Alltägliche Auswirkungen von Erwerbsarbeit auf die Gesundheit von Frauen werden im Band in einer qualitativen Analyse zur Gesundheit von Alleinerzieherinnen beschrieben. Untersucht werden anhand eines Interviewleitfadens Erwerbsarbeit als gesundheitliche Ressource, Arbeit und Gender, Alleinerziehen und Gesundheit, sowie Erwerbsarbeit als materielle Ressource und Erwerbsarbeit als psychosoziale Ressource. In einem weiteren Artikel wird auf theoretischer Ebene Gender Mainstreaming in der Gesundheitsforschung und -politik thematisiert. Geschlechtergerechtigkeit in Disease Management Programmen für koronare Herzkrankheiten wird mit dem Ziel verfolgt, bislang ungleiche Versorgungsleistungen in diesem Bereich zu analysieren und die Unter- und Fehlversorgung von Frauen zu beseitigen. Ein weiterer Fokus des Bandes ist auf die Behandlung von Diabetes mellitus Typ II-Patientinnen gerichtet. In „Gendering physical activity in australian childhood and adolescence“ und „Who cares for mothers? Gender and Care Work after Breast Cancer“ werden notwendige physische und psychische Versorgungsleistungen im Alltag thematisiert. Es werden gesellschafts- und gesundheitspolitische Schwachstellen aufgezeigt, die nicht im Feld der Gesundheitsforschung (allein) zu lösen sind. Zwei abschließende Artikel im Band beschäftigen sich mit der geschlechts- und gendersensiblen akademischen Ausbildung „Gendered Public Health – der Masterstudiengang Health and Society“, sowie ein Artikel zur Interessensausbildung von türkischen Migrantinnen für ein Studium der Gesundheits- und Sozialwissenschaften schließen den gesellschaftspolitischen Rahmen, in welchem sich Gesundheit und -forschung bewegt, mit ein. Diese Gesamtschau in Genderperspektive zeichnet den Band aus.
Gerlinde Mauerer
Gender in den Gesundheitswissenschaften – Geschlechtsdifferenzen aus sozio-kultureller Perspektive. Hg. von Annette C. Seibt. 200 Seiten, Lit Verlag, Berlin 2013 EUR 19.90
Politphilosophin und Historikerin Regula Stämpfli entführt ihre Leser_innen in das Reich der Philosophie und analysiert am Frauenkörper, was die Moderne bewegt. Sie zeigt, wie die Vermesser-Wissenschaften zu eigentlichen Religionen heranwuchsen und warum insbesondere der weibliche Unterleib in den Fokus dieser gelangte. Da nun nicht mehr Personen sondern Körper im Vordergrund stehen, erfreuen sich gerade biologistische Pseudo-Erklärungen großer Beliebtheit. Nur sie ermöglichen Verantwortungsfreiheit, denn: Wir können ja nichts dafür! Hierdurch wird unter anderem ein Mythos des Mannes im besten Alter und der Frau mit Verfallsdatum kreiert. Mitgetragen durch die Medien, getreu dem Motto: Je öfter wiederholt, desto wahrer. Umso massiver der Zwang nach Anpassung, desto häufiger werden Frauen medial als potenziell mangelhafte (Abzieh-)Bilder inszeniert und sehen sich in diesen. Dieser kritische Blick auf den Körper ist krankmachend und die Messung am Objekt macht zum Objekt. Das Trendmaß Size Zero bedeutet hierbei die Negierung weiblicher Formen: Frauen will man nicht zu sehr hören oder sehen. Doch nicht der Körper ist falsch, sondern das System. Regula Stämpfli provoziert aus philosophischer Perspektive, und auch wenn manch überspitze Äußerung diskutabel scheint, sind ihre Thesen unbedingt lesenswert. Vereinzelt wäre eine noch weitere Vertiefung ihrer Gedankengänge vorteilhaft, doch so bleibt Potenzial für ein nächstes Buch. Empfehlenswert für alle mit Interesse an Körpertheorien.
Anja Trittelvitz
Regula Stämpfli: Die Vermessung der Frau. Von Botox, Hormonen und anderem Irrsinn. 191 Seiten, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2013 EUR 18,50
Kaum ein Thema wurde in letzter Zeit so intensiv debattiert wie Brustkrebs. In ihrem Buch bietet Andrea Nieden einen profunden überblick über biopolitische Diskurse und zeigt, wie informiert und entschieden mit einer möglichen Diagnose umgegangen wird.
Ausgehend von einer fokussierten Beschreibung des BRCA-Diskurses (BRCA 1 und 2 werden als Brustkrebsgene bezeichnet) in Deutschland diskutiert die Autorin biopolitische Fragestellungen und fragt nach der Lokalisierung von Risiko, Prävention und wie eine Disziplinierung von Patient_innen entstehen kann. Der theoretische Teil ist insofern empfehlenswert, als er einen nützlichen überblick über Debatte(n) gibt ohne auszuufern und damit zu einem generellen Verständnis der Thematik beiträgt.
Im empirischen Teil ihrer Studie stellt Nieden (potenzielle) Patient_innen in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit und schafft dadurch eine Zugänglichkeit, ja eine Personifizierung der Thematik. So analysiert sie Subjektwerdung im Kontext Brustkrebs und thematisiert höchst relevante Fragen wie Kompetenz, Subjektmanagement und (Selbst-)Autonomie und zeigt, wie der Bezug auf Gene erlebt werden kann. Die Autorin präsentiert ein Buch, das zwar Vorkenntnisse voraussetzt, den/die Leser_in dafür mit profundem Wissen über die BRCA-Debatte und deren Konsequenzen für (potenzielle) Patient_innen ausstattet.
Sarah Schönbauer
Andrea zur Nieden: Zum Subjekt der Gene werden. Subjektivierungsweisen im Zeichen der Genetisierung von Brustkrebs. 284 Seiten, transcript Verlag, Bielefeld 2013 EUR 30,70