Uneingelöst

Eine Kulturgeschichte der Frauenfreundschaft verspricht der Klappentext, und auf über 400 Seiten bieten uns die Autorinnen zwar einen materialreichen Überblick über Frauenfreundschaften quer durch die Jahrhunderte, bleiben den Leser*innen aber allzu viel schuldig. Statt einer theoretisch fundierten Aufarbeitung der dargestellten Freundinnenschaften finden sich unfreiwillig komische Texte, z.B. bei der Beschreibung von Patchwork-Gruppen amerikanischer Frauen des 19. Jahrhunderts: „Damals wie heute erkannten liebevolle Männer, dass die Zeit, die eine Frau mit ihren Freundinnen verbrachte, ihr allgemeines Wohlbefinden steigerte, was letztendlich dem Familienleben zugutekam“. Besonders ärgerlich ist auch die vollkommen inadäquate Darstellung von Freundinnenschaften schwarzer Frauen, bei der von „Rasse“ die Rede ist und Sätze wie die folgenden stehen: „Die afroamerikanischen Frauen mussten ihre eigenen Erfahrungen machen, bis sie erkannten, dass das Patriarchat für sie genauso unterdrückend war wie für die weißen Frauen“. Auch die theoretische Fundierung für die Entscheidung, welche Beziehung als Frauenfreundschaft (ohne Sex) gewertet wird und daher in ihre Kulturgeschichte aufgenommen wird, und welche als lesbische Beziehung hier nicht einbezogen wird, bleiben uns die Autorinnen schuldig.

Helga Widtmann

Marilyn Yalom, Theresa Donovan Brown: Freundinnen. Eine Kulturgeschichte. Aus dem amerik. Engl. von Liselotte Prugger. 409 Seiten, btb, München 2017 EUR 22,70