Lernen als Kennenlernen
Was das Erlernen einer Sprache mit eigenen, unreflektierten Einstellungen zu tun hat, führt Sabine Hassinger in ihrer neuen Publikation vor. Der Lernprozess wird immer von einer zweiten Ebene begleitet, in dem Gedankenfluss und Vergleiche mit deutschen Worten als Aussprachehilfe präsent sind. So entsteht eine Bewegung von der eigenen Sprache weg zur anderen und wieder zurück. Sie schildert Erfahrungen mit dem Eintauchen in ein anderes affektives Universum und verflicht assoziative Girlanden, historische Ausflüge und realistische Szenenbeschreibungen ineinander. Der melodiöse Ton verrät die musikalisch Erfahrene – Hassinger ist nicht nur Autorin, sondern auch erfahrene Musiktherapeutin. Beziehungen und Begegnungen gehören selbstverständlich in diesen Prozess, etwa die Bekanntschaft mit einem anderen Reisenden im Zug, dessen Uninformiertheit über sein Reiseziel, Warschau, sie gleichermaßen verblüfft und verwundert – dass jemand sich nicht für einen Ort interessiert, mit dem die eigene Geschichte zu tun hat. Wie nebenbei flicht sie Geschichtsdetails zu den nationalstaatlichen Bestrebungen des 19. Jahrhunderts samt Folgen dazwischen, reflektiert die Repräsentation Polens im Film und Nachrichten. Immer wieder wünscht man sich, dass jemand die polnischen Sätze und Worte vorlesen möge, mit den zahlreichen Varianten der Zischlaute, den offenen Vokalen, Unregelmäßigkeiten und der starken Bedeutungsverflechtung mit der Natur wie schon bei „pole“: das Feld.
Susa
Sabine Hassinger: Frau Schneider lernt Polnisch. 162 Seiten, Klever Verlag, Wien 2018 EUR 20,00