Ganz schön modern: historische Reisen

Lili Körber feierte ihren Durchbruch als Schriftstellerin 1932 mit ihrem Tagebuchroman „Eine Frau erlebt den roten Alltag. 1934 wurde „Eine Jüdin erlebt das neue Deutschland“ veröffentlicht, aber noch im gleichen Jahr wegen Blasphemie verboten. In Wien arbeitete sie journalistisch für die Arbeiter-Zeitung und die Rote Fahne. Im lebendigen Stil einer Sozialreportage ist auch „Begegnungen im fernen Osten“ geschrieben. Detailgetreu nimmt sie darin die Leserin* mit in den Alltag ihrer Gastfamilie in Japan, teilt Beobachtungen der Lebensumstände in China, und berichtet über politische Hintergründe in Birobidschan. Zwischen ausführlichen Episoden zwischenmenschlicher Szenen finden sich Fakten und Lyrik, Randnotizen der Geschichte, die Aufschluss geben über das Leben um 1934: Die tägliche Kalorienanzahl von Werktätigen in Shanghai und Peking, das Lied der chinesischen Fischer, die Speisenauswahl und die Choreographie der Kellner im Restaurant. Der lockere Tonfall täuscht nicht darüber hinweg, dass Körber auch sozial­kritische Themen beleuchtet: die Arbeitsbelastung von Arbeiterinnen, Abtreibung und Polizeikontrollen. Darin drückt sich nicht nur ihre politische Haltung aus, sondern auch die menschliche Anteilnahme. Wer das Fernweh stillen möchte und nicht nur an ferne Orte, sondern auch in vergangene Zeiten reisen will, dem sei dieser historische Reisebericht ans Herz gelegt!.
 P.S.
Lili Körber: Begegnungen im fernen Osten. Eine Reise nach Japan, China und Birobidschan im Jahr 1934. Reisebericht. 296 Seiten, Promedia, Wien 2020, EUR 24,00