Zerbrechende Familienbanden

Das Romandebüt Zu wenig vom Guten nimmt uns mit in eine ungarische Familie in der Schweiz, die versucht, dort ihren Platz zu finden. Die Ich-Erzählerin ist die jüngere von zwei Schwestern, die sich im Laufe der Zeit immer mehr voneinander entfremden. Der Opa ist bis zu seinem Tod eine wichtige Bezugsfigur, während sich die Beziehung zu den Eltern besonders nach deren Trennung immer weiter verändert. Durchsetzt mit sehr schönen Metaphern wird vom Aufwachsen im Fischbauch, von Fremdheitserfahrungen, vom ersten Mal am Meer sein und einem Besuch in Ungarn erzählt. Vor allem aber geht es in diesem Roman um die Gefühle der Ich-Erzählerin, keinen Raum einnehmen zu können, und ihren Versuch, immer mehr zu verschwinden. Katinka Ruffieux gibt uns einen berührenden Einblick in zerbrechende Familienkonstellationen und nimmt uns mit auf eine Reise in die Schweiz der 1970er und 1980er Jahre. Mit Scharfsinnigkeit beschreibt sie die scheinbar alltäglichen Umstände und Entwicklungen und schafft es, ein differenziertes Bild von allen Personen zu zeichnen. Nur die Schwester bleibt merkwürdig fremd und unscharf – vielleicht auch, weil die Ich-Erzählerin sie nicht greifen kann, sie nicht versteht. Ein schönes und trauriges Buch über Familie und Zugehörigkeit.
Nike
Katinka Ruffieux: Zu wenig vom Guten. 254 Seiten, Arche, Zürich 2025 EUR 24,70