SachbuchAktuelle Ausgabe: Sachbuch

Ihr Prinzip hieß "Einmischung"

Johanna Dohnal hat also ihre Reden nicht selbst geschrieben – ich bin ein bisschen enttäuscht. Allerdings „’lieferte’ [sie] die Reden [auch] nicht einfach ‚ab’”. Sie griff vielmehr spontan in die Texte ein, wenn es die Situation erforderte – ich werde neugierig. Die Texte des politischen Lesebuchs stammen aus dem Johanna Dohnal Archiv. Es handelt sich dabei um Manuskripte, die gelegentlich von ihr mit handschriftlichen Kommentaren versehen worden waren. Da wir keine Audio-Mitschnitte ihrer Reden haben, müssen wir mit dem vorlieb nehmen, was sie uns hinterlassen hat. Es sind ihre klaren Gedanken, ihr ungemein weit vorausschauender Blick in die Zukunft und ihr untrüglicher Sinn für die politische Realität. Das Lesebuch zeigt all dies dank eines genialen Formats. Die Herausgeberinnen hatten die Idee, Dohnals Reden in den Kontext aktueller Texte zu stellen. Dafür wurden namhafte Autorinnen wie Birgit Sauer, Maria Mesner, Heidi Niederkofler, Ingrid Mairhuber, Irmtraut Karlsson, Claudia Schneider und Renate Tanzberger, Irmgard Schmidleithner und Nani Kauer, Monika Mayrhofer und Eva Kreisky gewonnen. Durch sie alle ist das Buch zu dem geworden, was es ist: ein politisches Lesebuch, das vor allem eines deutlich macht: die Themen von gestern sind die Themen von heute und morgen. „Das Prinzip heißt ’Einmischung’. Es gibt keine Frauenthemen in der Politik, wenn wir sie nicht dazu machen” (aus: „Mein Prinzip heißt ’Einmischung’”, Rede Johanna Dohnals zum 25. März 1992). Regine Allgayer
 
Johanna Dohnal. Ein politisches Lesebuch. Hg. von Maria Mesner und Heidi Niederkofler. 294 Seiten, Mandelbaum Verlag, Wien 2013 EUR 19,90

zum Seitenanfang springen

Bestandsaufnahme Feminismus

Ursula Caberta zeigt an unterschiedlichen Fallbeispielen auf, wie weit die heutige Gesellschaft noch immer von einer Gleichstellung von Frauen und Männern entfernt ist, auch wenn es längst gesetzliche Regelungen zur Gleichberechtigung gibt. Forderungen wie „gleicher Lohn für gleiche Arbeit” sind immer noch nicht erfüllt: Frauen werden für die gleiche Arbeit immer noch schlechter bezahlt und arbeiten häufig in Teilzeitbeschäftigungen. Heranwachsende Frauen sind in und durch die Medien, wie Caberta es an TV-Sendungen und Moderatorinnen wie Heidi Klum zeigt, immer noch mit dem perfekten Körper mit perfekten Model-Maßen konfrontiert. Was nach der kritischen und zum Teil schonungslosen Bestandsaufnahme zu tun bleibt, ist – aus Sicht der Autorin – die Forderungen aus der Ersten Frauenbewegung wieder zu beleben: „Rafft Euch empor! Organisiert Euch!” Das Buch nimmt ausschließlich die bundesdeutsche Situation als Ausgangslage, ist voll von Hinweisen auf die bundesdeutsche Parteienlandschaft, Gesetzgebung sowie auf die bundesdeutschen (Frauen-)Organisationen und Verbände. Daher für Leserinnen ohne spezifisches Detailwissen dazu nur bedingt zu empfehlen. Bente Knoll
 
Ursula Caberta: Schwarzbuch Feminismus. Vom Mythos der erreichten Gleichberechtigung. 174 Seiten, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012 EUR 18,50

zum Seitenanfang springen

Vorsicht Falle

Militante, selbsternannte „LebensschützerInnen” breiten sich auch in Europa rapide bis nach Russland aus, um den Schwangerschaftsabbruch wieder zum Verbrechen zu machen. Fanatische Laien arbeiten hier mit der Unterstützung von Geistlichen aus dem katholischen wie auch evangelikalen Christentum. Sie sind teilweise, trotz ihrer Radikalität und ihrer Praktiken in diesen Gemeinschaften bestens eingebunden und erhalten so auch ihre Spendengelder. Das Internet bietet sich als Ort des Wortes und der Hetze gegen Frauen, FeministEN, MarxistEN, Linke, etc. an. Die Anzahl einschlägiger Websites explodiert regelrecht und auch Facebook wird massiv als Werkzeug genutzt. Vor medizinischen Einrichtungen, die neben anderen Leistungen auch Schwangerschaftsabbrüche anbieten, sind seit ca. 15 Jahren „fanatische religiöse DemonstrantInnen” tätig, die gegen alle Frauen im Bereich dieser Einrichtungen psychische (und zum Teil auch tätliche) Gewalt ausüben, auch Ärzte, Personal und Securities terrorisieren und öffentlich Exorzismus betreiben. Auch die in immer mehr Städten in ganz Europa abgehaltenen Pro-Life-Märsche wie die jährlichen 1000-Kreuze-Märsche in vielen Städten der EU gehen auf das Konto der immer gleichen Vernetzungen, die weit ins Rechtsextreme reichen. Es ist also längst an der Zeit, die vielfältigen Praktiken und Taktiken, Strukturen und Vernetzungen dieser religiös verbrämten Ewiggestrigen darzustellen, wie auch den Widerstand gegen diese radikale Bewegung. Das Buch hat leider nur 94 Seiten, die aber höchst lesenswert und informativ sind! Viktoria Roth
 
Die neue Radikalität der Abtreibungsgegner_innen im (inter-)nationalen Raum. Ist die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen heute in Gefahr? Hg. vom Familienplanungszentrum BALANCE. 94 Seiten, Verein zur Förderung der sozialpolitischen Arbeit, Berlin 2013 EUR 14,00

zum Seitenanfang springen

Erstaunliche Mythen!

Ein Buch mit reißerischem Titel, gefüllt mit vielen Stories um global voran marschierende Frauen, die sich die Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts unter den Nagel reißen und schon bald auch die Führungspositionen übernehmen werden. Dies will uns die US-amerikanische Journalistin und Publizistin Hanna Rosin hier weismachen. Weil die Männer zu faul, zu unflexibel, zu bildungsunwillig sind, weil Buben sich nicht anpassen können und keine Rolemodels mehr haben (die Jungs orientieren sich nämlich nicht an ihren – womöglich alleinerziehenden – Müttern), kommen sie da nicht mehr mit. Rosin sieht sogar schon matriarchale Verhältnisse! All das, was Feministinnen in den Siebzigern und Achtzigern noch laut und deutlich als (Selbst-)Ausbeutung benannt haben, wo eine radikale Umverteilung in allen gesellschaftlichen Bereichen gefordert wurde, ist Rosin keine Bemerkung wert. Egal ob – heterosexuelle! – Powerfrau in Spitzenposition bei Google, Facebook, im Investmentsektor oder als TV-Star, oder Mädchen oder Frau aus der Unterschicht oder gar aus Asien, Rosins Frauen „derstessen” sich regelrecht im Superspagat, um Studium, Job, Mann und Kinder unter einen Hut zu kriegen. Jede ist brav für sich, individualisiert und ohne großes Mucken gegen ein menschenverachtendes System und Sexismen... Das Buch schildert, dass derzeit die Feminisierung der bezahlten Arbeit stattfindet, u.a. weil neue Jobs primär im Care-Sektor geschaffen werden. WEIL immer mehr Frauen außerhäuslich und bezahlt arbeiten. Das Aha-Erlebnis ist ausgeblieben! Viktoria Roth
 
Hanna Rosin: Das Ende der Männer und der Aufstieg der Frauen. Übersetzt von Helmut Dierlamm und Heike Schlatterer. 400 Seiten, Berlin Verlag, Berlin 2013 EUR 20,60

zum Seitenanfang springen

Radikal-Biedermeier oder Glücks–Hilfe?

Die Europäische Ethnologin Annegret Braun stellt die Befragungsergebnisse von 700 Frauen zum Thema Glück vor. Es liegt dem Buch also eine wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema zugrunde. Gleichzeitig beleben die spannenden biografischen Interviews von einigen interessant gewählten Frauen das Buch und verhindern, dass die Abhandlung ins Abstrakte hinübergleitet. Einer eher allgemein gehaltenen – und daher stellenweise recht zähen – „Annäherung an das Alltagsglück” folgen Kapitel über ganz konkrete Glückserfahrungen, die das Leben für Frauen bereit hält. Oder auch nicht. Denn Annegret Braun ist klug genug, auch dem pausierenden Glück und den enttäuschten Glückserwartungen ein eigenes Kapitel zu widmen. Das zusammenfassende letzte Kapitel ist eigentlich der Grund, warum frau das 300g schwere Buch über eine Zeit in der Tasche tragen sollte. Es handelt sich um ein fulminantes Destillat aus den Glückserfahrungen von sehr vielen Frauen und damit um eine praktikable Anleitung, wie frau das mit dem Glücklich sein ganz konkret angehen kann. Obwohl sich diese Zusammenfassung stellenweise radikal-biedermeierlich liest, macht sie dennoch tief betroffen, weil Glück offensichtlich machbar ist. Trotz seiner Längen und Tiefen ein empfehlenswertes Lehrbuch. Esther Egger-Rollig
 
Annegret Braun: Wie Frauen Glück erleben. Sachbuch. 191 Seiten, Kreuz Verlag, Freiburg im Breisgau 2013 EUR 18,50

zum Seitenanfang springen

Das doppelte Leben der Worte

Hier geht es um alles: Tod, sterben, einen nahen Menschen verlieren, auf sich geworfen sein, erinnern, trauern, eigene Pläne durchkreuzen lassen, willens sein zu verstehen, allein sein, Trost finden, andere trösten, sich mitteilen, das Leid teilen. Bärbel Danneberg berichtet über den Freitod ihres Ehemannes Julius Mende, der sich „in großer Klarheit” das Leben nahm, nachdem er sechs Tage zuvor die Diagnose einer tödlichen Krankheit bekommen hatte. Sie beschreibt die Tage zwischen Diagnose und Freitod, die ferngesteuerte Zeit danach, das langsame mit seinem Tod fertig werden, das Leben, das anders, aber doch weiter geht. Der Text ist immer wieder mit Zitaten anderer AutorInnen zum Thema Sterben, Tod, Verlassen verknüpft. Einen breiten Teil nehmen im Anschluss an den Text Bärbel Dannebergs die Nachrufe an Julius Mende ein – eine nochmalige Würdigung des Künstlers, Autors, Lehrers und Politikers. Der Maler Herwig Zens illustriert das Buch mit seinen Totentanz-Bildern und stellt ebenso Überlegungen zum Tod an. Beim Lesen klopft das Herz – was wird als nächstes passieren? Ein vorsichtiges Umblättern und in die Seite hinein Blinzeln. Werde ich es ertragen? Darf ich hier einfach so teilhaben? Wie müssen erst die Ereignisse für Bärbel Danneberg gewesen sein? „Aufschreiben heißt für mich überleben, mich schreibend von der Vergangenheit zu lösen, dachte ich. Doch je mehr ich schrieb, desto gegenwärtiger wurde Vergangenes.” Ein lebendiges Buch, mit der möglichen Nebenwirkung, sich auch mal was zum Älterwerden, zum Tod und zum Sterben zu überlegen – frei von der Leber, ohne Tabus und moralische Dünkel. Jedoch noch mehr: das Leben vor dem Tod zu leben, möglichst wild und gefährlich. Gundi Dick
 
Bärbel Danneberg: Eiswege. Nach dem Suizid des Partners zurück ins Leben. Illustriert von Herwig Zens. 176 Seiten, Promedia, Wien 2012 EUR 17,90

zum Seitenanfang springen

Frauen nach dem arabischen Frühling

Die Lektüre erweist sich als Reisebericht mit sozio-kulturellen Beschreibungen und geschichtlichen Abrissen, die mit Zitaten von Flaubert, Karl May und Rilke garniert sind. Auf dieser Reise steht das Bemühen zu ergründen, wie sich die Lage der Frauen in Ägypten, Tunesien und Marokko nach den Revolten von 2011 entwickelte. Wir erleben allerdings vielmehr eine Nilkreuzfahrt, die Besichtigung von Tempeln, Gräbern, Moscheen und Basaren, ein paar Demos und dürfen Kopftücher und Schleier zählen. Wir lesen über das Handwerk des Betens und Kämpfens, ob Frauen das Recht haben, Prüfungen im Niqab abzulegen, oder über den Vergleich zwischen Weimarer Verhältnissen und dem postrevolutionären Tunesien und über die Auffälligkeit, dass von der muslimischen Jugend alle zu den Ungläubigen auswandern wollen – nur Allah weiß warum. Die geführten Diskussionen beschränken sich auf die säkulare Mittel- und Oberschicht, auf Vertreterinnen deutscher Stiftungen. Es wurden kaum Gespräche mit bürgerlichen Frauenrechtlerinnen, religiösen Frauen oder mit Frauen aus sozial ärmeren Verhältnissen geführt. Die Bilanz: Enttäuschung, dass die patriarchalen Verhältnisse nicht einmal im Ansatz erschüttert wurden, sich die Lage verschlimmert hat. Der rückständige Islam ist mehr als die herrschenden ökonomischen Verhältnisse Ursache für die Misere. Laut Kelek könnte die Türkei Orientierung geben, da angeblich der „sozialislamische Impetus der Regierung Erdogan Teilhabe der Menschen am materiellen Fortschritt” gebracht haben soll. Diane Branellec
 
Necla Kelek: Hurriya heißt Freiheit. Die arabische Revolte und die Frauen – eine Reise durch Ägypten, Tunesien und Marokko. 240 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012 EUR 19,60

zum Seitenanfang springen

Frauenbefreiungskampf

„Widerstand und gelebte Utopie” ist das erste umfassende Buch in deutscher Sprache über die Frauenbewegung in Kurdistan. Das Buch basiert auf Interviews, die 2010 mit Kämpferinnen der Frauenbefreiungsbewegung in Kurdistan von Besucherinnen aus feministischen, antikapitalistischen und antifaschistischen Zusammenhängen in Westeuropa geführt wurden. Die Interviews wurden von einem Herausgeberinnenkollektiv aus Deutschland und Österreich als Buch herausgebracht. Es wird die Geschichte der kurdischen Frauenbefreiungsbewegung von 1968-2010 beschrieben und es werden in einzelnen Kapiteln die autonomen Frauenstrukturen vorgestellt: der „Hohe Frauenrat” KJB, die „Frauenfreiheitspartei” PAJK, die „Verbände der freien Frauen” YJA, das „Komitee der jungen Frauen, die Frauenguerilla „Einheiten der freien Frauen” YJA Star. Sie verstehen ihre Organisierung und Kämpfe als wichtige Stellung für den Freiheitskampf von Frauen weltweit. Der „Demokratische Konföderalismus” und „Aufbau einer demokratischen, ökologischen und geschlechterbefreiten Gesellschaft” wird anhand von Komitees der gemischten konföderalen Struktur KCK und (mehrheitlich) von Frauenstrukturen in Kandil, Mexmûr und Städten in Südkurdistan (im Irak) beschrieben. In zwei Gruppengesprächen zwischen Besucherinnen und Kämpferinnen, einem Beitrag der Herausgeberinnen und einem Aufruf der kurdischen Frauenbewegung werden die Bedeutung eines internationalistischen Frauenbefreiungskampfes sichtbar. Das Buch macht deutlich, dass eine autonome Frauenorganisierung und eine Frauenbefreiungsideologie notwendig und Voraussetzungen für den Aufbau einer freien Gesellschaft sind. Es gibt damit all denjenigen Frauen, Frauengruppen und -organisationen Mut, die auf der Suche nach einem Leben in Freiheit sind. Zora Roth
 
Widerstand und gelebte Utopie. Frauenguerilla, Frauenbefreiung und Demokratischer Konföderalismus in Kurdistan. Hg. vom Herausgeberinnenkollektiv. 600 Seiten, Mesopotamien Verlag, Neuss 2012 EUR 15,50

zum Seitenanfang springen

Wir alle sind aus Sternenstaub

Die junge stellare Archäologin Anna Frebel bietet eine Führung durch die Welt ihrer Wissenschaft: die Erkundung der ältesten Sterne des Universums, die vom Ursprung unserer Existenz erzählen. (Denn sie waren fast bei der Geburt dabei.) Beginnend mit einem Überblick über die Entstehung des Universums wird über das Leben und Sterben von Sternen erzählt. Dabei werden die Sterne in ihren kleinsten Teilen (Protonen/Neutronen/Elektronen) vorgestellt und in ihrem großen Auftreten im All beschrieben. Der Weg führt vorbei an den WissenschaftlerInnen, die zu all den Erkenntnissen über die Sterne beigetragen haben. Man hört von wissenschaftlichen Methoden, welche die Erforschung der Sterne ermöglichen (wie die Spektroskopie) und sieht den Lageplan unserer Milchstraße und all der anderen bekannten Galaxien. Schließlich endet die Führung bei den ältesten und metallärmsten Sternen – dem Forschungsgebiet Anna Frebels. Hier wird deren Bedeutung für das Wissen über den Ursprung der Sterne (und unserer Existenz) erläutert. All diese Informationen werden einerseits hochwissenschaftlich für Wissende bereitgestellt und andererseits für alle Laien anschaulich erklärt, sodass stets ein roter Faden vorhanden bleibt, der die Faszination der Sterne – vor allem der ältesten Sterne – und die sich daraus ergebende Erkenntnis über den Anfang allen Lebens spürbar und verstehbar macht. Barbara Hamp
 
Anna Frebel: Auf der Suche nach den ältesten Sternen. 352 Seiten, S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2012 EUR 20,60

zum Seitenanfang springen