Das Private ist politisch – aber wie genau?
Der Slogan „Das Private ist politisch“ war und ist nicht nur eine zentrale Forderung feministischer, queerer und lesbischer* Bewegungen, sondern auch die Grundlage entsprechender theoretisch-konzeptueller Kritiken am Main-/Malestream der Politikwissenschaft: Ein enger, auf die institutionalisierte Politik fokussierter Politikbegriff, so die zentrale Kritik, vernachlässige nicht nur die Macht- und Herrschaftsverhältnisse im sogenannten Privatbereich, sondern verschleiere auch, inwiefern die Trennung Privat/Politisch als konstitutives Konstruktionsmoment heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit fungiere. Doch wodurch wäre ein queer-feministischer Politikbegriff gekennzeichnet, der Politik und das Politische, Geschlecht und Sexualität/Begehren anders, emanzipatorisch(er), machtkritisch(er) denkt? Die Politikwissenschaftler*in Inga Nüthen gibt in ihrer mit dem Dissertationspreis des Barbara Budrich Verlages ausgezeichneten Publikation eine höchst differenzierte und elaborierte Antwort darauf: Im Rekurs auf zentrale queere und feministische (politische) Theoretiker*innen diskutiert sie, wie Politik vor dem Hintergrund menschlicher Vulnerabilität, geschlechtlicher und sexueller Pluralität, der Notwendigkeit gesellschaftlicher Sorgearbeit und unter Anerkennung politischer Kontingenz und Differenz gedacht werden kann. Auch wenn die vorliegende Publikation vorrangig für theorie- und wissenschaftsaffine Leser*innen geeignet ist, bieten Inga Nüthens höchst spannende Überlegungen zu einem queer-feministischen Politikbegriff dennoch wichtige Impulse für aktuelle emanzipatorische Bewegungen, Politik und menschliches Zusammenleben (wieder) anders und solidarischer denk-/lebbar zu machen.
Christine M. Klapeer
Inga Nüthen: Geschlecht, Sexualität und Politik: Aspekte queer_feministischer Politikverständnisse. 375 Seiten, Budrich, Leverkusen 2024 EUR 41,95