll, dass es mit der
Übersetzung von Katja Mihurko-Poniž nun auch deutschsprachigen Leser_innen zugänglich gemacht wurde.
Jana Sommeregger
Zofka Kveder: Ihr Leben. Roman. Übersetzt von Katja Mihurko-Poniž. 258 Seiten, Drava Verlag/Založba Drava, Klagenfurt 2013 EUR 21,00
Der Anfang des Romans ist ein Ende, das Ende einer Beziehung. Ein Streit, für den es keine Lösung geben kann. Er geht. Sie will,
dass er geht, doch eigentlich will sie, dass er sich für sie entscheidet - was er nicht will, sich entscheiden. Eine Pattsituation, die
Maja mehrere Monate lang gut ausgehalten hat. Kennengelernt hat sie Nathan auf einer Party und ihn dann zufällig wieder getroffen. Der Sex
war heiß wie die schwirrende Hitze über Tel Aviv. Es wird zur Gewohnheit, dass Maja täglich bei Nathan übernachtet, nur
nicht am Wochenende, da hat er nie Zeit. Maja hinterfragt das nicht weiter. Sie hat jede Menge zu tun mit ihren Eltern, die sich mit Ende Sechzig
scheiden lassen. Richtig kompliziert wird es, als Maja eines Wochenendes beschließt, Nathan zu besuchen und so vor die Frage gestellt wird,
ob sie mit dem Platz, den sie in seinem Leben hat, zufrieden sein kann.
Die Zeit fließt dahin und das Leben steht doch irgendwie still. Ende der 1990er Jahre erschien Yael Hedayas Roman im Original. Geändert
hat sich seither, dass Anrufbeantworter eine Rolle in Romanen spielen. Nicht geändert hat sich, dass Liebesbeziehungen kompliziert sind und
kein Happy End doch irgendwie eines sein kann.
ESt
Yael Hedaya: Alles bestens. Roman. Übersetzt von Ruth Melcer. 160 Seiten, Diogenes, Zürich 2013 EUR 13,30
Der Bauer Ferdinand ist alt geworden und lebt mittlerweile allein auf seinem großen Bauernhof. Als das renovierungsbedürftige Haus
der Nachbarin Marceline nahezu unbewohnbar wird, fasst Ferdinand den Mut ihr anzubieten, in ein Zimmer in seinem Haus zu ziehen und auch ihre
Tiere mitzubringen. Nach und nach finden sich immer mehr neue MitbewohnerInnen für die leeren Zimmer.
Barbara Constantine erzählt in ihrem Roman liebevoll die Entstehung einer Mehrgenerationen-WG im ländlichen Raum irgendwo in Frankreich.
Nett und leicht geschrieben, jedoch für meinen Geschmack etwas zu nett und vorhersehbar. Die Charaktere bleiben flach und für jede
etwaige Schwierigkeit findet sich schnell eine Lösung. So wird das eigentlich spannende Thema vom Zusammenwohnen mehrerer nicht-verwandter
Generationen nur wohlwollend oberflächlich bearbeitet.
Sara John
Barbara Constantine: Und dann kam Paulette. Roman. Übersetzt von Ina Kronenberger. 320 Seiten, Kindler, Reinbek bei Hamburg 2013 EUR 20,60
Der Roman begleitet die hübsche und beliebte Moskauerin Ada auf ihrem Lebensweg, der sie durch eine bewegte Epoche führt. Gleichsam
im Schnelldurchlauf und in einer beinahe distanzierten Weise, die sich kaum in Details verliert oder die Mühe macht, ihrer Hauptfigur
Komplexität zu verleihen, schildert Viktorija Tokarjewa die Liebesbeziehungen ihrer Protagonistin zu Männern, wie sie unterschiedlicher
nicht sein könnten: Ossja, der ehrgeizige Urologe, Leonard, der KGB-Agent, und schließlich Swerjew, der unangepasste Künstler und
Bürgerrechtler. Das Talent Adas, die von sich selbst sagt, sie liebe nicht die Funktion eines Menschen, sondern den Menschen selbst, scheint
vor allem in der Anpassung an die wechselnden politischen wie gesellschaftlichen Verhältnisse zu bestehen.
Interessanter als der Weg und die Person Adas ist jener Abschnitt der russischen Zeitgeschichte, der lakonisch wie treffsicher anhand konkreter
Ereignisse und Personen miterzählt wird. Politische Verhältnisse und gesellschaftliche Umwälzungen – von sowjetischer
Repression über die Zeit der Perestroika bis zum Einzug des Kapitalismus in seinen unschönsten Ausprägungen – bilden den
bewegten Hintergrund des Romans. Sie sind die eigentlichen Hauptdarsteller dieses Textes, dem das Schicksal Adas nur als Vorwand zu dienen
scheint. „Lieben und geliebt zu werden” als bedingungsloser Inhalt eines weiblichen Lebensweges mutet dagegen etwas naiv und
bemüht abgeklärt an.
Helga Lackner
Viktorija Tokarjewa: Leise Musik hinter der Wand. Roman. Übersetzt von Angelika Schneider. 176 Seiten, Diogenes, Zürich 2013 EUR 20,50