Wohnungslosen Frauen eine Stimme geben
Nachdem die Autorin Angelika Sinn beschlossen hat, ehrenamtlich im Bremer frauenzimmer, einem Tagestreff (mit einer Notunterkunft) für wohnungslose und andere in Not geratene Frauen zu arbeiten, gründet sie dort nach einem Jahr eine Schreibwerkstatt. Die Geschichten der Frauen berühren sie so, dass sie beginnt, einzelne wohnungslose (aber nicht auf der Straße lebende) Frauen zu fragen, ob sie bereit wären, für ein Buchprojekt ausführlicher über ihr Leben zu erzählen. Acht Frauen im Alter zwischen zwanzig und um siebzig waren bereit und hatten den Mut, über ihr Leben zu erzählen. Die sensibel geführten Gespräche geben Einblick in die Lebensgeschichten, die Parallelen wie prekäre Familienverhältnisse, Gewalt, Missbrauch und schwere Krisen aufweisen. Gleichzeitig lernt man eindrucksvolle Persönlichkeiten mit ihren individuellen Erfahrungen kennen. Man wird von diesen Lebensgeschichten tief berührt, auch weil die Gespräche zu einem großen Teil im Originalton zu lesen sind. Subtil in die Gespräche eingebettet sind in der Schreibwerkstatt verfasste literarische Texte der Frauen. Eine zusätzliche Perspektive eröffnen die jede Frau charakterisierenden Fotos. Aus den Schilderungen geht auch hervor, wie wichtig die Möglichkeiten persönlicher und institutioneller sozialer Unterstützung für die Frauen sind, die ihnen helfen, diese Lebensumstände durchzustehen und – was einigen befragten Frauen gelingt – einen Neuanfang zu schaffen. Es ist lesenswert, wie es gelungen ist, Frauen „aus ihrer Unsichtbarkeit zu holen und ihnen eine Stimme zu geben“.
Eva Cyba
Angelika Sinn: Keine Bleibe. Lebensgeschichten wohnungsloser Frauen. 150 Seiten, Osburg Verlag, Hamburg 2024 EUR 21.50