Mit Graffiti Berlin beschreiben 

Wie beschreibt man ein Buch, das sich verschmitzt weigert, sich einordnen zu lassen und die Leserin einfach bei der Hand nimmt, mitten in eine fremde und doch vertraute Welt? Am besten fängt man mit seiner Heldin an: Sybilla Kischotta ist alles Mögliche: eine kluge Historikerin, eine weise Stadtführerin, eine freiheitsliebende Liebhaberin und eine gute Nachbarin und liebevolle Mutter aus der Ferne. Vor allem aber ist sie eines: Weddingerin mit Leib und Seele. Der Wedding, dieser ach so unscheinbare Stadtteil Berlins, ist Schauplatz der vielen Geschichten und unterschiedlichen Menschen, die sich in diesem sensiblen und gleichzeitig knallhart recherchierten Roman treffen. Wir begleiten “die Kischotta” wie sie in einer hippen ehemaligen Fabrikshalle mit der unerreichbaren Amalia Tango tanzt, in ihrem Stammbeisl mit ihren links-linken Freunden über Kapital und privates Eigentum diskutiert, und sich mit dem reichen Schnösel nebenan anlegt, der ihre geliebte Altbauwohnung aufkaufen will. Die Autorin, immer eine gesunde Portion Ironie parat, macht eine Erläuterung über die Kanalisation des Weddings im 16. Jahrhundert ebenso spannend wie den Krimi um Kischottas Wohnhaus, das von Immobilienhaien bedroht wird. Obwohl Wenke gerne politisiert und philosophiert kommen zwischen den mit Graffiti beschmierten Mauerbrocken wie Efeuranken immer wieder die Bausteine des Zusammenlebens – Freundschaft, Liebe, Familie – beim weit geöffneten Fenster herein. Tief Luft holen und – Empfehlung!  Denise Riedlinger

Astrid Wenke: Windmühlen auf dem Wedding. Roman. 304 Seiten, Krug & Schadenberg, Berlin 2014EUR  17,40