Wider die Gewalt

Im letzten Jahr feierte das Gewaltschutzzentrum Steiermark sein 20-jähriges Bestehen. 30.000 Betroffene von meist häuslicher Gewalt wurden in dieser Zeit betreut. Diese 20 Jahre schlagen sich auch in einer riesigen Menge an Akten mit Niederschriften nieder, die nicht einfach vernichtet und vergessen werden sollten. So wurde beschlossen, ein literarisches Projekt daraus zu machen. 20 Autorinnen und Autoren (u.a. Valerie Fritsch, Natascha Gangl, Cordula Simon) wurden eingeladen, auf Grundlage von anonymisierten Akten Beiträge für eine Anthologie zu verfassen. Damit durchliefen die mündlich erzählten Schilderungen der Gewaltopfer eine weitere Transformation. Waren sie in einem ersten Schritt von den BeraterInnen des Gewaltschutzzentrums in juristische Sprache und Berichtsform gebracht worden, sollten sie nun von den KünstlerInnen noch mal übersetzt, „Herübergeschrieben“, wie der Titel lautet, werden. Entstanden sind sehr individuelle Texte, Gedichte, Prosa oder kurze Graphic Novels. Lesenswert sind sie alle, bestürzend auch, denn was durch diese Raffung von 20 Lebensschicksalen auf 160 Seiten besonders deutlich wird, sind die bei aller Individualität ständigen Wiederholungen, das Nicht-Abreißen der Gewaltspiralen, die Muster der Erniedrigung. Und unweigerlich wird einer klar, dass genau diese Dinge genau in dem Moment irgendwo wieder geschehen. Umso größere Anerkennung gilt den MitarbeiterInnen der Gewaltschutzzentren, die über Jahrzehnte Hilfe anbieten und damit einen großen Unterschied im Leben der Betroffenen machen. ESt

Herübergeschrieben. Unsagbares in Worte gefasst. Hg. vom Gewaltschutz‑ zentrum Steiermark. 167 Seiten, Edition Keiper, Graz 2015 EUR 19,80