Autor: m l

Ein doppelbödiger Mitläufer

Wer ist Hans Kesselbach zwischen den Jahren 1919–1945? Homosexueller Sohn eines liberal-konservativen Generals, der versehrt im Ersten Weltkrieg aufs Abstellgleis geschoben wurde, oder Geliebter Magda Goebbels, der medialisierten, idealisierten Mutter der Nation im engsten Vertrautenkreis um Hitler. Oder ist er ein aufgeweckter, politischer und rechtskundiger Emporkömmling, der sich als Diplomat...

Menschlichkeit gesucht!

Die Erwartungshaltung ist hoch, wenn frau in Zeiten, wo der Rechtsruck weltweit massiv ist, von einem neuen Szeneroman hört, der diesem entgegenwirken möchte. Elsa Koesters Roman weist aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Nana nach, dass es aktuell nicht darum gehen kann, schwarz-weiß zu malen, sondern dass wir die Komplexität politischer...

Mutter – Tochter, Ost – West

Nach ihrem erfolgreichen Debut Superbusen legt Paula Irmschler nun den zweiten Roman vor. Mutter Gerda, mittlerweile 60 Jahre alt, lebt aktuell in Leipzig und hat vier Kinder großgezogen, meistens alleinerziehend. Die jüngste Tochter Karla, im Jahr der Wende 1989 geboren, lebt in Köln und hat seit zwei Jahren keinen Kontakt...

Überlebenskämpfe mit Dämonen

Ulrike Edschmids Romane bestehen aus Schnittflächen zum Leben der Autorin, so auch in diesem dichten, kurzen Roman. Als Ich-Erzählerin umschreibt sie die Suche nach Geborgenheit einer vormaligen Mitbewohnerin in ihrer Wohngemeinschaft, die von 1973 bis Ende 1975 mit ihr zusammenwohnt, mit der sie Briefkontakt hat, Tonbandaufnahmen macht und telefoniert. Die...

Worte, die nicht mehr gesagt werden können

Ada D’Adamo ist beeinträchtigt von den Symptomen ihrer rasch fortschreitenden Krebserkrankung und geschwächt von den erbarmungslosen Nebenwirkungen der Krebstherapie. Sie schreibt an ihre mittlerweile 14-jährige Tochter Daria. Diese ist mit einer Agenesie des Corpus Callosum auf die Welt gekommen: Es fehlt ihr der Balken, der die Gehirnhälften trennt und verbindet...

Love-Scammer

Nach einigen Lyrikbänden hat nun die Autorin und Performanz-Künstlerin Martina Hefter wieder einen Roman geschrieben, mit dem sie den Deutschen Buchpreis 2024 gewonnen hat. Die über 50jährige Juno Isabella Flock ist Tänzerin, Performerin und lebt mit ihrem Lebensgefährten Jupiter zusammen in Leipzig. Jupiter ist Schriftsteller und an schwerer multipler Sklerose...

Interpretationen der Liebe

Über Fähigkeiten und Hürden im Umgang mit der Liebe weiß Jane Campbell viel zu berichten. Ihre drei Protagonist*innen sind alle psychologisch geschult, um das Liebesleben anderer zu analysieren, kämpfen jedoch in ihrem eigenen Leben damit, emotionale Themen zu kommunizieren. Wie in einem Kammerspiel verdichten sich Dynamiken rund um Familiengeheimnisse, Versäumnisse...

Stille Emanzipation: Lebensgeschichte einer Ärztin

Die Lebensgeschichte einer Frau, die zwei Weltkriege erlebt und so unaufgeregt wie eigenständig ihren Weg geht: Als praktizierende Ärztin für Geburtshilfe wird die Erzählerin zur Vertrauensperson für Frauen, die unter dem Verbot der Abtreibung leiden. Als Schwester und später als Mutter muss sie miterleben, wie ihre Brüder und Söhne als...

„Ich heiße Jolla, wie der Rolla!“

Dass die Deutschen ihren Namen nicht richtig aussprechen können, ist nicht das Einzige, das Jola an den Deutschen verwundert. Auch dass Uschi, die seniorki, die sie betreut. sich von der Enkelin nicht Oma nennen lässt, geht ihr nicht in den Kopf. Aber das sind Kleinigkeiten, denn ansonsten lebt es sich...

Geschichtsversionen

Lou ist, nachdem sie eine Fehlgeburt hatte, empfindlich und zieht so ziemlich alles in Zweifel, was sie umgibt; ihren Beruf als Galeristin, ihren zweiten Ehemann Sergej, oder ihr gespanntes Verhältnis zur Mutter oder Schwiegermutter. Hinzu kommt, dass sie gern mehr über ihre mütterliche Familiengeschichte wüsste. Nachdem die jüdische Familie zum...