Weibliches Schweigen über Gewalt
Aus der Perspektive einer Enkelin wird die Geschichte von Anna, die Ende des Zweiten Weltkrieges von Polen nach Deutschland fliehen muss, erzählt. Anna kommt nach Kosakenberg, einem Dorf in der sowjetischen Besatzungszone. Sie arbeitet bei den Wendlers als Magd. 1949 kehrt Friedrich Stein aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft nach Kosakenberg – jetzt ein Dorf in der DDR – zurück. Stein, in der Erinnerung der Enkelin und der Töchter ein fürsorglicher Vater bzw. Großvater, entpuppt sich erst nach seinem Tod als rücksichtsloser Gewalttäter. Sabine Rennefanz ist mit ihrem neuen Roman eine eindringliche Auseinandersetzung mit der Nachkriegsgeschichte im östlichen Teil Deutschlands gelungen. Menschenverachtung, legitimiert in gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen, aber auch Rassismus und Sexismus von Einzelpersonen führen zu gigantischem menschlichem Leid – gestern wie heute. Gerade in Zeiten von großen Migrationsbewegungen ein Roman von beachtlicher Aktualität. bf
Sabine Rennefanz: Die Mutter meiner Mutter. Roman. 256 Seiten, Luchterhand, München 2015 EUR 20,60