ÖkonomieAktuelle Ausgabe: Ökonomie

Eins, zwei, viele Haushalte

Die Ökonomin Bettina Haidinger hat sich in ihrer veröffentlichten Dissertation einem Thema gewidmet, das in den letzten Jahren vermehrt Aufmerksamkeit erlangt hat: Sie untersucht Haushaltsarbeit in einer transnationalen Perspektive anhand von biografischen Interviews ukrainischer Haushaltsarbeiter_innen. Der Privathaushalt wird dabei in vielfältiger Hinsicht erfasst: Er wird nicht nur als Arbeitsort und als teils realer, teils fiktiver Lebensort in der Ukraine konzipiert, sondern der Blickwinkel wird auch auf den Haushalt als Wohnort in Wien gerichtet. Mit dieser inhaltlichen Erweiterung gelingt es Haidinger, die Akteur_innen in unterschiedlichen Positionen und mit teils ambivalenten Haltungen und Wünschen zu zeichnen. Deutlich wird, welchen Stellenwert „Familie“ als Norm aber auch als soziale Realität in der sozialen Reproduktion der Haushalte hat, sowohl in Hinblick auf die unterschiedlichen Haushalte wie auch auf die sich aufspannenden transnationalen sozialen Räume. Haidinger gelingt es mit dieser Arbeit, die strukturellen Gegebenheiten wie auch die Subjektpositionen der ukrainischen Haushaltsarbeiter_innen im Kontext von Geschlechterverhältnissen, Heteronormativität, Produktionsverhältnissen und rassistischen Praktiken nachzuzeichnen. Heidi Niederkofler
 
Bettina Haidinger: Hausfrau für zwei Länder sein. Zur Reproduktion des transnationalen Haushalts. 289 Seiten, Westfälisches Dampfboot, Münster 2013 EUR 30,80

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Aktuelle Ökonomie als Kulturkrise

Es reicht nicht aus, an den Symptomen einer kranken Ökonomie kritisch herumzudoktern und damit einem Gegenwartspositivismus zu verfallen, sondern es ginge darum, die darunter liegenden Strukturen und Denkschemata zu erfassen, um alternative Möglichkeiten erschließen zu können. Dazu gehört es, den seit Aristoteles geltenden Dualismus von Politik und Ökonomie zu durchqueren, um deren kulturstiftende Verflochtenheit zu erkennen, sowie eine Konzeption von Gerechtigkeit (nach Platon) als eine neue Geschlechterkultur zu entwickeln. Dazu gehört es, die reine Tauschrationalität ebenso zu kritisieren wie die (weibliche) Moral der Ablehnung des Habens und des Wollens. Und dazu gehört es (mit Hannah Arendt) gegen die metaphysisch-religiöse Weltverachtung der Ökonomie eine Politikverfasstheit zu konsturieren, die Verschiedenheit der Menschen und deren Bezugsqualitäten zusammenbindet und dadurch sich der Vereinheitlichung von Perspektiven entzieht. Im Rahmen dieses Entwurfs einer gelungenen Weltpraxis werden auf ungewohnte Weise auch aktuelle Diskurse wie Careökonomie, Verteilungsgerechtigkeit, Quotenpolitik und Vereinbarkeitsmythos thematisiert. Birge Krondorfer
 
Andrea Günter: Die Kultur des Ökonomischen. Gerechtigkeit, Geschlechterverhältnisse und das Primat der Politik. 215 Seiten, Ulrike Helmer Verlag, Sulzbach/Taunus 2013EUR 30,80

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