LesbenromaneAktuelle Ausgabe: Lesbenromane

Mit Liebe: Brücken in die Vergangenheit

Lea, eine Dokumentarfilmemacherin aus Sarajevo, damals geflohen vom Krieg zu ihren Wiener Wurzeln, lernt auf der Rax Marie kennen, eine abenteuerlustige alte Dame, die das KZ Ravensbrück überlebt hat. Maries Lebensgefährtin ist lange tot und Lea verliebt sich gerade neu in Carla. Wo Lea zögert und sich in Betrachtungen der Vergangenheit aufzulösen droht … wo die Bilder in ihrem Kopf nicht mehr zur Zeit passen und die Worte nicht zu ihrer Umgebung gehören, wo alles auseinanderdriftet und sie die Bruchstücke nicht mehr zusammenhalten kann … ist Marie resolut, stößt sie zurück ins Hier und Jetzt, wenn nötig mit bungee jumping vom Donauturm. Trotz Leas Filmskripten und Besuch in Ravensbrück bleibt die un-heimliche Vergangenheit unerreichbar, im Buch vergegenwärtigt durch ein geglücktes Arrangement von Faktensplittern aus der Nazizeit und durch die sprachlich genial angelegte Entrückung der Lebensgeschichte von Marie und ihren getöteten lesbisch-schwulen FreundInnen. Was hier melancholisch klingt ist aber ein absolut lebendiges, intelligentes, gefühl- und auch humorvolles Buch, das sprachlich gekonnt beeindruckt und überwältigt. Ein ehrlich absolutes Muss im Bücherregal! Karin Schönpflug für die Lesbenberatung Lila Tipp
 
Marlen Schachinger: ¡Leben! Faction Roman. 257 Seiten, Leykam Verlag, Graz 2013 EUR 19,50

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Unklares Versprechen

Nach ihrem gelungenen Debüt „Der Duft von Seide“ hat Stefanie Zesewitz nun ihren zweiten historischen Roman vorgelegt. Dieser spielt in der Zeit des aufkeimenden Nationalsozialismus in Hamburg bis in die Kriegsjahre, ein kurzer Epilog am Schluss wirft noch Perspektiven auf 1990. Erzählt wird die Geschichte der jungen friesischen Dina, die knapp 20-jährig nach Hamburg kommt. Der Besuch einer Haushaltsschule bringt ihr die Freundschaft mit Ida, allerdings fliegt Dina aus der Schule schnell raus, woraufhin sich sofort die Möglichkeit eröffnet, Fotografin zu werden. Dabei lernt sie flugs die Medizinstudentin Selene kennen, die ihre große und einzige Liebe des Lebens wird, was sich nicht einfach gestaltet. Die Lektüre war für mich eher enttäuschend: Wie auf einer Schnur aufgefädelt werden in der Geschichte ein bisschen lesbische und schwule Subkultur, ein bisschen Frauengeschichte, ein bisschen literarische Querverweise, ein bisschen Antisemitismus, ein bisschen kommunistischer Widerstand und böse Nazi-Männer dargestellt. Die Ereignisse fügen sich teils erwartbar und ohne inneren Spannungsbogen aneinander, die Charaktere entbehren der Tiefe oder Ambivalenzen, eine romantische Liebe (zur politischen femme fatale Selene) wird einer pragmatisch-freundschaftlichen Lebensverbindung (mit der treuen Ida) gegenübergestellt. Nichtsdestotrotz fügt sich dieser Roman gut in die zahlreichen Initiativen und Bemühungen ein, auch das Leid und Kämpfen lesbischer Frauen während des Nationalsozialismus zu vergegenwärtigen und zu würdigen.mel
 
Stefanie Zesewitz: Wie ein Versprechen. Historischer Roman. 405 Seiten, Querverlag, Berlin 2013 15,40 EUR

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Kiss me, tiger

Kerstin flieht vor ihrer arbeitssüchtigen, sie völlig vernachlässigenden Freundin nach einem alles in Frage stellenden Streit mit der abenteuerlustigen Safari-Führerin Pat ganz spontan nach Südafrika, wo sie (ungeachtet von Kultur, Kolonialgeschichte und Apartheid) die Leidenschaft wieder findet und sich auch komplett in das Land verliebt. Nach nur wenigen Wochen ist sie in Afrika und im wilden Busch völlig zuhause. Keine Angst, dunkelhäutige Menschen kommen in diesem Buch nur als (leider teilweise recht unfähiges) Personal vor. Doch wem „Out of Africa“ gefallen hat, die ist in dieser lesbischen Version glühender Hitze und wahnsinnig romantischer Sonnenuntergänge mit absolutem Freiheitsgefühl sicherlich gut aufgehoben, da wo die Leoparden gefährlich knurren und die Liebhaberin unter einer „zuckt wie ein waidwundes Tier“. Grrrrr! Karin Schönpflug für den Lila Tipp
 
Anne Wall: Immer diese Sehnsucht. Roman. 239 Seiten, édition el!es, 2013 EUR 16,40

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Romantische Fahrt nach Paris

Eine romantische Reise nach Frankreich... Tali, eine deutsche Projektleiterin, wird von ihrer Vorgesetzten für ein paar Tage nach Paris geschickt, ein Traum für die Projektleiterin, denn schon seit ihrer Jugend träumt sie von der romantisch verzauberten Stadt. Auf dem Montmartre wird sie von der Künstlerin Inès angesprochen, welche sie porträtiert. Diese Begegnung führt die beiden auf eine Reise durch Paris, in der sie den Flair der Stadt der Liebe entdecken und auch noch sonstige unerwartete Gefühle. „Gemalt für dich“, erschienen im neuen Frauen-/Lesbenverlag Ylva, ist ein leicht zu lesendes Buch für einen entspannten Sonntagabend. Eine schöne Beschreibung der Stadt der Liebe, mit vielen kleinen, süßen, herzlichen Erlebnissen; leider fehlen ein bisschen der Pfeffer in der Story und so richtig schöne, dramatische Höhepunkte. Karin Pertl für die Lesbenberatung Lila Tipp
 
Sara Engels: Gemalt für dich. 139 Seiten, Ylva Verlag, Kriftel 2013 EUR 7,99

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Was Neues leben versuchen

Die Ich-Erzähler*in Georgie, ihre Kumpel*, Soda und Cruzer, sind bois* und leben in der WG des „Creamsickle“ in San Francisco. Ihre Tage verbringen sie mit Skateboard Fahren, Partys, abhängen, Drogen konsumieren und „Mädels“ aufreißen. Die Autor*in, Rhiannon Argo, vermag es, die komplexe Relation der Ebene eines als cool erlebten und imaginierten Lifestyle, der politisch inspiriert ist, und jener schmerzhafter Erfahrungen durch Diskriminierung, Gewalt und Armut zu vermitteln. Die bois* und Mädels* wollen alles, nur keine Opfer sein und teilen ihr Leben mit Menschen, die sich gegen Normen und für etwas jenseits davon einsetzen: „Warum können wir nicht alle Piraten oder Affen anstatt Mädchen oder Jungen genannt werden?“ Die vielen Personen, Geschichten, Partys, Jobs, Drogen und die Langeweile – sie machen die Lektüre dieses Romans zuweilen mühsam. Das mag intendiert sein – das Leben an den Rändern, das Ringen um Existenz und Lebensgenuss ist mühsam. Das spiegelt sich im Wechsel der Eindrücke, im flapsigen Ton, im Humor und der Selbstironie. Und wenn das Tempo verlangsamt, die Erzählung fokussiert, dann gibt es wunderschön erzählte Passagen: „Dann sitzt Mia wieder am Fenster. Die Stadt hinter ihr bewegt sich im Zeitraffer, in den Bürotürmen gehen schließlich die Lichter aus und ganze Gebäude legen sich für die Nacht schlafen. Die Vormittage kommen und gehen, die Nachmittage sind scharf und bitter und dann ist wieder Nacht.“ Am Ende mochte ich die Figuren. Es ist etwas spürbar und verstehbar geworden – über alle Fremdheiten und (Text)Irritationen hinweg. Susanne Hochreiter
 
Rhiannon Argo: Boi*hood. Roman. übersetzt von Nicole Alecu de Flers und Katja Langmaier. 297 Seiten, Zaglossus, Wien 2012 EUR 17,95

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Aller guten Dinge sind drei

Ja, hier ist wieder Anna, die der Leserin schon aus dem ersten Roman „Alicia“ von Ulrike Voss bekannt ist. Doch ihre Freundin heißt diesmal Beate, nicht Alicia, und auch Anna ist nicht mehr ganz sie selbst: Anderer Job, andere Stadt, andere WG-Kollegin und insgesamt keine Spur vom alten Ich. Doch dann passiert genau das gleiche wie damals mit Alicia: Anna und Beate finden sich, haben unglaublich heißen Sex miteinander, sie reisen wieder gemeinsam auf die Kanaren, die Vergangenheit holt sie ein und Beate verschwindet spurlos und bringt Anna fast um den Verstand. Was schon im ersten Buch gut funktioniert hat, ist auch hier wieder genial gelöst, gute Sexszenen, packende Spannung und auch schöner Platz zum Nachdenken über Beziehungen für die Leserin. Dass „Das dritte Mal“ genau dem gleichen Kochrezept folgt wie der erste Roman von Voss, stört daher dann doch nur wenig. Und jetzt bin ich auch sehr auf das zweite Buch mit Anna („Einmal im Dunkeln“) gespannt, das mir bis jetzt entgangen ist! Karin Schönpflug für den Lila Tipp
 
Ulrike Voss: Das dritte Mal. Erotischer Roman. 287 Seiten, Konkursbuch Verlag, Tübingen 2013 EUR 10,20

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Eine Milliarde für Süderlenau

Wie wäre es, wenn eine ganze Stadt fünf Jahre lang tausend Euro monatliches, bedingungsloses Grundeinkommen für jede EinwohnerIn bekäme oder, besser gesagt, eine Milliarde? Margot Krause, eine steinreiche, betagte alte Frau, macht ihrer Heimatstadt genau dieses Angebot. Was sich wie die Geschichte des „Besuchs der alten Dame“ von Dürrenmatt anhört, ist die Geschichte eines Dorfes und seiner Sehnsüchte nach Verwirklichung seiner Träume ohne tägliche Erwerbsarbeit. Es bleibt jedoch bei den Diskussionen, Möglichkeiten und eventuellen Konsequenzen eines Milliardenangebots für eine Kleinstadt. Eingelöst wird vielmehr die Lüftung des Geheimnisses der rätselhaften Verbindung zwischen der eigenbrötlerischen Musikerin Katharina und Margot. Und dann gibt es noch einen lesbischen Nebenschauplatz zwischen einer beziehungsscheuen Hauptprotagonistin und der klugen und hartnäckigen Amalia. Die leichte und unterhaltsame Lektüre lässt sich schnell zwischen S-Bahn und Couchsessel lesen. Vermisst wird aber die wirkliche gesellschaftliche Konsequenz einer reichen und erwerbslosen Gesellschaft. Vielleicht folgt ein Fortsetzungsroman rund um die unterhaltsame und spannende Geschichte von Margot Krause, Katharina und Britta Sandorn? Die Leserin würde sich freuen. Regina Musalek
 
Astrid Wenke: Eine Milliarde für Süderlenau. Roman. 208 Seiten, Krug & Schadenberg, Berlin 2013 EUR 17,40

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