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Lilly Axster

Die 1963 in Düsseldorf geborene Autorin und Regisseurin Lilly Axster studierte Theaterwissenschaften und Frauenforschung in München und Wien. Von 1991 bis 1996 arbeitete sie am Theater der Jugend in Wien als Regisseurin und Hausautorin. 1992 gründete sie gemeinsam mit Corinne Eckenstein das Theater FOXFIRE und inszeniert Stücke, die „thematisch … immer wieder um die Themen Sexualitäten/Gender/Queerness und strukturelle Gewalt/sexualisierte Gewalt sowie die Suche nach Lebensentwürfen und Identität allgemein [kreisen]” (www.theaterfoxfire.org).
Gemeinsam mit der Schweizer Malerin Christine Aebi hat Axster vier Kinder- und Jugendbücher herausgebracht, die alle mit dem Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet wurden: „Wenn ich groß bin, will ich FRAUlenzen” (2004), „Jenny, sieben” (2006) oder „Alles gut” (2008) und aktuell „DAS machen”. 2012 erschien ihr erster Roman „Dorn” (siehe WeiberDiwan 01/2012). Seit 1995 ist die Autorin außerdem Mitarbeiterin bei Selbstlaut, einem Verein zur Prävention von sexuellem Missbrauch von Kindern.

 

Für den Weiberdiwan hat Lilly Axster über ihr Schreiben berichtet:

Wie kommt es, dass du in so unterschiedlichen Genres schreibst?
Die unterschiedlichen Genres ergeben sich einfach. Lange habe ich hauptsächlich Theaterstücke geschrieben. Seit ich weniger bzw. derzeit gar nicht inszeniere, schreibe ich auch weniger für das Theater, einfach, weil es weiter weg ist. Zum Schreiben von Bilderbuchtexten bin ich über die Zusammenarbeit mit der Malerin Christine Aebi gekommen. Wir wollten etwas zusammen machen, das erste Mal vor richtig vielen Jahren, und da sie malt und ich schreibe, wurde es ein Bilderbuch.

Wie bist du zur Romanautorin geworden?
Manche Gedanken oder Texte schreiben sich erzählend. Lange habe ich das nur für die Schublade geschrieben, bis der Zaglossus Verlag „Dorn”, meinen ersten Roman, letztes Jahr verlegt hat. An „Dorn” habe ich sehr, sehr lange und mit großen Unterbrechungen geschrieben. Immer wieder ganz Neues versucht. Vieles verworfen. Es hat auch so lang gedauert, weil ich erst üben und mehr verstehen musste über das erzählende Schreiben. Ich tendiere dazu, alles zu viel zu finden und wieder weg zu kürzen. Das kommt vom Stücke schreiben.

Wie unterscheidet sich die Arbeit an dramatischen und Prosatexten?
Prosa fühlt sich nach wie vor noch neu an für mich. Es muss viel mehr gesagt, erzählt werden. Im Theaterstück brauche ich nichts zu beschreiben, weil alles zu sehen ist. Und weil der Raum künstlich ist. Ich kann mich ganz auf die Dialoge und die Stimmung zwischen den Zeilen konzentrieren. Manchmal, wenn ich z.B. bei einem Stück nicht weiter komme, schreibe ich in Erzählform weiter oder als Filmdrehbuch. Dann wird mir vielleicht klar, wie etwas sein könnte, und dann kann ich das Stück weiter schreiben. Oder umgekehrt. In „Dorn” kam mir lange Zeit alles viel zu beschrieben, zu ausführlich, zu episch vor. Es war und ist immer noch eine Mutfrage für mich beim Schreiben, mehr hin zu schreiben, mich mehr festzulegen. Ich lasse gerne so viel wie möglich offen, aber wenn zu viel offen ist, kann die lesende Person sich nichts mehr vorstellen, dann entstehen keine Bilder und Stimmungen. Mal sehen, ob mir das im nächsten Roman leichter fällt.

Woran arbeitest du gerade?
Ich schreibe aktuell an mehreren Sachen, u.a. auch an einem Roman und an einem Projekt, von dem ich noch nicht weiß, was es werden wird. Auch erzählend, gemeinsam mit Ezgi Erol.

ESt
 

WAS machen?

Mit „DAS machen?” haben Lilly Axster und Christine Aebi einen Gegenpol zu klassischen „Aufklärungsbüchern” geschaffen. Sie berichten aus Sicht einer Schülerin von einer (fiktiven) Projektwoche Sexualerziehung in einer vierten Klasse, darüber welche Fragen auftauchen, welche Themen besonders interessieren oder nur mit Vorsicht angesprochen werden, aber auch darüber, wie unterschiedlich sich die Kinder dem Thema Sexualität nähern, wobei es auch sein kann, dass ein Kind gar nicht mitreden will. Thematisch bleibt es nicht bei der Frage, wo die Babys herkommen, sondern geht in die Breite mit Fragen zu Körperlichkeit, Verliebtsein, Intimität, Geschlechteridentitäten, Begehren, Nacktheit, Lebensformen. Es geht um queere Vielfalt anstelle von Normen mit vielleicht noch akzeptablen Ausnahmen.
Das Buch ist kein Ratgeber, der (vermeintliche) Fakten aufzählt, sondern ein Lesebuch, das zu einer weiteren Beschäftigung mit dem Thema anregt, dafür gibt es auch noch zusätzliche Infos, Spiele, Materialien unter www.dasmachen.net. Beim Vorlesen ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte, um Fragen zu stellen und zu beantworten. Das Buch funktioniert auch deshalb so gut, weil Axster und Aebi Erfahrungen und Fragen aus Workshops, die sie im Laufe der Zeit mit Kindern gemacht haben, verarbeiten. ESt
 
Lilly Axster: DAS machen? Projektwoche Sexualerziehung in der Klasse 4c. Illustriert von Christine Aebi. 56 Seiten, deA-Verlag, Gumpoldskirchen-Wien 2012 EUR 24,50 ab 6 J.

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Tomke Wieser

A. Tomke Wieser studierte Vergleichende Literaturwissenschaft in Innsbruck und Wien. Neben der selbstgewählten Theorielastigkeit ihres Studiums schätzte sie an der sehr kleinen Innsbrucker Abteilung die Notwendigkeit, auf andere Institute ausweichen zu müssen. Wieser praktizierte ein ausgelassenes Instituts-Hopping und legte ihren Fokus auf Frauen- und Geschlechterforschung, feministische Theorien, Gender- und Queer-Theorien sowie postkoloniale Studien. In ihrer Diplomarbeit mit dem Titel „queer writing. tendenzen eines queeren schreibens am beispiel von thomas meineckes ’hellblau’” beschäftigte sich Wieser mit dem Queer-Begriff in der Literaturwissenschaft und ging der Frage nach, was ein queeres Schreiben sein und welches Potenzial ein solches im gesellschaftlichen Alltag entwickeln könnte.
2012 wurde Wiesers Arbeit im Rahmen von kritique_jeune, dem Publikationswettbewerb für queere Diplom- und Masterarbeiten, ausgezeichnet. Der Preis wird seit 2010 von kritique, dem Verein zur Förderung queer-feministischer Literatur, Wissenschaft und Kultur, in Kooperation mit dem Verlag Zaglossus vergeben und ermöglicht die Publikation der ausgezeichneten Arbeiten. In der Begründung der Jury heißt es zu Wiesers Arbeit: „[Sie] überzeugt durch eine intelligente, innovative und äußerst detailgenaue Zugangsweise zum literarischen Text sowie durch hohes Reflexionsniveau im Hinblick auf die theoretische Fragestellung. […] Queer wird von Fragen der Sexualität bzw. sexueller Orientierung gelöst und auf subversive Textstrategien, gekennzeichnet durch Ironie, Wiederholung, Reperspektivierung und Resignifikation, umgelegt; Geschlechterverhältnisse, ethnische Zuschreibungen und Genregrenzen werden dekonstruiert.” Die Studie wurde in überarbeiteter Form unter dem Titel „ Queer Writing: Eine literaturwissenschaftliche Annäherung. Mit ausgewählten Beispielen aus Thomas Meineckes ‚Hellblau’” im November 2012 im Verlag Zaglossus veröffentlicht.
Wieser ist seit 2011 „akademische Informationsexpertin”. Sie lebt und arbeitet als Bibliothekarin in Wien.

ML
 

Was vermag queere Literatur?

Diese Frage stellt sich A. Tomke Wieser in ihrer literaturwissenschaftlichen Arbeit über queere Theorien und postmoderne Ansätze. Dabei wird Thomas Meineckes Roman „Hellblau”, aus dem Genre der Popliteratur, exemplarisch nach queeren Praktiken und Strategien der Literaturproduktion befragt. Unter dem Motto „verschiedene Baustellen des gleichen Projekts” entwickelt Meinecke ethnisch und geschlechtlich markierte Identitäten, deren Grenzen und Konstruiertheit (Mae West oder Ziegfeld Girls dienen als Beispiele) zum (Gesprächs-)Thema der Hauptfiguren des Romans. Die Gewinner_in des Publikationswettbewerbs kritique_jeune betitelt ihre Zusammenstellung von Theorie und Belletristik mit „Queer Writing”. Die Jury begründet ihre Entscheidung vor allem mit der politischen Kraft der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der intelligenten theoretischen Reflexion, die eine Beschreibung von queer als subversive Textstrategie ermöglicht und den Queer-Begriff von Fragen sexueller Orientierung respektive Sexualität löst. Wieser untersucht Queer Writing in „Hellblau” anhand des Sujets der Strümpfe, Assoziationsbewegungen wie „Doing a Wo_men” oder Namedropping. Besonders die Ironie im Text veranschaulicht inhaltliche sowie formale Strukturen eines Queer Writings. Um auf die oben gestellte Frage eine Antwort mit den Worten Wiesers zu geben: „Queere Literatur hat das Potenzial, subversive Spielräume und dadurch gesellschaftliche Übereinkünfte als solche zu benennen und in weiterer Folge zu verändern.” Marlene Haider
 
Anita Tomke Wieser: Queer Writing. Eine literaturwissenschaftliche Annäherung. Mit ausgewählten Beispielen aus Thomas Meineckes „Hellblau”. 240 Seiten, Zaglossus, Wien 2012 EUR 17,95

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Susanne Gregor

Susanne Gregor ist 1981 in Zilina in der Slowakei geboren. Als ich sie besuchte, kam sie gerade aus Banská Bytrica zurück, wo noch Familienangehörige von ihr wohnen. Ihre Eltern wanderten 1990 nach Oberösterreich aus, wo Susanne und ihre Schwester dann die Schule besuchten. Ihr Vater, der bereits beruflich tätig war und Deutsch sprach, lernte mit ihr allabendlich die deutsche Grammatik, was für sie den Grundstein legte, die Gesetzmäßigkeiten der deutschen Sprache zu verstehen. Neben Tagebucheinträgen verfasste die Autorin mit 14 Jahren bereits Kurzgeschichten in deutscher Sprache. Der Wunsch Schriftstellerin zu werden, entstand in dieser Zeit. Während des Studiums der Germanistik und Publizistik in Salzburg entwickelte Susanne Gregor eine Liebe zu Budapest, da sie dort ein Auslandspraktikum für das Österreich Institut machte. Nach dem Studium erhielt sie für ein Jahr ein Fulbright Stipendium und ging an die University of New Orleans, um Deutsch zu unterrichten. Dort lernte die Autorin auch ihren späteren Mann kennen, der aus Nicaragua kommt. Seit 2005 wohnt Susanne Gregor in Wien. 2007 reichte sie bei Literaturwettbewerben literarische Texte ein. 2009 gewann sie den Förderpreis des Hohenemser Literaturpreises und 2010 den ersten Preis der Exil-Literaturpreise. Im November 2011 erschien ihr erster Roman, „Kein eigener Ort” im Edition Exil Verlag. Der Roman handelt von einer jungen Frau, die auf der Suche ist. Die Entstehungsgeschichte des Romans war eine langwierige, weil Susanne Gregor über vier, fünf Jahre immer wieder Passagen am Roman weiter entwickelte, Budapest spielt darin eine wichtige Rolle. Als Unterrichtende für Deutsch als Fremdsprache arbeitete sie in den letzten Jahren bei der UNO und im Sprachenzentrum der Universität Wien. Derzeit ist die Autorin in Karenz, da sie seit einigen Monaten eine kleine Tochter hat. Susanne Gregor nimmt regelmäßig an der Schreibwerkstatt im Edition Exil Verlag teil, wo AutorInnen mit Migrationshintergrund untereinander ihre Schreibprodukte diskutieren. Momentan arbeitet sie an einem weiteren Roman mit dem Arbeitstitel „Territorien”, es geht um eine Beziehungsgeschichte in Nicaragua. Mehr möchten wir an dieser Stelle nicht vorwegnehmen, da wir ihn, sobald er veröffentlicht wird, in einer der nächsten Ausgaben rezensieren werden. Zwei weitere Romane liegen noch in der Schublade, die werden später wieder herausgeholt, um weiterbearbeitet zu werden. Als Folgeroman ist der geplante Roman für Susanne Gregor geeigneter. Sie empfiehlt allen, die das Schreiben suchen und versuchen, möglichst viel zu schreiben und sich feste Zeiten zum Schreiben einzuplanen, damit es im Alltag nicht untergeht. Ihre Beziehungssprache ist Englisch, ihre Familiensprachen sind Slowakisch und Spanisch, aber in der Literatur kann sie ihren Gedanken am besten in der deutschen Sprache Raum verschaffen.

ML
 

Im Sog der Sprache

Ina lernt Tamàs in einem Wiener Lokal kennen und augenblicklich ändert sich ihr ganzes Leben, ihre Wahrnehmung, ihr Denken, ihr Handeln. In konzentrierter Sprache schildert Susanne Gregor in ihrem beeindruckenden Debütroman die sofortige und totale Beziehungsabhängigkeit von Ina, die sich in ihrer Fixierung auf Tamás aufgibt und unter Vorwänden zu ihm nach Budapest übersiedelt. Diese selbstzerstörerische „Liebe” wird von der Autorin mit hoher Dringlichkeit und Dichte beschrieben, die sie nachvollziehbar macht und die Unmöglichkeit von Distanz wiederholt: das Buch lässt sich kaum weglegen. Faszinierend sind die Atemlosigkeit und Unentrinnbarkeit der Sprache, mit Sätzen, die oft eine halbe Seite lang sind. Auch welche das Buch thematisch nicht interessieren mag, der sei es allein schon literarisch empfohlen, jeder Satz stimmt und erzwingt die Lektüre des nächsten. Das Ende der Geschichte ist dem des Buches entsprechend, der titelgebenden Ortslosigkeit wird Inas Ich entgegengesetzt. mel
 
susanne gregor: kein eigener ort. roman. 107 Seiten, edition exil, o. Ortsangabe 2011 EUR 12,00 (erstmals erschienen im WeiberDiwan 01/2012)

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