Ausruhen ist Widerstand

Der Traum vom Girlboss-Leben auf der Überholspur ist ausgeträumt. Der bessere Job, die schönere Wohnung, Selbstoptimierung in Form von Resilienztraining oder Achtsamkeit – Nadia Shehadeh enttarnt sie als materialistische Karriereversprechen, als Märchen für die ehrgeizige (egoistische?) weiße Frau, durch das weder Empowerment stattfindet noch soziale Missstände, Rassismus, Sexismus, Ableismus oder Klassismus überwunden werden. Die Girlboss-Mentalität stellt ein weiteres unerreichbares Frauenbild dar und kaschiert die tatsächliche Lage der Frauen am Arbeitsmarkt, indem in bekannter Manier gesellschaftliche Probleme auf das Individuum abgewälzt werden. Schließlich kann ein Girlboss selbst in toxischen Unternehmenskulturen Karriere machen, wenn sie es nur wirklich will.
Als angenehme Abwechslung zum Hustle des übertriebenen Leistungsdenkens präsentiert die Soziologin in Anlehnung an die „Rest Revolutions“ schwarzer Aktivist*innen ihre eigene Version der Self-Care: Wolldecke und Sofa, Dienst nach Vorschrift und das entspannte Lebensmotto: Keine Kinder, keine Karriere. In vielen persönlichen Anekdoten erzählt Shehadeh von ihrem Verhältnis zur Arbeit und bringt Beispiele von Frauen aus ihrem Umfeld. Leichtfüßig verwebt sie historische Entwicklungen der Arbeitswelt mit Anekdoten von Frauen unterschiedlicher Epochen und soziokultureller Hintergründe.
Ein entspanntes Buch für Girl-Angestellte, Girl-Arbeiterinnen und Anti-Girlbosse aller Art.
PS
Nadia Shehadeh: Anti-Girlboss. Den Kapitalismus vom Sofa aus bekämpfen. 224 Seiten, Ullstein, Berlin 2023 EUR 18,50