Einfach weg von Stereotypen

Shila Behjat ist eine gut ausgebildete, karriereorientierte, westlich-demokratisch erzogene Feministin mit deutsch-iranischem Hintergrund. Als Journalistin setzt sie sich für Gleichstellungsfragen in der EU und international ein. Bejahts Vater ist Angehöriger einer verfolgten Minderheit im Iran, bei der die gleichberechtigte Bildung von Mädchen normal ist. Durch seine Schwierigkeiten, in Deutschland respektiert zu werden, hatte sie bereits andere Achsen der Ungleichheit erlebt. In ihrem als Streitgespräch mit mir selbst untertitelten Buch lässt sie uns nachvollziehen, wie sich für sie feministische Grundsätze und Selbstverständlichkeiten verschoben haben.

Mit der Geburt von zwei – in Temperament und Charakter sehr unterschiedlichen – Buben und den vielen kleinen Erfahrungen im Zuge ihres Aufwachsens entwickelte sie zunehmend eine neue, weniger eindeutige Sicht auf Fragen der Gleichstellung von Männern und Frauen. In ihrer Wahrnehmung werden Mädchen und junge Frauen zu mehr Selbständigkeit, Stärke und sogar Aggressivität ermutigt, während sich Buben aufgrund von veränderten Rollenzuschreibungen und Identitätsangeboten in einer Art Patt-Situation befinden. Für ihre Söhne wünscht sie sich, dass sie auch andere als ‚männlich’ konnotierte Eigenschaften ausbilden können, aber durchaus auch körperliche Stärke und Durchsetzungsfähigkeit – Attribute, die bei Männern aus feministischer Sicht aber mit der Figur des weißen Gatekeepers oder gar des gewaltsamen Unterdrückers assoziiert werden. Letztendlich gelangt sie zu einem Begriff von Feminismus, der beide Geschlechter miteinbezieht und allen Menschen über geschlechtsspezifische Verzerrungen/Verengungen hinweg zur persönlichen Entfaltung verhilft.

Ein flüssig zu lesendes, leicht redundantes Selbstverständigungsbuch mit theoretischem Hintergrund.

SaZ

Shila Behjat: Söhne großziehen als Feministin. Ein Streitgespräch mit mir selbst. 200 Seiten, Hanser, München 2024 EUR 24,50