Man kennt sich! (… oder doch nicht?)
Tobias Kolb, Angestellter IT-Services, in irgendeinem Unternehmen in Berlin. Nach der Arbeit geht er regelmäßig zu Prostituierten. An diesem einen Abend im August, den die beiden Autorinnen hier schildern, hat er einen Herzinfarkt, genau zu dem Zeitpunkt als er nackt auf die Prostituierte seiner Wahl wartet. Am gleichen Abend sitzt Hannelore Lenkewitz, Sekretariat Marketing, in ihrem Keller und frönt ihrer ganz persönlichen Leidenschaft: „Nach der Arbeit waschen und allein sein. Etwas Sinnvolles tun. Etwas Gutes. Dreck abwaschen. Das ist etwas Gutes. Vielleicht das Allerbeste.“ In 18 kurzen Geschichten schildern Kathrin Spoerr und Britta Stuff, was verschiedenste Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des gleichen Unternehmens nach Feierabend tun: sie glauben einander zu kennen, weil sie die Namen der anderen wissen, doch eigentlich kennen sie die Kollegenschaft überhaupt nicht, das beweisen die kleinen Geschichten, die manchmal sehr bitter und traurig sind, und bei denen mir gelegentlich auch das Lachen im Hals stecken geblieben ist. Eine kurzweilige Lektüre mit einem großen Finale, die streckenweise fast schon zu trist war, die mich jedoch nachhaltig dazu angetrieben hat, ein wenig genauer hinzuschauen und nachzufragen, bei jenen, die ich tagtäglich in der Arbeit treffe und zu kennen glaubte. Julia Varga
Kathrin Spoerr und Britta Stuff: Nach Feierabend. Roman. 174 Seiten, DuMont, Köln 2015 EUR 19,60