Erzählungen/EssaysAktuelle Ausgabe: Erzählungen/Essays

  • Poetische Briefe an die Liebe
  • Alltag im Krieg
  • Brüchiges Glück
  • Eine Suche in vier Teilen

    Eine Großmutter, die eine Nagelfeile zum Kriegsgrund erhebt; ein Mädchen, das auf eine Marienerscheinung wartet; ein Mann, der sich eine Prostituierte sucht und ein Fabelwesen bekommt; eine Archäologin, die in ihrem eigenen Inneren anstatt der Erde gräbt – vier Erzählungen, in denen Barbara Frischmuth den großen Dingen des Lebens hinterherspürt: Tod und Träume, Anfang und Abschied, Suchen und Finden. Mal psychologisierend, dann wieder magisch-realistisch werden den Lesenden Menschen vorgestellt, die bei aller Verschiedenheit die Suche nach etwas verbindet: einer Nagelfeile. Einer Erscheinung. Absolution. Die inhaltlich interessanteste der Erzählungen ist vielleicht „Otter“, die sprachlich wie stilistisch kurz und klar ist und dennoch die regnerische Stimmung der Natur und des Protagonisten einfängt – eines Protagonisten, der am Ende ebenso wie die Lesende auf positive Weise damit allein gelassen wird, das Geschehen zu verstehen. Die sprachlichen Qualitäten Frischmuths kommen am deutlichsten in „Bindungen“ zu Tage. In dieser Erzählung, die nahezu die Länge eines kurzen Romans hat, erschließt sich über die teilweise lyrische, zerrissene, an den Grenzen des Normativ-richtigen experimentierenden Sprache das Innenleben eines Menschen, der von der Liebe gezeichnet und daran fast zerbrochen ist. Katrin Forstner
     
    Barbara Frischmuth: Bindungen und andere Erzählungen. 156 Seiten, Residenz Verlag, St. Pölten-Salzburg-Wien 2013 EUR 19,90

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    Gelassen altern

    Was bringt das hohe Alter mit sich? In 16 in humorvoll-leichtem Ton gehaltenen Kapiteln erzählt die Autorin, wie es sich anfühlt, wenn der alternde Körper nicht mehr so will, wie er noch vor kurzem konnte, und zum Beispiel das Fahrradfahren wegen der Beine aufgegeben und somit ein Engerwerden des Bewegungsradius in Kauf genommen werden muss, oder wenn das Stanniolpapier, in das die täglichen Tabletten eingeschweißt sind, sich den älter gewordenen Fingern verweigert. Sie erzählt nicht nur von körperlichen Veränderungen, sondern auch von denen in ihrer Umgebung, von ihren jungen NachbarInnen, „lange nicht so verbiestert wie die Elterngenerationen“, von Schwierigkeiten, die auftreten, wenn unterschiedliche Zeitgefühle aufeinander treffen. Rückschau auf Episoden aus der eigenen Kindheit und Jugend fehlen ebenso wenig wie die Spleens anderer Hochaltriger. Fast hat man das Gefühl mit der Autorin bei Kaffee und Kuchen auf der Couch gesessen zu sein und einen vergnüglichen anekdotenreichen Nachmittag verbracht zu haben, denn was soll man anderes tun, als all die unabdingbaren Veränderungen mit Humor und Gelassenheit zu nehmen? soe
     
    Ilse Gräfin von Bredow: Mein Körper ist so unsozial. 192 Seiten, Scherz Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2013 EUR 15,50

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    Menschliches Angesicht

    Im November hat die südafrikanische Autorin Nadine Gordimer, die 1991 den Nobelpreis für Literatur erhielt, ihren 90. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass hat der Berlin Verlag zwei Bände mit Essays und Erzählungen der Autorin herausgegeben. Zum Teil sind es Beiträge, die nun erstmalig in deutscher übersetzung vorliegen. Die Auswahl traf die Autorin selbst. Es empfiehlt sich, mit dem vorliegenden Essayband zu beginnen, da anhand der Essays in chronologischer Abfolge ein Blick auf die Geschichte Südafrikas der letzten sechs Jahrzehnte geworfen werden kann. Sie beginnen mit den Velds (Afrikaans für „Steppen“), wo massenweise Kohle abgebaut wurde, und der Kindheit der Autorin. 1948 wird das Regime der Apartheid eingeführt, nachdem die National Party die Wahlen gewonnen hatte, von denen die Schwarze Bevölkerung ausgeschlossen war. Gordimer als weiße Autorin weist sich als eine entschiedene Kämpferin für die Interessen der Schwarzen Mehrheitsbevölkerung aus. Behutsam aber eindringlich führt sie in vielen Essays die ökonomischen und politischen Missstände vor Augen, wie die Mehrheitsbevölkerung in Südafrika unterdrückt wird, beispielsweise wie 1976 aufgrund von Schwarzen Student_innenprotesten und Schüler_innenprotesten hunderte Jugendliche in Soweto umgebracht wurden. Die Hoffnungen, die die Autorin Anfang der 1990er Jahre in die Abschaffung der Apartheid setzt, erfüllen sich nicht. Anhand ihrer Erzählungen, in denen sie vor allem mikroskopisch gesellschaftliche Alltagsszenerien aufgreift, wird auch deutlich, dass das Ende der Apartheid noch immer keine ökonomische Lösung für bessere Lebensverhältnisse der Mehrheitsbevölkerung anbietet, sondern neue Machtverhältnisse entstehen lässt. Dieses unterstreicht sie auch in ihrem letzten Roman „Keine Zeit wie diese“. Gordimer sieht den Weg für engagiertes Schreiben weiterhin in der Verantwortung, eine unvollkommene Welt zu erkennen und darüber Zeugnis abzulegen. ML
     
    Nadine Gordimer: Erlebte Zeiten. Bewegte Zeiten. übersetzt von Susanne Höbel, Barbara Schaden u.a., 2 Bände. 1102 Seiten, Berlin Verlag, Berlin 2013 EUR 80,20

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    Vom Klang der Melancholie

    Birhan Keskin, eine Freundin der türkischen Autorin Sema Kaygusuz und selbst Dichterin, leidet an Schlaflosigkeit. Schlaflosigkeit, die dem Lärm der Großstadt und dem eigenen inneren Weltschmerz geschuldet ist. Diese Schlaflosigkeit ist zugleich Ausgangspunkt, Erzählfaden und letztendlich blockierender Grund zur Beendigung des neuen Buches der türkischen Autorin Sema Kaygusuz. Kurze Episoden aus dem Leben von Birhan bilden den Rahmen des Buches, dazwischen stehen sieben voneinander unabhängige Erzählungen über das Leben anderer. Sieben Geschichten, sieben Mal Schmerz, Unbehagen, Traurigkeit. Schwarze Galle. Erzählungen von Freundschaft, Begegnungen Fremder, Misstrauen, Feindseligkeit. In melodischer, oftmals beinah lyrischer Sprache werden Atmosphären der Melancholie erzeugt, die zum Teil etwas beinahe Traumhaftes an sich haben. Dabei werden Geräusche, Lärm und Stille zu Metaphern für den inneren Seelenzustand der Protagonist_innen. Beim Lesen bekommt man unvermittelt Lust auf eine Zigarette, Kaffee und Oliven, beides schwarz – was vermutlich von dem angenehm bitteren Nachgeschmack herrührt, den jede der Geschichten hinterlässt. Rebecca Strobl
     
    Sema Kaygusuz: Schwarze Galle. Geschichten. übersetzt von Sabine Adatepe. 142 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2013 EUR 18,40

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    Salz in der Suppe

    Die in Berlin lebende Journalistin Hatice Akyün ist sich nicht mehr sicher, ob sie als Deutschtürkin wirklich in Berlin leben möchte. Sie bricht nach Istanbul auf, nachdem sie von ihren Eltern dort eine Eigentumswohnung geschenkt bekommen hat. Ihre vierjährige Tochter lässt sie bei den Großeltern, um zunächst ihr Leben in Istanbul neu zu ordnen. Ihre Schwester Fatma, die an sich in Izmir lebt, führt sie rasch in eine bürgerliche Lebensweise ein. Durch Zufall lernt Hatice bald einen attraktiven Angler kennen, der sich ähnlich wie sie aus Deutschland zurückgezogen hat. Die Erzählung versucht, die beiden unterschiedlichen Kulturen miteinander zu verbinden, ohne ständig zu bewerten, was besser ist. Die türkische Lebensweise bringt für Hatice viel Vertrautes, aber auch die eigenen Grenzen hervor. Ein pulsierendes Istanbul und ein Besuch bei Verwandten in Anatolien zeigen den kulturellen Spagat, den die Türkei bietet. Selbst die Auseinandersetzungen um den Gezi Park und dessen breite Widerstandsbewegung werden in ihre Geschichte eingebaut. Für alle, die mehr über das Leben in der Türkei wissen wollen, ist es eine spritzige, kurzweilige Lektüre ohne allzu großen Tiefgang. Dank der zweisprachig wiedergegebenen Sprichwörter wird deutlich, dass es neben einer ausgeprägten Rationalität auch andere Gesetzmäßigkeiten gibt. ML
     
    Hatice Akyün: Ich küsse dich, Kismet. Eine Deutsche am Bosporus. Erzählung. 235 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2013 EUR 15,50

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    Kurzgeschichten aus Brasilien

    Zwölf brasilianische Autorinnen erzählen von Liebe und Verstrickungen, Unterdrückung, Glaube, Hoffnung, Tradition und Veränderung in diesem Land der Gegensätze. Sympathisch ist dabei, dass bei der Auswahl kein Anspruch auf „Vollständigkeit“ gestellt wurde, alle Geschichten aber insgesamt eine gute Mischung aus Härte und Humor darstellen. Die Mehrheit der Autorinnen stammt aus der oberen Mittelschicht, was sich (leider) auch in der überzahl der Geschichten widerspiegelt. Insgesamt ist die Lektüre allen zu empfehlen, die ganz rasch kleine Lese-Häppchen verdauen wollen oder solche schenken wollen. Alle zwölf Beiträge sind ungewöhnlich kurz, einer Leseratte wie mir zu kurz. Ein ergänzender Lesetipp: die jamaikanische Autorin Olive Senior behandelt in ihrem 1996 erschienen Buch „Das Erscheinen der Schlangenfrau“ die Verirrungen eines Post-Sklaven-Halter Systems etwas tiefgehender. Alice Ludvig
     
    Wenn der Hahn kräht. Zwölf hellwache Geschichten aus Brasilien. Hg. von Wanda Jakob und Luísa Costa Hölzl. 159 Seiten, edition fünf, Hamburg 2013 EUR 19,50

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    Schicksale en miniature

    Extrem abwechslungs- und damit einfallsreich sind die Plots der insgesamt 20 Kurzgeschichten, die Ilse Hartl hier als beeindruckende Arbeitsprobe ihrer erst im Alter von 60+ begonnenen Karriere als Autorin abgibt. Ganz unspektakulär sind die handelnden Personen und ausdrücklich nicht exotisch die Orte des Geschehens: die Kommunikation einer Pensionistin mit einer Stubenfliege, eines Enkerls mit der zunehmend dementen Oma, einer Hinterbliebenen mit einer streunenden Katze am Gartentor des geerbten Anwesens; aber auch „aufregendere“ Inhalte, wie die realistisch begründet scheinenden Sorgen der Mutter eines 40-Jährigen, er könnte der gesuchte Täter einer Vergewaltigung sein, welche sich nach qualvollen Tagen des Vermutens und Nachprüfens als unbegründet erweisen. Oder: dass eine Joggerin an einem schönen Sonntagmorgen vom Querschläger aus einer beim Hausumbau entdeckten Wehrmachtsmauser getötet wird. Keine großen Dramen, lauter Dinge, die „leicht daneben“ sind bzw. gehen. Das alles ist erzählt in einer durchgehend gediegenen Sprache von eleganter Wortwahl und mit Stil. Manchmal, nur ganz selten und ansatzweise, scheint (mir) diese gewählte Ausdrucksweise um eine winzige Nuance zu perfekt zu sein. Helga Pankratz
     
    Ilse Hartl: Erkämpfte Niederlagen. Und andere Kurzgeschichten. 120 Seiten, Bibliothek der Provinz, Linz 2013 EUR 15,00

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    Vielfältige Gestalten der Liebe

    Können wir die Liebe lernen? Was, wenn wir einen Menschen so sehr lieben, dass wir uns selbst aufgeben? Wie lange kann es dauern, bis längst vergessene Wunden heilen? Wie umgehen mit dem Tod eines geliebten Menschen? Was wenn wir die, die wir lieben, töten müssen? Cornelia Jönssons Geschichten handeln von der Liebe und ihrem Scheitern, von Tod und von Neuanfang, von zärtlichen, erotischen Begegnungen und von schmerzhaften Abschieden. Ihre Figuren sind bi, homo oder trans, lieben eine oder viele, haben Kinder oder keine, sind Menschen in der Großstadt oder Fantasy-Gestalten. So viele Geschichten, dass es schwer fällt, einzelne herauszupicken. Schön fand ich „Schwinden“, die Erzählung eines Abschieds: „Es fliegt ein Schmetterling durch meine Nacht und du weißt es nicht und ich kann es dir nicht sagen.“ Gefallen hat mir auch die „Geburt der Tochter“. Die kleine Nichte ist begeistert darüber, dass aus ihrem Onkel eine Tante wurde und fragt ihren Papa: „,Glaubst du, ich werde mal ein Mann, wenn ich groß bin?’“ Meine Empfehlung: Jeden Abend vor dem Einschlafen eine neue Geschichte lesen. vab
     
    Cornelia Jönsson: Fischfang. Liebesgeschichten. 253 Seiten, konkursbuch Verlag Claudia Gehrke, Tübingen 2013 EUR 10,30

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    Brüchiges Glück

    Jenny Zoës Kurzgeschichten, von denen keine länger als Zehn Seiten zählt, handeln von der Zerbrechlichkeit des Glücks, unter dessen Oberfläche immer schon der Abgrund wartet, von der Suche nach Geborgenheit, von der Schwierigkeit, Beziehungen aufzubauen und zu halten. Die Familien sind meist zerrüttet, die Beziehung zu den Eltern gestört. Ein Patchwork-Vater versucht verzweifelt die Kinder für sich zu gewinnen, für die er jedoch nie ihr „Daddy“ sein wird. Cora, eine von Zoës jugendlichen Heldinnen, trauert stellvertretend für ihre Eltern um die tote Schwester. Aimée hat ihre Eltern verloren, ihr Onkel ist Alkoholiker und sie landet schließlich bei einer Pflegemutter, deren Fürsorge unerbittlich ist. Und Clarices Mutter brennt mit deren Freund durch. Knapp und zart erzählt werden Zoës Geschichten der Tradition amerikanischer Shortstories gerecht. vab
     
    Jenny Zoë: Spätestens morgen. Erzählungen. 124 Seiten, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt/M. 2013 EUR 18,50

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    Poetische Briefe an die Liebe

    Die preisgekrönte Reiseschriftstellerin und Lyrikerin Tina Stroheker schenkt uns mit ihrer „Luftpost“, die Titel und gleichzeitig Programm des Bandes ist, Einblick in sehr persönliche, leidenschaftliche Erfahrungen, Erinnerungen, Träume und Reflexionen über Begehren und sexuelle Identitäten. Das späte Coming-Out zieht sich als roter Faden durch die einzelnen Skizzen, von der bitteren zur süßen Schokolade. Was uns erwartet, ist ein lyrischer, erotischer Erfahrungsbericht einer Liebesgeschichte – Fragen nach Geschlecht und Weiblichkeit dazwischen – verhandelt in Perspektiven eines inneren Monologs, einer Ich-Erzählung, die mit Zitaten und Verweisen auf (queere) Literatur, Sappho-Gedichte und Geschichten aus der Gay-Pride-Bewegung durchwoben sind: Klassischer Liebeskummer im Lichte des Regenbogens! Marlene Haider
     
    Tina Stroheker: Luftpost für eine Stelzengängerin. Notate vom Lieben. 106 Seiten, Klöpfer & Meyer, Tübingen 2013 EUR 16,50

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    Alltag im Krieg

    Brigitte Eickes Tagebuch spannt den Bogen zwischen historischem Kontext und gelebtem Alltag in Hitler-Deutschland. Es ist der Einblick in das Leben eines 16-jährigen Mädchens, dessen Tagebuch sich phasenweise liest als wäre es das eigene: Ausdruck des Ärgers und der Kämpfe mit der Mutter, die die wachsende Selbständigkeit der Tochter nicht sehen möchte; Tanznächte mit den besten Freundinnen; die Nervosität vor der nächsten Klausur in der Berufsschule und den Kopf voll mit Gedanken an einen Kurt, Herbert oder Erich. Doch natürlich ist es keine „normale“ Jugend. Die Nazi-Ideologie und der Krieg spielen immer stärker in das „Backfisch“-Leben hinein. Beklemmend sind die anfänglich im Jahr 1943 noch fast „sporadisch“ geschilderten, mit den Jahren sich häufenden und detaillierter erzählten Szenen im Bunker; die Zwänge, in die Brigitte gesteckt wird, als sie Heimabende organisieren, sich dem strikten Regelwerk der Nazis auf einem Schulungslager ihrer Schule fügen oder Parteigeld zahlen muss. Doch, verglichen mit dem damals herrschenden Frauenbild, agiert Brigitte selbständig. Sie geht auf die Berufsschule und wenn sie an eine Zukunft denkt, dann an ihre berufliche und nicht daran, als Mutter und Hausfrau zu „enden“. Sie läuft mit, aber sie fängt nach und nach an, die Ideologie der Nazis zu hinterfragen. Insgesamt aus Frauensicht ein lesenswertes Buch, gibt es den jüngeren Leserinnen doch einen Einblick in das Mädchenleben ihrer Großmütter und den älteren ein Mehr an Verständnis für die Generation ihrer Mütter. Andrea Tschirf
     
    Backfisch im Bombenkrieg – Notizen in Steno 1943–45. Hg. v. Barbara Felsmann, Annett Gröschner und Grischa Meyer. 399 Seiten, Matthes & Seitz, Berlin 2013 EUR 30,80

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    Trauerjahre

    Der Plot ist so kurz wie einfach. Elsass. Eine alte Frau stirbt, schläft einfach und unerwartet in ihrem Bett ein. Die Tochter bewältigt ihre Trauer durch Tagebucheintragungen. Sie kümmert sich nach dem Tod der Mutter um deren Haus und Garten. Die alltäglichen Gegenstände aus dem Nachlass, die vielen Pflanzen im Garten, sie alle erscheinen in dieser Phase von Schmerz und Verzweiflung wie Botschaften der geliebten Mutter. Dem Zyklus der Pflanzen im Garten folgen auch die Phasen der Trauer. Allmählich weichen tiefer Schmerz und Verzweiflung über Verlust und Verlassenheit einem tröstlichen Gefühl, die Mutter in sich zu tragen, und der Freude darüber, sie gekannt zu haben. Das Fortbestehen und die Gegenwart der Mutter in allen Dingen, die sie berührt, gepflegt, ausgesucht, gemocht hat, sorgen für Trost und Bereicherung. Vor allem der Garten, in dem vielerlei Blumen, Obst und Gemüse gedeihen, und sein Lebensprinzip stehen als wichtigste Hinterlassenschaft dem Tod gegenüber und tragen zur Erkenntnis bei, dass die Mutter ihren Auftrag erfüllt und ihrer Tochter genug Kraft zum Leben gegeben hat. Der Text ist – mit Ausnahme der zwischendurch eingestreuten Gedichte der zweiten Tochter – eigentlich nicht für eine Veröffentlichung gemacht. Er ist sehr einfach, eine beinahe kindlich-naive Zwiesprache mit der „Mama“, und so persönlich und anrührend, dass selbst die Zitate im mütterlich-elsässischen Dialekt intim erscheinen. Helga Lackner
     
    Simone Morgenthaler: Im Garten meiner Mutter. Chronik eines Abschieds. Mit Gedichten von Denise Morgenthaler. übersetzt von Iréne Kuhn. 125 Seiten, edition ebersbach, Berlin 2013 EUR 16,50

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