Was uns verstummen lässt
n ihrer neuen Graphic Novel Schweigen verwebt Birgit Weyhe die Geschichte zweier deutscher Frauen, die in unterschiedlichen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nach Argentinien auswandern: Zum einen Ellen Marx, die als 17-jährige deutsche Jüdin 1939 ohne ihre Eltern vor den Nazis flüchtet. Zum anderen Elisabeth Käsemann, die in den späten 1960er Jahren in der deutschen Studierendenbewegung politisiert wird und 1970 auswandert, weil sie sich in den Armenvierteln von Buenos Aires sozial engagieren möchte. Auf unterschiedliche Weise sind die Lebenswege der beiden Frauen geprägt vom Schweigen und Verschweigen, das in Diktaturen überall auf der Welt bei Täter:innen wie Opfern vorherrscht: sei es etwa aus Opportunismus, aus Furcht vor Repression oder um zu vergessen und zu verdrängen. Birgit Weyhe gelingt es, die unterschiedlichen Handlungsorte und -zeiträume in ihren Bildern lebendig zu machen – etwa über die Kleidung der Protagonist:innen oder über die unterschiedlichen politischen Symboliken auf Wahl- und Werbeplakaten. Jedem Kapitel folgt ein Kontext-Abschnitt, in dem die Geschehnisse vor dem politischen Hintergrund erklärt und mit Fakten und Analysen unterfüttert werden. Trotz dieses klugen Aufbaus wird auch in den Dialogen oft sehr viel erklärt, was sie etwas pädagogisch-gekünstelt daherkommen lässt. Nichtsdestotrotz ein sehr gelungenes Buch, das ein oft vergessenes Kapitel der deutschen Geschichte anschaulich aufarbeitet.
Katharina Bacher
Birgit Weyhe: Schweigen. 368 Seiten, Avant Verlag, Berlin 2025EUR 40,10
