Geschichtsversionen
Lou ist, nachdem sie eine Fehlgeburt hatte, empfindlich und zieht so ziemlich alles in Zweifel, was sie umgibt; ihren Beruf als Galeristin, ihren zweiten Ehemann Sergej, oder ihr gespanntes Verhältnis zur Mutter oder Schwiegermutter. Hinzu kommt, dass sie gern mehr über ihre mütterliche Familiengeschichte wüsste. Nachdem die jüdische Familie zum 90sten Geburtstag der Großtante Maya nach Gran Canaria eingeladen wird, nimmt Lou mit ihrer Mutter und Tochter die Einladung nach Gran Canaria an. Sergej hingegen ist auf Konzertreise in Österreich. Während eines gemeinsamen Essens mit den Verwandten beginnt Großtante Maya, ihre Erinnerungen aus der Kindheit und Jugendzeit wieder hervorzuholen. Dieses führt allerdings bei Lous Mutter zur Verärgerung, denn seitdem Lous Großmutter Rosa verstorben ist, wird die Geschichte ständig anders geschrieben. Ursprünglich war Rosa diejenige, die sich um die fünf Jahre jüngere Schwester Maya kümmern musste. Nachdem der jüdische Vater als Deserteur in Russland im Gefängnis starb und die Mutter psychisch am Ende war, waren die beiden Schwestern allein aufeinander angewiesen. Mittlerweile jedoch präsentiert Maya die Geschichte genau umgekehrt, nämlich dass sie die Verantwortung für sich und ihre große Schwester Rosa übernehmen musste. Nachdem Lou auf Gran Canaria keine Klarheit gewinnt, beschließt sie, von Gran Canaria direkt nach Tel Aviv zu fliegen, um die Wahrheit herauszufinden. Ein unterhaltsamer Roman, der leichtfüßig ohne Dogmatismus daherkommt. Die Ich-Erzählerin Lou tänzelt jedoch auf dünnem Eis ohne Gewissheiten.
ML
Olga Grjasnowa: Juli, August, September. 214 Seiten, Hanser Berlin, Berlin 2024 EUR 24,70