Vom Dienen und Sterben

Marie Ndiaye, preisgekrönte Autorin, hat ihren neuen Roman vorgelegt. „Ladivine“ ist eine traurige, streckenweise phantastische Geschichte über drei Generationen von Frauen. Die Mutter Ladivine, Putzfrau mit dunkler Haut. Die Tochter Malinka mit heller Haut, die sich ihrer Herkunft schämt und sich deshalb Clarisse nennt. Die Enkelin Ladivine, die gleichsam von der Last der Familiengeschichte aus dem Leben radiert wird. Es stimmt, dass NDiaye wunderbar erzählen kann, dass sie in der offenen Wunde des Alltagsrassismus wühlt. Doch die Wege, die sie für ihre Protagonistinnen wählt, sind befremdlich. Die Mutter wird von ihrer Tochter durchgehend als „die Dienerin“ bezeichnet. Die Tochter gibt sich als junge, hübsche Frau, die den Gästen, denen sie ihr Essen serviert, jeden Wunsch von den Augen abliest. Clarisse geht schließlich mit einem Mann weg, um schnell vor ihrer Mutter zu fliehen. Diesem Mann ist sie ebenso zu Diensten, tut alles, um ihm seine vermeintlichen Wünsche zu erfüllen. Er verlässt sie trotzdem. Sie geht eine neue Beziehung ein mit einem Mann, der sie kurz darauf brutal ermordet. Das Opfer liegt verblutend auf dem Boden. Und der Ex-Mann macht sich Vorwürfe. Er hätte sie retten müssen. Die Enkelin Ladivine hat auch ihre eigene Familie, und auch sie versagt: Im Umgang mit ihrer Mutter, bei der Planung des Urlaubs in ein unbekanntes Land. Auch sie wird nicht gerettet, sondern flüchtet sich in die Wälder und ward nicht mehr gesehen. Es bleibt Mutter Ladivine, die einen streunenden Hund mit den Augen ihrer Tochter ins Haus lässt. Ich hätte mir eine Entwicklung dieser Frauen zu Stärke und Selbstbestimmug gewünscht, die ihnen als letzten Ausweg nicht nur die Transformation in ein Tier offen lässt.  GaH

Marie NDiaye: Ladivine. Roman. Übersetzt von Claudia Kalscheuer. 445 Seiten, Suhrkamp, Berlin 2014EUR 23,60