Der Alltag vor der Militärdiktatur
Buenos Aires, 1974/75: Das Vorstadtviertel Ballester ist geprägt von Katholizismus, politischer Instabilität und dem regen Austausch unter seinen Bewohner_innen. Da sind die Schülerinnen eines katholischen Internats, die bei jeder Gelegenheit versuchen, aus ihrem reglementierten Alltag auszubrechen. Wir begegnen den Mechanikern der Autowerkstatt „Autopia“, deren revolutionäre Ideen sich unter anderem im „ballester lokalanzeiger“ manifestieren. Nebenan arbeitet der Inhaber des Friseursalons „Zur ewigen Schönheit“, der sich nicht nur um Äußerlichkeiten, sondern auch um das innere Wohl seiner Kund_innen kümmert. Maria C. Barbetta hat weniger eine stringente Erzählung als ein Mosaik von Einblicken in den Alltag des Einwandererviertels kurz vor dem Militärputsch 1976 erschaffen. Der über 500 Seiten umfassende Roman ist stilistisch vielfältig und trotz des Ernstes der Lage humoristisch und lebendig erzählt, nicht zuletzt aufgrund der seitenlangen Dialoge der auftretenden Charaktere. Diese rekrutieren sich aus unterschiedlichen Schichten, Generationen und Herkunftsländern – sodass sich der Leserin nach und nach unzählige miteinander verstrickte Lebensgeschichten erschließen. Aufgrund des Personen- und Handlungsreichtums kommt mitunter das Gefühl auf, den Überblick zu verlieren – dies wird jedoch durch die inhaltliche Dichte und die liebevolle Darstellung der Protagonist_innen wieder wettgemacht.
Rebecca Strobl
María Cecilia Barbetta: Nachtleuchten. 521 Seiten. Verlag S. Fischer, Frankfurt/M. 2018. EUR 19,90