Mitmenschlichkeit in den Verhärtungen gesucht!
Die Autorin Nava Ebrahimi fängt an einem einzigen Tag die unterschiedlichen Perspektiven, Stimmungen und Gedanken von sechs Protagonist:innen ein, die sich am Ende zufällig treffen. Dabei entsteht ein vielfältiges Bild über die Menschen in einer kleinen Ortschaft im Emsland, deren Drehscheibe sich im Geflügelschlachthof Möllring befindet. Die alleinerziehende Fließbandarbeiterin, die ihre 12-jährige Tochter aus Überforderung zu Hause einsperrt und deshalb acht Stunden am Band vom schlechten Gewissen geplagt wird, sucht nach Lösungen, um aus ihrem tristen Job auszubrechen. Der fast blinde afghanische Lyriker und Asylwerber verspricht sich durch die Übersetzung seiner Texte Vorteile beim Asylverfahren und wird von einer iranischen einfühlsamen Literatin besucht. Seine Geliebte wiederum lernt auf einer Datingplattform den Qualitätsmanager von Möllring kennen und vereinbart mit ihm ein Date. Dieser ist aufgewühlt von der Geschichte seiner Großmutter, die als Staatenlose nach 1945 nicht mehr nach Polen zurückkehren konnte. Enerviert ist er von der jungen Organisationsberaterin, deren Aufgabe darin besteht, die Vollautomatisierung des Schlachthofes voranzutreiben. Wie durch ein Kaleidoskop werden die Schwächen und Stärken dieser Menschen gespiegelt, die allesamt auf der Suche nach einem für sie erfüllteren Leben sind und dabei von ständigen Gefühlsschwankungen getrieben werden. Gut recherchiert und glaubwürdig!
ML
Nava Ebrahimi: Und Federn überall. 351 Seiten, Luchterhand, Berlin 2025 EUR 24,70
