Warum Frauen zu Hexen (gemacht) wurden

Marion Gibson geht in dreizehn Fallbeispielen der Frage nach: Was ist eine Hexe? Beginnend mit dem spätmittelalterlichen Prozess gegen Helena Scheuberin aus Innsbruck, führt sie die Leser:innen durch die verschiedenen Phasen der Hexenverfolgung bis in die Gegenwart. Besonders interessant ist dabei der biografische und erzählerische Ansatz, mit dem es Marion Gibson gelingt, vielfältige räumliche und zeitliche Kontexte zu vermitteln. Immer wieder betreten die Leser:innen so eine neue Szene, in der gesellschaftliche Spannungen, politische und religiöse Auseinandersetzungen und persönliche Schicksalsschläge zu Misstrauen führen. Dabei werden Personen – vor allem Frauen –, die aufgrund von Armut, Behinderung oder abweichendem Glauben an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, zu Sündenböcken. Personelle und ideologische Kontinuitäten in der Verfolgung von ‚Hexen‘ werden in den ersten Kapiteln besonders gut dargelegt. Weitere Kapitel zeigen Veränderungen in der Verfolgung, Rechtsprechung und Wahrnehmung von fremd- oder selbsternannten ‚Hexen‘, wobei der Fall von Stormy Daniels (der aktuell Donald Trump und die US-Gerichte beschäftigt) den Abschluss bildet.

Die Stärke des Buchs liegt in der breiten Recherche, die in einem umfangreichen bibliografischen Anhang dokumentiert ist, und der außergewöhnlichen Übersetzungsleistung. Einzig der Untertitel ist irreführend: Es handelt sich um eine Geschichte der Hexenverfolgung im christlichen Europa und Nordamerika. Zwei Kapitel zu afrikanischen Kontexten können diesen Schwerpunkt nicht aufwiegen und wirken im Vergleich weniger informiert. Insgesamt handelt es sich um ein angenehm zu lesendes und äußerst lesenswertes Buch!

Eva Hofmann

Marion Gibson: Hexen. Eine Weltgeschichte in 13 Prozessen vom Mittelalter bis heute. Aus dem Engl. von Karin Schuler und Thomas Stauder. 524 Seiten, aufbau Verlag, Berlin 2024 EUR 28,80