Dieser Krimi beginnt dort, wo andere aufhören. Die schräge Journalistin Lisa Nerz hat ihren elften Fall bereits gelöst
und die Mörderin sitzt in Untersuchungshaft. Die Soziologin Camilla wird verdächtigt, ihren Ex-Freund im Affenhaus des
Cannstätter Zoos ermordet zu haben. Camilla führt ein Hafttagebuch – und bald wird klar, dass die
Möchtegerndetektivin Nerz diesmal übers Ziel hinausgeschossen hat. Camilla beteuert ihre Unschuld, die übereifrige und
heimtückische Journalistin habe sie verführt und dann selbstgerecht an die Polizei übergeben. In den langen Monaten der
Haft scheinen aber schlussendlich auch Lisa Nerz Zweifel an Camillas Schuld zu kommen. Gemeinsam mit ihrem Freund, Oberstaatsanwalt
Weber, versucht sie, neues Licht in die Sache zu bringen. Christine Lehmann schafft es, nicht nur einen spannenden Krimi abzuliefern,
der Einblicke in das triste Leben von Untersuchungshäftlingen einerseits und von hinter Gittern gehaltenen Menschenaffen andererseits
bietet, sondern auch ihre eigene Krimiheldin durchaus glaubhaft in Frage zu stellen. Das ist eine gute Sache.
Elke Koch
Christine Lehmann: Die Affen von Cannstatt. Roman. 285 Seiten, Argument Verlag, Hamburg 2013 EUR 12,40
Die Idee klang originell und war der Grund für den Griff zu Sina Beerwalds neuem auf Sylt spielendem Krimi „Mordsmöwen“:
ein Mensch verschwindet, doch kein schrulliger Inselkommissar macht sich auf die Suche und auch keine ambitionierte Journalistin, nein, eine
Schar Möwen ermittelt. Und das auf durchaus lustige Art und Weise. Die auf Sylt lebende Autorin schafft es, viel Lokalkolorit zu verbreiten
und hat das Verhalten der Möwen nicht nur intensiv beobachtet, sondern beschreibt es auch prägnant. Viele Slapstick Szenen wären
durchaus tauglich für einen Animationsfilmhit. Doch leider halten Charaktere und Geschichte nicht mit der Idee mit. Die
„Möwenbande“ besteht aus klischeehaften Typen: der doofe alte Boss, der nichts mehr mitkriegt, der überforderte
alleinerziehende Vater mit aufsässigem Teenagersohn, der Alkoholiker, der Schöne, der natürlich eigentlich schwul ist, und
der Tollpatsch, gleichzeitig der geheime Held, der am Ende natürlich die einzige Möwenfrau abkriegt, eine Tussi, die dafür
ihren neureichen Möwerich-Verehrer aufgibt. Die Kriminalgeschichte ist ganz ordentlich konstruiert, doch wenn ich noch einen Krimi lesen
muss, in dem der arme Mörder nur deswegen „gestört“ ist, weil er eine „böse“ Mutter hatte, mach ich es
wie der Möwenheld und stürze mich vor Verzweiflung vom nächsten Leuchtturm!
PS: Weder die Möwe noch die Rezensentin kamen dabei zu Schaden.
ESt
Sina Beerwald: Mordsmöwen. Sylt Krimi. 208 Seiten. Emons, Köln 2013 EUR 10,20
Der zweite Roman der Salzburger Autorin führt wieder zu einer Internet-Community, nämlich zu einer Facebook-Gruppe über Lyrik.
Als gleich zwei Tote auf einem Camping-Platz gefunden werden, scheint auf den ersten Blick ein Eifersuchtsdrama mit Mord und
anschließendem Selbstmord der Hintergrund zu sein. Doch stellt sich rasch heraus, dass die beiden nur eine Gemeinsamkeit haben: sie
unterhalten sich in der gleichen Facebook-Gruppe über Lyrik. Als Hauptkommissarin Kaspary aus Ermittlungsgründen auch in diese
Gruppe einsteigt, schließt sie schnell Freundschaft mit Ira, die durch Andeutungen auf ein düsteres Geheimnis aufmerksam macht.
In einem Chat lässt sie Andeutungen über ihren Selbstmord fallen, woraufhin Kaspary sie natürlich retten möchte, nur
leider muss sie noch in derselben Nacht die überreste auf Bahngleisen zusammensuchen. Als schließlich noch zwei InformantInnen
ums Leben kommen, glaubt niemand mehr an angebliche Selbstmorde. Doch wen trifft es als nächstes? Was ist das dunkle Geheimnis, das ihnen
den Tod brachte? Und wer versucht, es auf so grausame Weise zu schützen?
Wie auch im ersten Krimi beschreibt die Autorin wieder einen Fall, der am Schauplatz Salzburg spielt. Die Story ist sehr fesselnd aufgebaut
und lässt die Leserin das Buch nur sehr ungern wieder weglegen. Schon fast klassisch für dieses Genre ist die sich anbahnende
Liebesgeschichte der beiden HauptermittlerInnen, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Eine Leseempfehlung an alle, die gerne in eine
Story versinken!
Petra Wächter
Ursula Poznanski: Blinde Vögel. Thriller. 476 Seiten, Wunderlich, Reinbek bei Hamburg 2013 EUR 17,50
In einem noblen Hamburger Vorort werden zwei StreifenpolizistInnen erschossen aufgefunden. Chastity Riley, ihres Zeichens Hamburger
Staatsanwältin, sehr cool, sehr kettenrauchend, macht sich mit ihren Kripo-Kollegen auf die Suche nach den TäterInnen. Die Spur
führt nicht nur zu altbekannten Milieugrößen, sondern fördert auch unbequeme Wahrheiten über den gemeinsamen
Nenner der Unterwelt und althergebrachter männlicher Netzwerke zutage und bringt die Ermittelnden selbst in Gefahr. Dies ist der
fünfte Fall für Chas und auch wenn die Leserin die vorherigen Bücher nicht kennt, tut dies der Lesefreude keinerlei Abbruch.
Buchholz‘ Sprache ist äußerst angenehm, da sehr direkt, schnörkellos, kühl prasselnd und somit bestens zum
Hamburger Regenwetter passend. Das Schöne an der Geschichte ist außerdem, dass der Kriminalfall zwar durchaus im Vordergrund
steht, aber wie so oft das Leben drumherum nicht vergessen wird und Chas so sehr plastisch wird. Ich freue mich jetzt schon auf ihre
vorherigen und alle weiteren Fälle.
soe
Simone Buchholz: Bullenpeitsche. Kriminalroman. 224 Seiten, Droemer Verlag, München 2013 EUR 13,40
Linz war 2009 Kulturhauptstadt, jetzt braucht es Folgeprojekte. Nachhaltigkeit ist gefragt. Der Poet, der in der Turmkammer des
Mariendomes medienwirksam seine Memoiren schreiben soll, stürzt von ebendieser in den Tod und fällt am Domvorplatz ausgerechnet
auf einen Passanten. Das macht dann schon zwei Tote. Die alternde Hollywood-Diva mit österreichischen Wurzeln, die überraschend
ihren Besuch in Linz ankündigt, verschwindet ebenso überraschend unter mysteriösen Umständen. Diana J. Pölz,
die neuernannte Chefinspektorin der Abteilung „Leib und Leben“, hat also alle Hände voll zu tun. Erschwert wird ihre
Arbeit durch den Vorgesetzten und die Kollegen, die noch nicht akzeptieren können, dass eine Frau – und noch dazu eine aus
Wien – Chefinspektorin wurde. Die Teamarbeit funktioniert aus diesen Gründen mehr schlecht als recht. Trotz dieser widrigen
Umstände gelingt es Diana, die Fälle zu lösen. Ein spannender, gut geschriebener Krimi mit Linzer Lokalkolorit, der Lust
auf mehr macht, denn die Teambildung in der Abteilung „Leib und Leben“ ist ja auch noch verbesserungswürdig.
Angela Schwarz
Sophia Scheer: Alles Tote kommt von oben. Krimi. 288 Seiten, Emons Verlag, Köln 2013 EUR 11,30
Mira Valensky, Chefreporterin und Hobby-Kriminalistin, hat es dieses Mal mit einem gefeierten Buchautor zu tun, der Errungenschaften auf
dem Weg zur Gleichberechtigung der Geschlechter verteufelt und stattdessen „Sei ein Mann“ ruft. Ein Anti-Feminist, wie er im
Buche steht, in einem Verlagsumfeld, das es versteht, aus dieser Haltung ordentlich Geld zu machen. Dann wird er auch noch in einem Wiener
Hotel der versuchten Vergewaltigung bezichtigt, was die Nachfrage nach dem Bestseller nur noch mehr steigert. Die Positionen scheinen also
abgesteckt – und doch kommt es ganz anders. Eva Rossmann erzählt wieder eine facettenreiche Kriminalgeschichte, die dieses Mal
auch den „Kampf der Geschlechter“ beleuchtet. Ein neues Terrain ist das für die Autorin nicht, war sie 1997 doch eine der
Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens in Österreich. Die Erwartung ist also durchaus hoch, was sie aus dem Thema macht,
selbstverständlich immer ein eher allgemein interessiertes Krimi-Publikum vor Augen. über weite Strecken gelingt es ihr sehr gut,
Sexismus und Gewalt gegen Frauen kritisch aber authentisch einzuflechten. Welche Richtung die Geschichte dann bis zur Mordaufklärung
nimmt, ist aber doch enttäuschend – ohne hier zu viel zu verraten. Natürlich kann die Geschichte so ablaufen, aber
Feministinnen, die ununterbrochen gegen Vorurteile und falsche Anschuldigungen ankämpfen, hätten sich wohl doch eine andere
Wendung gewünscht.
GaH
Eva Rossmann: Männerfallen. Ein Mira-Valensky-Krimi. 288 Seiten, Folio Verlag, Wien-Bozen 2013 EUR 19,90
Carla und Theo – eine Liebe zur Zeit des Stummfilms. Ort des Geschehens – ein kleines Stadtkino. Die Handelnden –
eine Kinopianistin und ein Filmerzähler. Zerteilt in Akte, Etappen und Handlungsstränge und gespickt mit Mord, Verrat, Reue
und Verzweiflung. Nicht kompliziert, dafür aber gefährlich und tragisch. Der Rahmen – Vergangenheit und Krieg, Erpressung
und Tod. Dagmar Fohl schiebt mit dem ungewöhnlichen Stil ihres Romans „Palast der Schatten“ – einer Mischung aus
Drehbuch und Stummfilm-Untertitel – sehr subtil, aber dennoch unausweichlich das Dramatische per se, die Dialoge und Beziehungen,
in den Vordergrund. Der Rest wird zur Kulisse und bleibt austausch- und wandelbar. Eine Liebe wie im Film, nicht auf die Leinwand gebannt,
sondern in ein Buch gegossen. Zum zentralen Thema wird somit die kaum wahrnehmbare Grenze zwischen Realität und Fiktion, zwischen
Leben und Wahnsinn, die sich gerade durch den emotionalen Filter von Liebe und Leidenschaft wohl noch mehr als üblich verwischen
lässt.
Eva Kristina Miklautz
Dagmar Fohl: Palast der Schatten. Historischer Kriminalroman. 243 Seiten, Gmeiner-Verlag, Meßkirch 2013 EUR 13,40
Eigentlich sollte sie sich ja keine Sorgen machen, doch Alenas Ehemann ist seit zehn Tagen verschwunden. Als investigativer Journalist
kann es schon mal vorkommen, dass es kurzfristig schwierig ist, sich zu melden, aber diesmal ist es anders. Paris ist nicht die Wüste,
nur leider hat Alena noch nicht mal einen blassen Schimmer, welche Story ihn so derart fesselt. Als schließlich ein Paket von ihm mit
einem nichts sagenden Notizbuch und schlechten, verschwommenen Fotos bei ihr ankommt, beschließt sie, den Chefredakteur der Zeitung
ihres Partners auszufragen. Er kann ihr nur eines sagen: Menschenhandel. Kurzentschlossen fährt sie von New York nach Paris, um ihren
Mann zu suchen. Schnell findet sie sich in einem Dickicht aus MenschenhändlerInnen wieder, deren Netzwerke bis zu hohen PolitikerInnen
reichen. Und bald wird ihr bewusst, in was für einer tödlichen Gefahr ihr Mann steckt. Der Debütroman der Verfasserin ist ein
gelungener, ambitionierter Krimi, der die Realität von Menschenhandel und moderner Sklaverei auf sehr spannende Weise behandelt. Das
Buch sei allen empfohlen, die gern in Form eines Krimis über politisch höchst brisante Themen lesen.
Petra Wächter
Tove Alsterdal: Tödliche Hoffnung. Kriminalroman. übersetzt von Ursel Allenstein. 378 Seiten, Bastei Lübbe, Köln 2013 EUR 15,50
Hagfors ist ein idyllisches Örtchen in Schweden – alles scheint friedlich und harmonisch, die Dinge gehen ihren gewohnten
Gang. Bis ein Einfamilienhaus niederbrennt und die Bewohnerin in den Flammen umkommt. Bald wird klar, dass es sich um Brandstiftung
handelt. Als wenige Tage später das nächste Haus brennt und wieder Menschen sterben, kommt langsam Panik in der Gemeinde auf.
Und die Brandstiftungen gehen weiter. Die Lokaljournalistin Magdalena Hansson ermittelt parallel zur Polizei und stößt auf
eine geheimnisvolle Botschaft, die vermuten lässt, dass es sich um einen Rachefeldzug handelt. „Feuerteufel“ ist quasi
ein klassischer Schwedenkrimi: ProtagonistInnen mit durchwegs hohem Identifikationspotenzial, den privaten Problemen nahezu aller
Handelnden wird viel (manchmal zu viel) Raum gelassen – und es lässt sich bis zum Ende gut mitraten, wer denn der Täter ist.
Sympathisches Serial mit etwas zu viel Personal und einem Hauch von Melancholie.
Elke Koch
Ninni Schulman: Feuerteufel. Roman. übersetzt von Susanne Dahmann. 475 Seiten, Wilhelm Heyne Verlag, München 2013 EUR 10,30