Gewalttätige Abläufe
Frauen, die geschlechtsspezifische Gewalt erlebt haben, stehen im Mittelpunkt dieses so schockierenden wie aufklärerischen Buchs der engagierten deutschen Rechtsanwältin Christina Clemm. Ausgehend von ihren vielfältigen Erfahrungen und fundierten Kenntnissen als Strafverteidigerin und Nebenklagevertreterin von Opfern sexualisierter und rassistisch motivierter Gewalt, konstruiert sie acht fiktionale, nichtsdestoweniger prototypische Geschichten von Frauen, denen massive, in einem Fall sogar tödliche, Gewalt angetan wurde – vom Ehemann, vom (Ex-)Freund, vom Bekannten des Bruders, vom Vater, vom Neonazi auf der Demo. Es sind detailreiche Fallstudien über Entstehungsbedingungen und Verlaufsformen der Gewalttaten, die die Erfahrungen der betroffenen Frauen in den Mittelpunt stellen. Clemms Perspektive als beteiligte Juristin, die die Gewalttaten in einen rechtlichen Kontext stellt, macht die Verstrickung der Frauen darin nachvollziehbar und skandalisiert den polizeilichen und (straf)rechtlichen Umgang mit sexistisch und rassistisch motivierten Gewalttaten. In zahlreichen grafisch abgesetzten Einschüben mit Erklärungen zu (deutschen) juristischen Tatbeständen, in denen sie die gängige Rechtsprechung scharf kritisiert und Änderungsvorschläge macht, leistet Clemm wichtige Aufklärungsarbeit. Argumentativ wie auch in den Falldarstellungen zeigt sie, wie sich betroffene Frauen durch (feministische) juristische und menschliche Unterstützung wehren und zu ihrem Recht kommen könn(t)en.
SaZ
Christina Clemm: AktenEinsicht. Geschichten von Frauen und Gewalt. 206 Seiten, Antje Kunstmann, München 2020, EUR 20,60