Über den Kontinent ausbreiten
Eine Stadt soll entstehen, wo gerade eben noch Zelte und ein paar wenige Holzhäuser stehen. Ob mit dem Planwagen, zu Fuß oder mit einer Herde wilder Pferde im Schlepp, die kleine Siedlung kann sich über einen Mangel an Neuankömmlingen nicht beschweren. Ein Setting in dem Céline Minard die Schicksale ihrer Figuren ganz wunderbar miteinander verwebt. Sei es ein Farmer, der seine Freude im Handel findet, ein Cowboy, der seinen Tag buchstäblich damit beginnt, Schafe aufzustellen, oder eine heimatlos gewordene Schamanin, die einem Sterbenden gerade so weit wie notwendig dabei hilft, am Leben zu bleiben. Es wird gestohlen und zurückgestohlen und manchmal auch einfach um das Diebesgut gewürfelt. Und natürlich auch geschossen, manchmal allerdings auch einfach auf Saloontüren. Doch über die klassische und klischeebeladene Idee des Westerns hinaus gibt Minard ihren Figuren Hintergrund, stattet sie mit Motivationen für ihr Handeln aus und erlaubt der Leserin Einblicke in deren Vergangenheit. Dadurch entsteht ein dichtes und gerade aufgrund dieser Dichte nicht immer auf den ersten Blick sofort durchschaubares Bild einer vielfältigen Gemeinschaft, die ihre Grenzen auslotet und sich einen Platz in einer nicht immer sonderlich wirtlichen Welt schafft. baw
Céline Minard: Mit heiler Haut. Roman. Aus dem Französischen von Nathalie Mälzer. 301 Seiten. Matthes & Seitz, Berlin 2014 EUR 23,60