Für-Sich- und Für-Andere-Sein

Schule ist nicht nur ein System, sondern immer auch ein psychischer Raum. Geschlechtlichkeit wird als Aufgabe deutlich, die grundlegende Tatsache menschlicher Begrenztheit zu bewältigen. Die Autorin zeigt ganz konkrete Möglichkeiten für die Unterrichtspraxis auf, das Für-Sich- und Für-Andere-Sein der menschlichen Existenz in gemeinschaftlicher Anstrengung zu bearbeiten. Dies ist umso notwendiger, je stärker naturalistische Fehlschlüsse in aktuellen Diskursen wieder mehr und mehr Raum einnehmen, etwa in der Vorstellung von Biologie als Schicksal oder der „Gehirnmythologie“ der Neurowissenschaften. Die Arbeit stellt darüber hinaus auch eine produktive Antwort auf Ergebnisse der empirischen Schulforschung dar, die ein Auseinanderklaffen des Selbstwerts bei Mädchen und Jungen mit einsetzender Pubertät feststellen. Sie bietet ein Kontrastprogramm zum mittlerweile hegemonialen Diskurs um ‚Jungen als Bildungsverlierer‘, dem Vorwurf der ‚Feminisierung‘ des Bildungssystems und dem Wiederaufleben von Differenzannahmen. Das Buch zeichnet sich durch klare Argumentation, beeindruckende Eloquenz, Materialreichtum und enorme transdisziplinäre Vielfalt aus. Besonders bemerkenswert ist die lebendige Verbindung von Theorie und Praxis anhand der Themenkomplexe Körper und Sprache, Geschlecht und Macht im konkreten Feld der Unterrichtspraxis. Der Autorin gelingt es, komplexe Theorien spannend, anschaulich und zugänglich aufzubereiten – eine überaus anregende Lektüre für alle im pädagogischen, philosophischen und geschlechterpolitischen Bereich Tätigen.

Bettina Zehetner, Frauen* beraten Frauen*

Stefanie Göweil: Grenzen und Chancen der modernisierten Geschlechterordnung. Ein geschlechterkritischer Blick auf Gesellschaft und Schule. 309 Seiten, Psychosozial Verlag, Gießen 2017 EUR 41,10