PolitikwissenschaftAktuelle Ausgabe: Politikwissenschaft

Geschlecht und islamische Welten

Ist die im Westen vorherrschende Meinung berechtigt, dass ein Mehr an Demokratisierung gleichbedeutend ist mit einem Mehr an Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern? Führen Prozesse weg von Autokratien und Diktaturen notwendigerweise auch zu mehr Emanzipation und Mitbestimmung von Frauen? Oder werden Forderungen nach mehr Gestaltungsspielraum von Frauen zumindest von einem Teil muslimischer, postkolonialer Gesellschaften als kulturimperialistisch und damit als nicht wünschenswert für die islamische Welt diskreditiert? Diesen Fragen gehen die unterschiedlichen AutorInnen des vorliegenden Sammelbandes nach. Der regionale Bogen der Studien erstreckt sich dabei von Südostasien über den Mittleren Osten bis nach Nordafrika. Demokratisierung und Geschlechtergerechtigkeit werden versucht anhand empirischer Beispiele fest zu machen. Bei dem Sammelband handelt es sich um eine klassische kulturanthropologische Schrift zur Verortung der Stellung der Frau in islamisch geprägten Gesellschaften nach der sogenannten „Arabellion“. Sie besticht durch ihre Vielfalt. Die Fallbeispiele machen klar, dass Islam nicht gleich Islam ist und Forderungen nach mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern sehr kulturspezifisch bleiben. Trotz der Wissenschaftlichkeit des Werkes ist es durch die exemplarische Darlegung verständlich geschrieben. Bernadette Schausberger
 
Geschlechtergerechtigkeit durch Demokratisierung? Transformationen und Restaurationen von Genderverhältnissen in der islamischen Welt. Hg. von Susanne Schröter. 318 Seiten, transcript Verlag, Bielefeld 2013 EUR 30,70

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Staatstheorien als (anti-)emanzipatorische Projekte

Marion Löffler nimmt sich des so umfangreichen wie wichtigen Vorhabens an, Theorien über den Wandel von Staatlichkeit und theoretische Ansätze zur Transformation von Geschlechterverhältnissen zusammenzudenken. Theorien sind für Löffler niemals „neutral“, sie sind an der Konstruktion ihres Gegenstands beteiligt. So zeigt sie auf, dass geschlechterkonservative Staatstheorien hierarchische Geschlechterordnungen mit- und beständig rekonstruierten – nicht zufällig fällt die Entstehung moderner Staatlichkeit historisch mit der Universalisierung des Geschlechter-Essentialismus zusammen. Gleichzeitig können aber feministische, herrschaftskritische Staatstheorien als strategische Interventionen auf Geschlechterverhältnisse einwirken. Unter Rekurs auf zentrale feministische Herrschaftskonzepte von Pateman, Kreisky, Sauer u.a. und mit Bezug auf bourdieusche und foucaultsche Konzepte der Veränderung von Herrschaftsmechanismen nähert sich Löffler der Frage an, wie dieses emanzipatorische Potenzial feministischer Theorie im Licht aktueller Staatstransformationen zu bewerten ist. Dabei fordert sie dezidiert, bei geschlechterpolitischen Erfolgen für „Hierarchisierungseffekte entlang neuer Trennlinien“ wachsam zu bleiben. Löffler wird dem von ihr skizzierten Verständnis von Theorie als transformatorischer Gesellschaftstheorie in dieser argumentativ dichten Abhandlung gerecht. Das Buch deckt grundlegende Blindstellen aktueller staatstheoretischer Debatten auf und liefert zahlreiche Anstöße, die Wechselwirkungen von Staatlichkeit und Geschlechterverhältnissen neu zu denken. Silvia Schröcker
 
Marion Löffler: Geschlechterpolitische Strategien. Transformationen von Staatlichkeit als politisch gestaltbarer Prozess. 183 Seiten, Campus Verlag, Frankfurt/M.-New York 2012 EUR 35,90

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Feministische Kritik auf der Höhe der Zeit

Dies und nichts weniger bietet der im Gefolge einer Vortragsreihe im Republikanischen Club herausgegebene Sammelband, in dem Feministinnen unterschiedlicher Disziplinen zu Wort kommen und ihre Befunde zu weiblichen Existenzen in Zeiten des Neoliberalismus zur Verfügung stellen. Orientierungen in Gesellschaftspolitik, Ökonomie und Gesetzgebung, die imstande wären, weibliche Menschenwürde zu gewährleisten, werden damit sichtbar ebenso wie aktuelle Auseinandersetzungen verständlich gemacht. Wie umfassend die feministischen und frauenpolitischen Agenden eigentlich wären, würden sie ernst genommen, wird mit jedem einzelnen der Beiträge aufs Schmerzlichste deutlich. Allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz ist die neoliberale Gesellschaft eine unverändert patriarchale, in der sich einige Wenige die Früchte der Arbeit von Frauen mehr denn je zuvor aneignen, während gleichzeitig von erreichter Gleichstellung und Benachteiligung von Männern geredet wird. Mit Referenzen auf die österreichische (Parteien-)Geschichte werden die Geschlechterverhältnisse hierzulande unausgesetzt als Skandal fassbar – trotz EU-Vorgaben und Gender Mainstreaming-Politiken. Fazit: ein unentbehrlicher Referenzrahmen und eine ebensolche Inspirationsquelle für feministische politische Praxis! Hilde Grammel
 
Weiblicher Eigensinn und Gesellschaftspolitik. Hg. von Brigitte Lehmann und Sybille Summer. 224 Seiten, ÖGB-Verlag, Wien 2013 EUR 24,90

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