Im Jahr der Schlange

Lai wächst in einem Arbeiterviertel in Peking der 1970er Jahre auf. Mit ihrem kleinen Bruder kann sie wenig anfangen, ihr Vater ist depressiv und ihr gegenüber distanziert, ihre Mutter ist zumeist übergriffig und lästig. Einzig zu ihrer Großmutter Po Po gelingt es ihr, eine innige Beziehung aufzubauen. Ihr schulischer Erfolg ermöglicht ihr, dass sie ein staatliches Stipendium für die Universität erhält. Unterstützt wird sie von einem alten Buchhändler, der ihr verbotene Bücher ausleiht. Ihr Begleiter und Freund ist Gen, Sohn eines gut verdienenden Staatsbeamten. Lai und Gen hatten in der Pubertät wegen eines amerikanischen Staatsbesuches und einer von ihnen missachteten Ausgangssperre die staatliche Repression bereits kennengelernt. Während ihres ersten Studienjahres lernt sie die queere Anna kennen, die sie fasziniert und in deren Freundeskreis sie sich wohl fühlt und durch die sie ihre Ängste überwinden kann. Ihre Beziehung zu Gen wird aufgrund ihrer Klassenunterschiede komplizierter. Als politische Reformversuche für mehr Freiheiten der Bürger*innen fehlschlagen, beschließen die Studierenden im Mai 1989, den Tian’anmen-Platz zu besetzen und einen Hungerstreik zu veranstalten, der vom Militär am 4. Juni brutal niedergeschlagen wird. Der semibiografische Coming-of-Age-Roman überzeugt in der Beschreibung der studentischen Widerstandsbewegung. Ein Familienroman, der insbesondere im letzten Drittel an Spannung gewinnt.
ML
Lai Wen: Himmlischer Frieden. Aus dem Engl. von Judith Schwaab. 560 Seiten, Ullstein, Berlin 2025 EUR 25,80